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  BFH-Urteil vom 8.2.1994 (VII R 88/92) BStBl. 1994 II S. 552

Zum Anspruch eines Steuerpflichtigen auf Benennung des Namens einer Person, die ihn gegenüber den Finanzbehörden einer Steuerstraftat bezichtigt hat.

GG Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1; AO 1977 § 30.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gewerbetreibender. Bei dem Finanzamt (FA) meldete sich am 18. November 1988 eine Person, die angab, der Kläger habe Warenbestände über die steuerlich zulässigen Grenzen hinaus abgeschrieben und besitze ein Schließfach bei der X-bank, in welchem sich Vermögenswerte befänden, die er dem steuerlichen Zugriff entzöge. Das FA sicherte der Informationsperson Vertraulichkeit wegen der Anzeige zu.

Bereits in der Zeit vom 17. November 1988 bis 5. Dezember 1988 hatte beim Kläger eine Betriebsprüfung stattgefunden, nach deren Feststellungen der Kläger die Warenbestände unzutreffend niedrig bewertet hatte. Im Wege der Schätzung wurden die Warenbestände für die Jahre 1984 bis 1986 um jeweils X DM einvernehmlich erhöht.

Das FA beantragte im Januar 1989 beim Amtsgericht eine Durchsuchung der Geschäftsräume des Klägers und seines Prozeßbevollmächtigten, ferner eine Durchsuchung des Schließfaches bei der X-bank und die Beschlagnahme von Bankunterlagen auch bei weiteren Banken. Die Durchsuchungen und Beschlagnahmen ergaben keine Anhaltspunkte für ein steuerstrafrechtliches Fehlverhalten. Daraufhin wurde das Strafverfahren gegen den Kläger Mitte des Jahres 1989 eingestellt.

Nach Einstellung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens beantragte der Kläger, ihm den Namen der Informationsperson zu nennen. Das FA lehnte dies schriftlich ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde mit der Begründung zurückgewiesen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei nicht verletzt, da die Anzeige für die Aufnahme der Ermittlungen nicht bestimmend gewesen sei, sondern ein bereits zuvor durch die Staatsanwaltschaft eingeleitetes Steuerstrafverfahren. Gegenüber der vom Kläger erhobenen Klage wandte das FA im finanzgerichtlichen Verfahren ein, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei insbesondere deswegen nicht verletzt, weil die Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig erfolgt seien.

Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidung, dem Kläger Namen und Anschrift der Informationsperson zu nennen. Zur Begründung führte es aus:

Das FA sei im vorliegenden Fall zur Namensnennung verpflichtet. Zwar stehe die Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, dieses sei jedoch auf Null reduziert. Es stehe fest, daß die Fahndungsmaßnahmen gegen den Kläger auf die Angaben der Informationsperson zurückzuführen seien, denn diese habe sich dem FA schon am 18. November 1988 offenbart, bevor die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen den Kläger eingeleitet und sodann die Sache an das FA abgegeben habe. Da die Ermittlungen eingestellt worden seien, ergebe sich die Offenbarungspflicht des FA aus dem Gebot, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu schützen. Der Anspruch des Steuerbürgers auf Schutz seiner Persönlichkeit, wie er in Art. 1, Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) niedergelegt sei, gebe einem durch Fahndungsmaßnahmen aufgrund anonymer Anzeigen Betroffenen die Möglichkeit, sich gegen "Denunziationen" dieser Art zu wehren. Die Ermessensreduzierung auf Null folge daraus, daß das Persönlichkeitsrecht des Klägers nur durch die Offenbarung des Namens der Informationsperson gewahrt werden könne.

