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  BFH-Urteil vom 18.5.1993 (V R 134/89) BStBl. 1993 II S. 885

Eine GmbH (Organgesellschaft) bewirkt Eigenverbrauch des Organträgers, wenn sie Betriebspersonal unentgeltlich für Arbeiten im Garten der Ehefrau des Alleingesellschafters (Organträger) aufgrund mündlicher, bei der Einstellung des Betriebspersonals getroffener Abrede abstellt.

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; 6. USt-Richtl. EWG Art. 6 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

1. Streitig ist, ob die Gartenpflege auf dem Privatgrundstück der Ehefrau des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) durch Betriebspersonal als Eigenverbrauch in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für 1981 bis 1984 beim Kläger besteuert werden durfte.

Der Kläger verpachtete Anlagevermögen an die mit ihm organschaftlich verbundene R-GmbH (GmbH). Der Kläger war Organträger. Von der GmbH als Betriebspersonal beschäftigte Personen waren nach den mit ihnen mündlich geschlossenen Arbeitsverträgen u. a. verpflichtet, Gartenarbeiten auf dem Grundstück der Ehefrau des Klägers auszuführen. Diese Tätigkeit besteuerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) auf der Grundlage der entstandenen Kosten als Eigenverbrauch.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung der Klageabweisung führte das Finanzgericht (FG) u. a. aus, die unentgeltliche Personalüberlassung der von der GmbH beschäftigten Arbeitnehmer zur privaten Gartenpflege auf dem Grundstück der Ehefrau des Klägers sei mit den zeitanteiligen Aufwendungen steuerbarer Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Die GmbH habe nach den maßgeblichen zivilrechtlichen Verträgen die gesamte Arbeitsleistung ihrer Arbeitnehmer empfangen und davon den Teil für betriebsfremde Zwecke entnommen, der für die kostenlose Gartenpflege verbraucht worden sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung sachlichen Rechts. Er führt u. a. sinngemäß aus, die GmbH habe die Arbeitnehmerleistungen für die Gartenarbeiten auf dem Grundstück seiner Ehefrau von vornherein nicht dem Unternehmensbereich zugeordnet. Dies sei bei sonstigen Leistungen ebenso wie bei vertretbaren Sachen möglich. Gegenstandsverwendung und Leistungsentnahme seien im deutschen Recht in derselben Vorschrift geregelt worden. Es sei daher möglich, daß der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf eine entsprechende Vorlage entscheide, eine Leistungsentnahme dürfe nicht besteuert werden, wenn der Unternehmer keinen Vorsteuerabzug habe geltend machen können.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend dem Klageantrag zu erkennen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Überlassung der Arbeitnehmer durch die GmbH, deren Tätigkeit dem Kläger als Organträger umsatzsteuerrechtlich zugerechnet wird (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), für Arbeiten im Garten der Ehefrau des Klägers als Eigenverbrauch mit den entstandenen Kosten zu besteuern ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG). Eine Vorlage an den EuGH ist nicht angezeigt, weil die einschlägige Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b der 6. USt-Richtl. EWG für die Eigenverbrauchsbesteuerung keinen vorangegangenen Vorsteuerabzug voraussetzt.

1. Die unentgeltliche Überlassung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer für Gartenarbeiten auf dem Grundstück der Ehefrau ist als Eigenverbrauch des Klägers steuerbar. Eigenverbrauch liegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen des Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs. 9 UStG bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1988 V R 200/93, BFHE 155, 215, BStBl II 1989, 163; vom 5. April 1984 V R 51/82, BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499).

Die unentgeltliche Überlassung der bei der GmbH angestellten Arbeitnehmer für Gartenarbeiten auf dem Grundstück der Ehefrau des Klägers stellte eine sonstige Leistung der in § 3 Abs. 9 UStG 1980 bezeichneten Art dar. Sie förderte keine Unternehmertätigkeit des Organkreises, so daß mit der Arbeitnehmerüberlassung Zwecke außerhalb des Unternehmens verfolgt wurden.

Die Überlassung erfolgte ferner im Rahmen des Unternehmens des Klägers. Zum Unternehmen des Klägers zählt auch die Umsatztätigkeit der GmbH (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980) als Organgesellschaft. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 faßt sonstige Leistungen durch Verwendung eines dem Unternehmen dienenden Gegenstands und die Entnahme von sonstigen Leistungen jeweils für Zwecke außerhalb des Unternehmens zusammen (vgl. dazu Klenk, Umsatzsteuerkongreß-Bericht 1991/92, S. 183, 191 ff.). Die Vorschrift setzt die Vorgaben in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und b der 6. USt-Richtl. EWG um. Danach werden den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt:

a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;

b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.

Bei sonstigen Leistungen, die für Zwecke außerhalb des Unternehmens erbracht werden, setzt die Verwirklichung des Eigenverbrauchs voraus (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980, Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der 6. USt-Richtl. EWG), daß die Gegenstände bzw. die Arbeitskraft von Personen, mit deren Hilfe die Leistungen ausgeführt werden, zuvor vom Unternehmen umfaßt worden sind.

