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  BFH-Urteil vom 19.5.1993 (I R 124/91) BStBl. 1993 II S. 889

Die Einbringung von Mitunternehmeranteilen einschließlich des damit zusammenhängenden Sonderbetriebsvermögens (Grundstücke) gemäß § 20 UmwStG zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft ist kein Mißbrauch i. S. des § 42 AO 1977, der zur Aufdeckung der stillen Reserven in den Grundstücken führt, wenn die Kapitalgesellschaft alsbald aus der Mitunternehmerschaft gegen Abfindung wieder ausscheidet.

AO 1977 § 42; UmwStG 1977 § 20, § 25; EStG § 4 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Die beiden Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) waren Kommanditistinnen der X-KG, der sie Grundstücke zu betrieblichen Zwecken vermietet hatten. Die Grundstücke standen zu je einem Drittel im Miteigentum der Klägerinnen und ihres Bruders L. Komplementärin der X-KG war die L-Beteiligungs GmbH.

Am 4. Dezember 1981 brachten die Klägerinnen ihre Kommanditanteile an der X-KG und ihre Grundstücksanteile zum Buchwert und gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten (anläßlich einer Kapitalerhöhung) in die Y-GmbH ein, an der sie zu je 49 v. H. beteiligt waren. Der Bruder der Klägerinnen veräußerte seinen 1/3-Miteigentumsanteil an den Grundstücken am 14. Dezember 1981 an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus den Klägerinnen und einer weiteren Person als Treuhänder. Am 28. Dezember 1981 schied die Y-GmbH gegen Abfindung zum Buchwert wieder aus der X-KG aus, so daß letztlich der Bruder der Klägerinnen alleiniger Kommanditist der X-KG wurde. Die von den Klägerinnen übertragenen Grundstücksanteile verblieben bei der Y-GmbH.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wertete im Anschluß an eine Außenprüfung die Übertragung der Miteigentumsanteile der Klägerinnen an den Grundstücken als Entnahme von Sonderbetriebsvermögen und erließ für das Streitjahr (1981) einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 20 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) 1977 und § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).

Sie beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den geänderten Feststellungsbescheid vom 27. Mai 1986 und die Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß die Einkünfte der Klägerinnen um je 1.760.935 DM herabgesetzt werden.

Die Beteiligte zu 2 beantragt, dem Revisionsantrag der Klägerinnen stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheides entsprechend dem Antrag der Klägerinnen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken in Verbindung mit der Einbringung der Kommanditanteile der Klägerinnen an der X-KG in die Y-GmbH ist keine Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) der Grundstücksanteile.

a) Die Einbringung der Kommanditanteile (Mitunternehmer-Anteile) der Klägerinnen in die Y-GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (hier: im Wege der Kapitalerhöhung) ist ein tauschähnlicher Vorgang. Da die Kommanditanteile zulässigerweise zu Buchwerten eingebracht wurden, entsteht gemäß § 20 UmwStG kein Veräußerungsgewinn. Die in den Anteilen an der X-KG ruhenden stillen Reserven übertragen sich statt dessen auf das Betriebsvermögen der Y-GmbH und die den Klägerinnen für die Einbringung gewährten Gesellschaftsanteile. Auf die Aufdeckung der stillen Reserven wird verzichtet, da aufgrund der Übertragung die spätere Erfassung derselben gesichert bleibt (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1988 IV R 271/84, BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667). Deswegen ist die Verweildauer der eingebrachten Gesellschaftsanteile kein Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Regelung.

b) Die dargelegte Rechtsfolge des § 20 UmwStG gilt ebenso für die eingebrachten Grundstücksanteile, da sie im Sonderbetriebsvermögen der Klägerinnen als Mitunternehmerinnen der X-KG standen, auf die Y-GmbH zu Buchwerten übertragen und ebenfalls im Grundsatz durch die Gewährung von Gesellschaftsrechten abgegolten wurden (vgl. BFH in BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rdnr. 6829; Hübl in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 20 UmwStG Rdnr. 31; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., 1992, § 15 Anm. 101 b zur Einbringung von Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in eine Personengesellschaft).

Als Sonderbetriebsvermögen werden im Eigentum eines Mitunternehmers stehende Wirtschaftsgüter bezeichnet, wenn sie dazu geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb des gemeinsamen Unternehmens oder der Beteiligung des Steuerpflichtigen an diesem Unternehmen zu dienen (z. B. BFH-Urteil vom 28. April 1988 IV R 52/87, BFHE 153, 562, BStBl II 1988, 829). Die eingebrachten Grundstücksanteile waren Sonderbetriebsvermögen der Klägerinnen, da sie in deren Eigentum als Mitunternehmerinnen der X-KG standen und an diese zu betrieblichen Zwecken vermietet waren.

Die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen bringt es mit sich, daß die Wirtschaftsgüter das einkommensteuerrechtliche Schicksal der Mitunternehmeranteile als gewerbliches Betriebsvermögen teilen (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1991 VIII R 76/87, BFHE 164, 260, BStBl II 1991, 635) und sonach mit diesen zusammen gemäß § 20 UmwStG auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden können, auch wenn die Grundstücksanteile zivilrechtlich nicht im Gesamthandseigentum der Mitunternehmerschaft, sondern im Eigentum des Mitunternehmers stehen.

Die Übertragung der Grundstücksanteile auf die Y-GmbH führt im Streitfall zu keiner steuerschädlichen Änderung ihrer tatsächlichen Nutzung. Aufgrund der Rechtsfolge des § 571 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) blieben die Grundstücke weiterhin an die X-KG vermietet. Nach dieser Vorschrift tritt der Erwerber (hier: die Y-GmbH) an die Stelle des Vermieters, wenn das vermietete Grundstück nach der Überlassung an den Mieter vom Vermieter an einen Dritten veräußert wird.