Mit der Revision macht das FA geltend, nicht zur Offenbarung des Namens der Informationsperson verpflichtet zu sein. Die Abgabenordnung (AO 1977) enthalte keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Auskunftserteilung bestehe. Der Kläger habe lediglich einen Anspruch darauf, daß über seinen Antrag im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung entschieden werde. Bei der Ausübung dieses Ermessens sei das FA zur Beachtung des § 30 AO 1977 verpflichtet. Im vorliegenden Fall hindere diese Vorschrift das FA daran, in eine Ermessensprüfung einzutreten. Die Abs. 4 und 5 des § 30 AO 1977 ließen eine Bekanntgabe des Namens der Informationsperson nicht zu. Eine Offenbarung nach § 30 Abs. 5 AO 1977 komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift voraussetze, daß vorsätzlich falsche Angaben gemacht worden seien. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Kläger und das Gericht müßten sich insoweit auf die Beurteilung durch das FA verlassen. Eine Offenbarung komme auch nicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 b AO 1977 in Betracht, da die in dieser Vorschrift vorausgesetzte Straftat nicht vorliege. Selbst wenn aber eine Offenbarung nach § 30 AO 1977 zulässig sein sollte, seien die Finanzbehörden dazu nur befugt, nicht aber verpflichtet. Eine Verpflichtung könne sich zwar aus dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des von einer Anzeige Betroffenen ergeben. Im vorliegenden Fall sei dieses Recht aber nicht verletzt, da die von den Ermittlungsbehörden durchgeführten Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien.

Das FA beantragt, die Klage des Klägers unter Aufhebung des Urteils des FG abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision ist zulässig. Die Prüfung des Rechtswegs zu den FG hat der erkennende Senat nicht vorzunehmen. Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 17 a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl I 1990, 2809, 2816) prüft der Bundesfinanzhof (BFH) nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zu ihm zulässig ist, wenn er über ein Rechtsmittel entscheidet, das sich gegen eine finanzgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache richtet (zur Neuregelung des § 17 a GVG vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Anhang zu § 33 Rz. 26; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 52. Aufl., § 17 a GVG Rz. 15; Zöller/Gummer, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 17 a GVG Rz. 18). Die Vorschrift findet im Streitfall Anwendung, da das Urteil des FG das Hauptsacheverfahren über die Verpflichtung des FA zur Namensnennung betraf und im Juni 1992, also nach dem 1. Januar 1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift, verkündet wurde (Art. 21 Satz 2, Art. 23 des Gesetzes vom 17. Dezember 1990, BGBl I 1990, 2809, 2821).

2. Die Revision des FA ist nur zum Teil begründet. Zwar ist das finanzgerichtliche Urteil insoweit aufzuheben, als es das FA verpflichtet, dem Kläger den Namen und die Anschrift der Informationsperson zu nennen. Das FG hat jedoch die angefochtene Verwaltungsentscheidung zu Recht aufgehoben. Das hat zur Folge, daß das FA den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden hat (§ 101 Satz 2 FGO).

a) Das FG hat zutreffend erkannt, daß das FA nur verpflichtet war, im Wege pflichtgemäßen Ermessens über den Antrag des Klägers auf Nennung des Namens der Informationsperson zu entscheiden.

aa) Die AO 1977 enthält keine Regelung, die dem Kläger einen Anspruch auf Namensnennung eines Anzeigeerstatters gibt. Der Auskunftsanspruch gemäß § 89 Satz 2 AO 1977 bezieht sich nur auf Rechte und Pflichten im Verfahren. Verfahrensrechtsungewandte Rechtssuchende sollen die gleiche Möglichkeit haben, ihr Recht durchzusetzen, wie im Verfahrensrecht Erfahrene (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 89 AO 1977 Tz. 4). Das Begehren des Klägers geht jedoch über eine Verfahrensauskunft hinaus. Im übrigen kann die Vorschrift im Streitfall auch deswegen nicht zur Anwendung kommen, weil das gegen den Kläger eingeleitete Verfahren zum Zeitpunkt seines Auskunftsbegehrens bereits eingestellt war. Der Auskunftsanspruch bezieht sich nur auf laufende Verwaltungsverfahren.

Ein Anspruch auf Bekanntgabe des Namens der Informationsperson ergibt sich für den Kläger auch nicht aus datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Unabhängig davon, ob im Streitfall das Datenschutzgesetz des Bundes oder das des Landes Niedersachsen Anwendung findet und ob diesen Gesetzen ein Auskunftsanspruch zu entnehmen sein könnte, geht beiden der Schutz des in § 30 AO 1977 geregelten Steuergeheimnisses als gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift vor (vgl. § 1 Abs. 4 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990, BGBl I 1990, 2955). Mit den Regelungen über das Steuergeheimnis hat der Gesetzgeber für das Steuerrecht bereits vor Erlaß datenschutzrechtlicher Normen organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen, die der Schutzrichtung der späteren Datenschutzgesetze entsprechen. In seinem Urteil zum Volkszählungsgesetz 1983 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausdrücklich anerkannt, daß die gesetzlich geregelten Geheimhaltungsvorschriften wie u. a. das in § 30 AO 1977 geregelte Steuergeheimnis in die verfassungsrechtlich gebotene Schutzrichtung weisen (Urteil vom 15. Dezember 1983 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1, 45). Insoweit ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, daß die Datenschutzbestimmungen die Geltung des Steuergeheimnisses unberührt lassen.

