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  BFH-Urteil vom 22.7.1993 (VI R 103/92) BStBl. 1993 II S. 787

Aufwendungen für einen Lehrgang, der Grundkenntnisse in einer gängigen Fremdsprache vermittelt, sind nicht als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Reiseverkehrskauffrau. Im Hinblick auf eine vorgesehene Verwendung als Reisegruppenleiterin für Italien nahm sie im Streitjahr in Rom an einem dreiwöchigen Intensivsprachkurs (Grundkurs) in Italienisch teil. Im Prospekt des Veranstalters waren 30 wöchentliche Unterrichtsstunden von Montag bis Freitag angekündigt. Vorkenntnisse waren nicht erforderlich. Es wird auch auf Lehrgänge hingewiesen, die neben dem Sprachkurs belegt werden können, etwa ein Koch- oder Weinkurs. Die ihr durch den Kurs, Aufenthalt und die Reise entstandenen Aufwendungen machte die Klägerin als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den begehrten Abzug ab.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Ein unmittelbarer beruflicher Anlaß zum Erlernen der italienischen Sprache habe darin bestanden, daß sie als Reisegruppenleiterin für Italien vorgesehen war. Der Sprachkurs sei straff organisiert gewesen und habe während der üblichen Arbeitsstunden keine Zeit zur Verfolgung privater Interessen geboten. Entscheidend sei daneben, daß Italien nicht das regelmäßige Urlaubsland der Klägerin gewesen sei und es sich bei der italienischen Sprache nicht um eine sogenannte Weltsprache wie z. B. Englisch handele, deren Beherrschung die Verständigung auch in anderen Urlaubsländern erleichtere. Daher seien private Gründe der Klägerin für das Erlernen der italienischen Sprache nicht erkennbar.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es beantragt, die Vorentscheidung hinsichtlich der Aufwendungen für den Sprachkurs aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie macht geltend, sie sei während der üblichen Arbeitsstunden mit dem Besuch des Lehrgangs und der Nachbereitung ausgelastet gewesen, so daß ihr kein Freiraum zur Verfolgung privater Ziele verblieben sei. Dies sei wegen der klimatischen Bedingungen auch kaum möglich gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit beantragt, zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Dabei ist ausreichend, daß die Aufwendungen objektiv durch die spezifischen beruflichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen veranlaßt sind und subjektiv zur Förderung seines Berufs getätigt werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Von diesen Voraussetzungen konnte das FG im Streitfall aufgrund seiner Feststellung ausgehen, daß die Klägerin als Reisegruppenleiterin für Italien vorgesehen war. Indessen besteht nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die der Lebensführung des Steuerpflichtigen dienen, auch wenn sie zur Förderung seines Berufs oder seiner Tätigkeit erfolgen. Die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG beinhaltet damit eine gesetzliche Typisierung und ein gesetzliches Verbot der Aufteilung in den durch sie betroffenen Fällen (BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Nach ständiger Rechtsprechung liegen abziehbare Aufwendungen nur vor, wenn sie ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse getätigt werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Diese Grundsätze gelten auch für die Kosten eines im Ausland abgehaltenen Sprachkurses (BFH-Urteil vom 31. Juli 1980 IV R 153/79, BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746). Dabei kann u. a. von Bedeutung sein, in welcher Gegend des besuchten Landes und in welcher Jahreszeit der Sprachkurs stattfindet und ob seitens der Teilnehmer die Möglichkeit besteht, in unterrichtsfreier Zeit allgemein interessierende Einrichtungen und Besonderheiten des Landes kennenzulernen. Ferner ist nicht unerheblich, ob der Besuch von Sprachkursen im Inland den gleichen Erfolg hätte haben können.

Im Streitfall durfte das FG aufgrund seiner Feststellungen nicht davon ausgehen, daß mit den Aufwendungen der Klägerin die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen war. Dies gilt zunächst für die Kosten der Reise und des Aufenthalts. Der Lehrgang umfaßte wöchentlich lediglich 30 Stunden und beschränkte sich auf fünf Wochentage. Auch unter Berücksichtigung der Zeiten für Zu- und Abgang und die Nachbereitung der Kurse verblieb der Klägerin nicht nur während der Wochenenden freie Zeit zu ihrer Verfügung. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, daß die Freizeit in einer Stadt von ausgeprägter touristischer Attraktivität wie Rom unabhängig von der Jahreszeit auch zur Befriedigung privater Interessen genutzt wird. Dafür spricht im Streitfall auch, daß entsprechende Angebote seitens des Veranstalters selbst vorlagen. Da es sich um einen Grundkurs in Italienisch handelte, der keine Vorkenntnisse voraussetzte, hätte ein Kurs im Inland einen im wesentlichen vergleichbaren Lernerfolg erbringen können. Zwar ist eine Sprache im Land, in dem sie gesprochen wird, im allgemeinen effizienter zu erlernen. Dies gilt aber vornehmlich für Studien von Fortgeschrittenen, die sich mit ihren Besonderheiten und der landesüblichen Aussprache und Betonung vertraut machen wollen.

Auch hinsichtlich der Kursgebühren kann nach Auffassung des Senats nicht davon ausgegangen werden, daß die Verfolgung privater Interessen der Klägerin nahezu ausgeschlossen war. Zwar hat das FG festgestellt, daß Italien nicht das bevorzugte Urlaubsland der Klägerin und die italienische Sprache keine Weltsprache ist, die in vielen Ländern zur Verständigung dienlich sein kann. Auch wenn dann für die Klägerin keine Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung der erworbenen Kenntnisse während eines Urlaubs bestand, bedeutet das Erlernen einer gängigen Fremdsprache in den Grundzügen dennoch eine persönliche Bereicherung und Erweiterung der Bildung. Sie betrifft die allgemeine Lebensführung (BFH-Urteil vom 24. April 1992 VI R 141/89, BFHE 167, 525, BStBl II 1992, 666) und tritt in ihrer Bedeutung neben den beruflichen Erfordernissen der Beherrschung der Sprache im Streitfall jedenfalls nicht derart zurück, daß sie fast auszuschließen wäre.

Da die Vorentscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war sie hinsichtlich der Aufwendungen für den Sprachkurs aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif, die Klage insoweit abzuweisen.