2. Die Klägerinnen verwirklichten nicht deshalb den Tatbestand des § 42 AO 1977, weil sie ihre Kommanditanteile auf die Y-GmbH übertrugen und diese alsbald (und möglicherweise gemäß einem vor Übertragung gefaßten Plan) zugunsten einer nahestehenden Person aus der X-KG ausschied. Dem FG ist zwar zuzugeben, daß die Klägerinnen die Grundstücksanteile nicht steuerfrei entnehmen oder auf die Y-GmbH hätten übertragen können, wenn sie ihre Kommanditanteile ohne Zwischenschaltung der Y-GmbH aufgegeben hätten (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1975 IV R 115/73, BFHE 115, 495, BStBl II 1975, 580; in BFHE 153, 562, BStBl II 1988, 829, und vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512; Schmidt, a. a. O., § 15 Anm. 83). Indes liegt ein Gestaltungsmißbrauch i. S. des § 42 AO 1977 nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFHE 170, 299, BStBl II 1993, 700, und BFH-Beschluß vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426, m. w. N.).

Eine selbst kurzzeitige Einbringung von Gesellschaftsanteilen zu Buchwerten gemäß § 20 UmwStG in eine Kapitalgesellschaft kann keine Steuerumgehung in diesem Sinne bewirken. Eine solche Einbringung sichert - wie bereits oben dargelegt - die übertragenen stillen Reserven in doppelter Weise und verschafft den daran Beteiligten auch keinen Progressionsvorteil durch Übertragung von Wirtschaftsgütern auf nahestehende Personen.

Die ertragsteuerliche Erfassung der stillen Reserven der eingebrachten Grundstücksanteile bleibt zum einen bei der Y-GmbH sichergestellt, da bei dieser kraft Rechtsform alle Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind (§ 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977; § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -; § 6, §§ 38 ff. des Handelsgesetzbuches - HGB - a. F.). In einem solchen Fall entspricht es der Rechtsprechung des BFH, von einer Besteuerung der stillen Reserven abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nicht zugleich Mittel zur Steuerzahlung zufließen (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667). Vor allem aber sind die stillen Reserven der eingebrachten Grundstücksanteile (und der Mitunternehmeranteile) gemäß § 21 UmwStG in den von den Klägerinnen erworbenen Anteilen an der Y-GmbH steuerverhaftet. Diese Steuerverhaftung bleibt insbesondere hinsichtlich der eingebrachten Grundstücke bestehen, auch wenn die übernehmende GmbH sich der eingebrachten Mitunternehmeranteile wieder entäußert, wie dies im Streitfall geschah.

Der Gesetzgeber hat offenbar die Möglichkeit, daß die Einbringung nach § 20 UmwStG keinen dauerhaften Bestand hat, gesehen und bewußt nicht als Mißbrauch geregelt. Dies belegt zum einen die gleiche Wertigkeit, die die Regelung des § 20 UmwStG der Einbringung zum Teilwert, Buchwert oder einem Zwischenwert beimißt. Dafür spricht weiter, daß das UmwStG in § 25 eine Regelung zur Verhinderung von Mißbräuchen enthält, die dann eingreift, wenn das Unternehmen aufgrund der begünstigten Umwandlung nicht tatsächlich "eine andere Organisation oder Form" erhält (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Bundestages zu § 24 UmwStG 1969 in BTDrucks 5/4245). Hingegen bezieht sich § 25 UmwStG seinem Wortlaut nach nicht auf den vorliegenden Fall, daß Gesellschaftsanteile zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden und diese alsbald wieder aus dem Vermögen der Kapitalgesellschaft ausscheiden.

Der erkennende Senat sieht deshalb keinen Anlaß, die fehlenden gesetzlichen Verbleibensvoraussetzungen für die nach § 20 UmwStG zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebrachten Mitunternehmeranteile im Wege des § 42 AO 1977 zu ersetzen (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl II 1990, 474; vom 4. Dezember 1991 I R 163/90, BFHE 167, 25, und vom 8. April 1992 I R 128/88, BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761).

Dahinstehen kann, ob und inwieweit das Ausscheiden der Y-GmbH gegen Abfindung zu Buchwerten aus der X-KG, das möglicherweise den Klägerinnen als beherrschenden Gesellschafterinnen der Y-GmbH bei der Anwendung des § 42 AO 1977 als Teil ihres Planes zuzurechnen wäre, zu einem Wertverlust der GmbH führt. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob mit der Abfindung zu Buchwerten der tatsächliche Wert der Kommanditbeteiligung abgegolten wurde.

Eine Abfindung unter Wert würde zum einen den Wert der nach § 21 UmwStG steuerverstrickten Anteile an der Y-GmbH schmälern und zum anderen Vermögen derselben teilweise unentgeltlich einer nahestehenden Person, dem Bruder der Klägerinnen, übertragen. Der Schmälerung des Wertes der Kapitalanteile aufgrund Zusammenwirkens mit einer nahestehenden Person wäre indessen - ohne daß dies abschließend zu klären ist - erst bei der Anwendung des § 21 UmwStG zu begegnen, über die nicht bei der Gewinnfeststellung der eingebrachten Mitunternehmeranteile, sondern bei der Steuerfestsetzung der Anteilseigner zu entscheiden ist (vgl. zu letzterem BFH-Urteil vom 8. April 1992 I R 164/90, BFH/NV 1992, 778, unter 1. der Gründe). Bei einer teilweise unentgeltlichen Übertragung von Vermögen der Y-GmbH auf eine nahestehende Person kommt hingegen eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 in Betracht, über die im Streitfall nicht zu entscheiden ist. Die Besteuerung der stillen Reserven bliebe ebenfalls gesichert.