bb) Der Kläger hat aber einen Anspruch darauf, daß über seinen Antrag auf Namensnennung im Wege pflichtgemäßen Ermessens entschieden wird (Urteil des Senats vom 7. Mai 1985 VII R 25/82, BFHE 143, 503, 505, BStBl II 1985, 571). Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln und zu entscheiden, hat das Gericht zu prüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird (§ 102 FGO). Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung kommt es grundsätzlich auf die Beschwerdeentscheidung an, da die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (ständige Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Gräber/von Groll, a. a. O., § 102 Rdnr. 13).

b) Im Streitfall hat das FG zu Unrecht angenommen, daß das Ermessen des FA auf Null reduziert sei und deshalb die Nennung des Namens und der Anschrift der Informationsperson an den Kläger die einzig richtige Möglichkeit der Ermessensausübung darstelle. Das Urteil des FG war insoweit also aufzuheben. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz erfordert die richtige Ermessensausübung des FA eine Abwägung des in § 30 AO 1977 geregelten Steuergeheimnisses, das auch zugunsten einer Informationsperson besteht, mit dem grundrechtlich durch Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers, die im Streitfall nicht in der gebotenen Weise erfolgt ist.

aa) Nach § 30 Abs. 1 AO 1977 haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren.

Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, gehören die Namen von Informationspersonen wie Anzeigeerstatter oder Gewährsleute zu dem Kreis der durch das Steuergeheimnis gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 geschützten "Verhältnisse eines anderen". Der Wortlaut der Vorschrift nennt als schützenswert nicht mehr nur - wie in § 22 Abs. 2 Nr. 1 der bis Ende 1976 (vgl. § 415 Abs. 1 AO 1977) geltenden Reichsabgabenordnung - die "Verhältnisse eines Steuerpflichtigen". Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der AO 1977 den Anwendungsbereich des Steuergeheimnisses bewußt ausgedehnt. Zum geschützten Personenkreis sollen nach der Begründung des Gesetzentwurfs nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch andere Personen gehören, deren Verhältnisse einem Amtsträger in einem steuerlichen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bekanntgeworden sind (BTDrucks VI/1982, S. 100, übernommen in den Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 7/4292 zu § 30 AO 1977, S. 17). Ob diese Personen in einem derartigen Verfahren auskunftspflichtig sind oder ihre Angaben ohne rechtliche Verpflichtung abgegeben haben, ist für die Zuordnung zum geschützten Personenkreis unerheblich.

Soweit in der Rechtsprechung und Literatur insoweit eine einschränkende Anwendung des Steuergeheimnisses vertreten wird, ist dem nicht zu folgen (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 6. Juni 1985 Zs 1048/84 - 4 Ws 50/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 1971; Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 30 AO 1977 Rdnr. 94; Eilers, Schutz des Steuergeheimnisses zugunsten von Informanten der Finanzverwaltung?, Der Betrieb - DB - 1986, 19).

Die Einschränkung wird damit begründet, daß das Steuergeheimnis das Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten des Steuerrechts sei und daher nur auf Steuerpflichtige und sonstige auskunftspflichtige Personen bezogen sein könne. Zu den Zwecken des Steuergeheimnisses zähle nicht, daß der Staat durch den Schutz des "Denunziantentums" seine Steuereinnahmen vermehren wolle (so Kammergericht in NJW 1985, 1971). Zutreffend ist, daß mit dem Steuergeheimnis der Zweck verfolgt wird, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steuerlich relevanten Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen (BVerfG-Urteil vom 17. Juli 1984 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, 140). Dies schließt aber nicht aus, daß die Geheimhaltung sich auch auf Personen erstreckt, die den Finanzbehörden Informationsquellen zur Verfügung stellen. Vielmehr spricht gerade das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung dafür, das Steuergeheimnis auch für Informanten gelten zu lassen. Die Finanzbehörden erhalten häufig nur durch Hinweise von Privatpersonen Kenntnisse über steuerlich relevante Sachverhalte anderer Personen. Falls die Informationspersonen Gefahr liefen, daß ihre Namen, die Tatsache der Information durch sie und der Inhalt ihrer Mitteilung grundsätzlich weitergegeben würden, ließe die Bereitschaft zur Informationserteilung höchstwahrscheinlich erheblich nach.

Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß auch die Informanten einen Anspruch auf den Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben, und das Steuergeheimnis zu ihren Gunsten insofern Ausfluß dieses durch Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechts ist. Im übrigen zeigen die §§ 3 und 40 AO 1977, daß es im Steuerrecht nicht auf die allgemeine Moral betreffende Betrachtungen ankommt. Ob ein Informant aus Gerechtigkeitsgefühl, Neid, Eifersucht oder anderen persönlichen Motiven gehandelt hat, ist für die Verwertung steuerlich relevanter Mitteilungen unerheblich (Tipke/Kruse, a. a. O., § 30 AO 1977 Tz. 8; Koch in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 30 Rdnr. 31; Hetzer, Denunziantenschutz durch Steuergeheimnis?, NJW 1985, 2991; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 30 AO 1977 Anm. 5).

bb) Sofern die von einem Informanten erlangte Information jedoch zur Durchführung eines Strafverfahrens offenbart werden soll, sehen der Abs. 4 Nr. 4 und der Abs. 5 des § 30 AO 1977 unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Durchbrechung des Geheimnisschutzes vor. Die Finanzbehörden haben in einem solchen Fall das Recht, die nach § 30 Abs. 2 AO 1977 erlangten Kenntnisse zu offenbaren. Die Offenbarungsbefugnis könnte sich zu einer Verpflichtung verdichten, wenn durch die Handlung der Informationsperson das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von der Anzeige Betroffenen verletzt wird (BFHE 143, 503, 506).

Voraussetzung für eine Offenbarung nach § 30 Abs. 5 AO 1977 ist, daß der durch das Steuergeheimnis Geschützte vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Allerdings läßt die Vorschrift eine Offenbarung ausdrücklich nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu.

Eine Offenbarung des Namens der Informationsperson kann nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO 1977 auch zulässig sein, soweit sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat dient. Im Streitfall kommen als solche die Tatbestände der falschen Verdächtigung (§ 164 des Strafgesetzbuches - StGB -) und der Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) in Betracht. Weitere Voraussetzung ist, daß die Finanzbehörde die Kenntnisse ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erlangt hat (§ 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO 1977). Das ist dann gegeben, wenn, wie im Streitfall, eine Auskunftsperson zuvor nicht von der Finanzbehörde zur Erteilung einer Auskunft aufgefordert worden ist (vgl. Koch in Koch/Scholtz, a. a. O., § 30 Rdnr. 24).

Wenn auch die Beachtung des Steuergeheimnisses die Ablehnung eines Antrags auf Nennung einer Informationsperson regelmäßig nicht fehlerhaft macht, kann der Einfluß des grundrechtlich verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Angezeigten in Ausnahmefällen doch zu einer anderen Beurteilung führen (BFHE 143, 503, 506). Jeder Bürger muß grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich gegen ungerechtfertigte Angriffe auf seine Ehre zur Wehr zu setzen. Wer zu Unrecht strafrechtlichen Ermittlungstätigkeiten ausgesetzt wird, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, den Informationsgeber zu erfahren. Unter dem Blickwinkel der Offenbarungsbefugnisse des § 30 Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 5 AO 1977 wird dieses regelmäßig darin bestehen, gegen den Anzeigenden ein Strafverfahren anzustrengen. Insoweit zielen die erlaubten Durchbrechungen des Steuergeheimnisses bereits auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen ab. Angesichts des hohen Ranges, den das Persönlichkeitsrecht nach der Verfassung einnimmt, müssen die Offenbarungsbefugnisse im Lichte dieser grundrechtlichen Verbürgung gesehen und angewendet werden. In außergewöhnlichen Fallgestaltungen, in denen das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt worden ist, kann es denkbar sein, daß die Offenbarung einer Informationsperson im Rahmen der Befugnisse des § 30 Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 5 AO 1977 nicht nur zulässig, sondern sogar geboten ist, weil nur so ein effektiver Grundrechtsschutz möglich wird.