Jeder Unternehmer kann neben einem unternehmerischen einen nichtunternehmerischen Bereich haben (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176 - Sphärenurteil -), für den er Leistungen beziehen und dem er Leistungen entnehmen kann. Die Ausführung einer sonstigen Leistung im nichtunternehmerischen Bereich ist nicht steuerbar. Als Eigenverbrauch steuerbar ist die Bewirkung einer dem Unternehmen zuzurechnenden sonstigen (Ausgangs-) Leistung, wenn dies für Zwecke geschieht, die außerhalb des Unternehmens liegen.

Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer stehen dem Unternehmen des Arbeitgebers zu, soweit dies arbeitsvertraglich nach Art und Zeit der Leistungen und des dafür vom Unternehmen zu tragenden Arbeitslohnes vereinbart ist.

Führen Arbeitnehmer über diesen Rahmen hinaus (zusätzliche) Leistungen - ohne besondere Entgeltsberechnung - an den Arbeitgeber für dessen nichtunternehmerischen Bereich aus, wird der Unternehmensbereich davon nicht berührt. Werden solche Leistungen jedoch zu Lasten des dem Unternehmen geschuldeten Leistungsumfangs ausgeführt, liegt Eigenverbrauch i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 vor.

Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn Arbeitnehmer während der für sie im Unternehmen geltenden Arbeitszeit Arbeitsleistungen für den nichtunternehmerischen Bereich des Arbeitgebers ohne zusätzliche Entgeltsvereinbarung ausführen. Dies trifft im Streitfall zu.

Die GmbH als nachhaltig gegen Entgelt tätige Gesellschaft hat Arbeitnehmer nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) des FG als Betriebspersonal eingestellt. Die Arbeitnehmer sind somit den für Betriebsangehörige geltenden Regelungen unterworfen worden. Die Betriebsangehörigen der GmbH sind in den betrieblichen auf entgeltliche Leistungserbringung ausgerichteten Organismus der GmbH eingegliedert, den betrieblichen Weisungen unterworfen, dem betrieblichen Schutz unterstellt und mit betrieblichen Mitteln bezahlt worden. Die mündliche Vereinbarung, daß die Arbeitnehmer auch für Gartenarbeiten auf dem Grundstück der Ehefrau des Klägers eingesetzt werden können, konkretisiert lediglich die betriebliche Weisungsbefugnis. Sie vermag den dafür bestimmten Teil der Arbeitskraft nicht von vornherein aus dem Zusammenhang mit dem Unternehmen zu lösen, weil keine weiteren genauen Abreden über einen bestimmten Teil der Arbeitskraft, der der Gartenarbeit auf dem Grundstück der Ehefrau des Klägers dienen sollte, getroffen worden sind. Es ist nicht klar, wann, wielange, welche Arbeitnehmer im Garten der Ehefrau arbeiten sollten. Mündliche Abreden ohne nachvollziehbare Durchführung reichen insoweit grundsätzlich nicht aus. Außerdem ist keine sonstige klare Trennung der Arbeitsleistung der betroffenen Arbeitnehmer für die Gartenarbeit einerseits und die Arbeit im Betrieb andererseits erfolgt, z. B. durch Aufzeichnung der entsprechenden Lohnanteile.

2. Es besteht keine Veranlassung, eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) einzuholen. Zweifel daran, daß die dargelegte Rechtslage mit Bestimmungen der 6. USt-Richtl. unvereinbar sein könnte, bestehen nicht. Die für die Entscheidung des Streitfalls einschlägige Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der 6. USt-Richtl. ist eindeutig. Nach dem klaren Wortlaut besteht keine Voraussetzung des Inhalts, daß die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen den Dienstleistungen gegen Entgelt nur dann gleichgestellt werden, wenn eine Berechtigung zum Abzug von Mehrwertsteuer bestanden hat (vgl. dazu auch Klenk, a. a. O., S. 183, 194). Die Vorschrift besteuert aus Gründen der Steuergerechtigkeit und Steuerneutralität die durch das Unternehmen geschaffenen Leistungen, wenn sie für unternehmensfremde Zwecke abgegeben werden. Ebenso wie die entgeltliche Leistung eines selbständigen Gärtners steuerbar ist, sollen gärtnerische Leistungen eines im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmers, die der Unternehmer unentgeltlich für unternehmensfremde Zwecke abgibt, zur Umsatzsteuer herangezogen werden (vgl. auch Schettler, Umsatzsteuer-Kongreß-Bericht 1991/92, S. 161 - 168, 169 -). Die Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 27. Juni 1989 Rs. 50/88, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1989, 373 - Kühne gegen FA München III; vom 5. Dezember 1989 Rs. C-165/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform, 6. USt-RL (EWG), Art. 17, Rechtsspruch 5, UR 1991, 81, Erwägungen zu 19, 20) stellt den Zusammenhang zwischen Steuerbarkeit des Eigenverbrauchs und Vorsteuerabzug ausdrücklich nur für Fälle des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. USt-Richtl. EWG her, weil nur dies in der Bestimmung festgelegt ist.

3. Gegen den Ansatz der Kosten als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch durch Leistungsentnahme (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG) seitens des FG hat weder der Kläger Einwendungen erhoben noch sind sonst Bedenken ersichtlich.