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  BFH-Urteil vom 18.6.1993 (V R 1/89) BStBl. 1993 II S. 853

Ein gewerbliches Bestrahlungsinstitut verabreicht keine "Heilbäder" i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980, wenn die Bestrahlungen weder zur Heilung einer Krankheit durchgeführt werden noch der Vorbeugung von Krankheiten (Gesundheitsvorsorge) zu dienen bestimmt sind. Der Nachweis des Heilzwecks im Einzelfall reicht für eine generelle Steuerbegünstigung nicht aus.

UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 9.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1986, 260)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt seit 1980 das UVA-Bestrahlungsinstitut "S". 1981 (Streitjahr) verabreichte sie in sechs Behandlungskabinen UVA-Ganzkörperbestrahlungen mittels Soltron-IK-Sonnenbänken und in zwei Behandlungskabinen Intensiv-Teilkörperbestrahlungen mit UVA-SUN Geräten.

In der Umsatzsteuerveranlagung für das Streitjahr unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Bestrahlungsumsätze der Klägerin - abweichend von der Umsatzsteuererklärung - dem vollen Steuersatz von 13 v. H.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin die Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 begehrt, wies das Finanzgericht (FG) in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 260 veröffentlichten Urteil zurück. Zur Begründung führte es aus, es komme nicht darauf an, ob ein Heilbad i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 voraussetze, daß ein bestimmter Heilzweck nachgewiesen werde, oder ob es ausreiche, daß das Bad aus Gründen der Gesundheitsvorsorge verabreicht werde. Nach dem Sachverständigengutachten sei der gesundheitliche Nutzen von UVA-Bestrahlungen nicht belegbar.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, die sie auf die Verletzung materiellen (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980) und formellen Rechts stützt. Unter einem Heilbad i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 sei auch eine UVA-Bestrahlung zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens in gewerblichen Solarien zu verstehen. Diese weite Auslegung des Begriffs "Heilbad" entspreche auch der Verwaltungspraxis. Überdies habe das FG den Sachverhalt nur mangelhaft aufgeklärt, gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen und die Beweise unzureichend gewürdigt.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer 1981 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides vom 9. September 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 1983 auf 4.382,60 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Auffassung des FG, die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 lägen im Streitfall nicht vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Der Senat kann unerörtert lassen, ob § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1980 unter dem Begriff "Heilbad" nur Maßnahmen erfaßt, die zur Heilung einer Krankheit durchgeführt werden, oder ob es für die Anwendbarkeit der Vorschrift ausreicht, wenn die Maßnahmen der Vorbeugung von Krankheiten (Gesundheitsvorsorge) zu dienen bestimmt sind. Denn beide Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.

2. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt dienen die verabreichten UV-Bestrahlungen nicht der Gesundheitsvorsorge. An diese Feststellungen ist der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden. In bezug auf sie hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.

a) Soweit sie im Hinblick auf einen bestimmten Strahlenanteil in ihren Geräten mangelhafte Sachaufklärung und einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs rügt, genügen diese Verfahrensrügen bereits nicht den Begründungsvoraussetzungen des § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO. Die Klägerin hat nicht dargelegt, einen entsprechenden Beweisantrag vor dem FG gestellt zu haben oder das Nichterheben der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt zu haben. Sie hat auch nicht vorgetragen, daß sie aufgrund des Verhaltens des FG die ihrer Ansicht nach mangelhafte Beweiserhebung nicht habe rügen können (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562). Es ist grundsätzlich Sache der Beteiligten, schon im finanzgerichtlichen Verfahren auf eine ordnungsgemäße Sachaufklärung hinzuwirken (BFH-Urteil vom 6. Februar 1991 II R 87/88, unter 2. b, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459).

b) Soweit die Klägerin geltend macht, die angefochtene Entscheidung sei auf bis zuletzt nicht angesprochene rechtliche Gesichtspunkte gestützt, ist diese Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO) jedenfalls nicht begründet. Zwar kann in einer für die Beteiligten unvorhersehbaren Urteilsbegründung eine das Recht auf Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegen (vgl. im einzelnen BFH-Urteil vom 19. September 1990 X R 79/88, BFHE 162, 199, BStBl II 1991, 100). Im Streitfall hatte die Klägerin jedoch ausreichend Gelegenheit, sich im Anschluß an den Beweisbeschluß, nach der Bekanntgabe des gerichtlichen Sachverständigengutachtens und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu den maßgebenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten sowie zu dem Beweisergebnis zu äußern, auf dem die Urteilsbegründung im wesentlichen beruht.

c) Die Würdigung des vom FG nach § 82 FGO i. V. m. den §§ 359, 402 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhobenen Sachverständigenbeweises in der Vorentscheidung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der aus dem vorgelegten Gutachten gezogene Schluß, die von der Klägerin verabreichten UVA-Bestrahlungen dienten nicht der Gesundheitsvorsorge, ist jedenfalls möglich. Das Gutachten stellt - zusammenfassend - ausdrücklich fest, bei alleinigen Verwendungen von Lichtbädern mittels UVA-Strahlung sei ein gesundheitlicher Nutzen wissenschaftlich nicht belegbar.

3. Die UV-Bestrahlungen sind auch nicht deshalb als Heilbad anzusehen, weil sie Krankheiten zu heilen bestimmt sind. Das FG ist zwar davon ausgegangen, daß in Fällen ärztlicher Verordnung ein Heilbad anzunehmen ist. Dieser Nachweis des Heilzwecks im Einzelfall reicht jedoch nicht aus, um die UV-Bestrahlungen der Klägerin generell als Heilbad zu qualifizieren. Von dem Nachweis der Zweckbestimmung in jedem Einzelfall könnte nur dann abgesehen werden, wenn die Bestrahlung generell geeignet wäre und in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch dazu eingesetzt würde, Krankheiten zu heilen. Dies ist jedoch weder von der Klägerin behauptet noch vom FG festgestellt worden.