c) Im Streitfall hat die Finanzbehörde den Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht erfüllt. Diese setzt voraus, daß die Finanzbehörden ihre Ermessensentscheidung auf Grund einer einwandfreien und erschöpfenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts getroffen und alle für die Ermessensausübung nach dem Zweck der Ermächtigungsnorm wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art spätestens zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt haben (Gräber/von Groll, a. a. O., § 102 Rdnr. 15 m. w. N.). Hieran fehlt es im Streitfall. In der Beschwerdeentscheidung wird davon ausgegangen, daß die Anzeige für die Ermittlungen gegen den Kläger nicht bestimmend gewesen und daher eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht denkbar sei. Das FG hat jedoch - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, daß die Fahndungsmaßnahmen zumindest auch auf die Angaben der Informationsperson zurückzuführen waren. Die Finanzbehörde ist danach also bei ihrer Ermessensausübung von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen. Schon dieser Ermessensfehler führt dazu, daß die angefochtene Ermessensentscheidung aufzuheben ist und die Behörde eine erneute Ermessensentscheidung unter Beachtung der festgestellten Tatsachen zu treffen hat.

Die Finanzbehörde hat allerdings in ihrer Klageerwiderung nicht mehr auf die angeblich mangelnde Ursächlichkeit der Anzeige für die Fahndungsmaßnahmen, sondern darauf abgestellt, daß die Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig erfolgt seien. Ob ein Nachschieben von Gründen im Prozeß bei Ermessensentscheidungen möglich ist (dagegen Gräber/von Groll, a. a. O., § 102 Rdnr. 15), kann dahinstehen. Wie bereits in einer früheren Entscheidung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1987 VII R 138/84, BFHE 152, 289, BStBl II 1988, 364) besteht auch im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit, diese Frage zu entscheiden. Das Vorbringen des FA im Klageverfahren rechtfertigt es nicht, die getroffene Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei anzusehen.

Das FA führt in den Erwägungen, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt ist, das Argument an, es sei schon dann nicht von einer Verletzung dieses Rechts auszugehen, wenn die von der Behörde getroffenen Maßnahmen als rechtmäßig anzusehen seien. Diese Schlußfolgerung ist jedoch nicht zwingend. Es ist auch denkbar, daß die Fahndungsmaßnahmen zwar rechtmäßig sind, der Betroffene aber durch die Anzeige in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird. So können auch bei zum Teil wahrheitswidrigen Angaben eines Anzeigeerstatters Verdachtsmomente gegen den Angezeigten vorliegen, die die Finanzbehörden zu Ermittlungstätigkeiten berechtigen, welche für sich gesehen rechtmäßig sein können. Umgekehrt sind selbst bei zutreffenden Angaben rechtsfehlerhafte Ermittlungstätigkeiten der Fahndungsbehörden denkbar. Die Rechtmäßigkeit der Ermittlungen ist also kein Indikator für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines von einer Anzeige Betroffenen.

d) Das FA wird bei der nochmaligen Entscheidung über das Begehren des Klägers auf Namensnennung der Informationsperson die oben dargelegte Rechtslage zu berücksichtigen haben. Insbesondere können bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse an der Wahrung des Steuergeheimnisses und dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers die folgenden Kriterien von Bedeutung sein:

Die Offenbarungsbefugnis des § 30 Abs. 5 AO 1977, die nach dieser Vorschrift gegenüber den Strafverfolgungsbehörden besteht, setzt voraus, daß vorsätzlich falsche Angaben gemacht worden sind. Im Rahmen der Ermessensausübung müssen die Umstände deutlich werden, die die Behörde das Vorliegen dieser Voraussetzung annehmen oder ablehnen lassen. Dabei wird das FA zu berücksichtigen haben, daß der Tatbestand sowohl subjektive als auch objektive Merkmale enthält. Selbst wenn Angaben objektiv falsch sein sollten, so kann doch subjektiv das Element des Vorsatzes fehlen. Dafür müssen aber Anhaltspunkte vorliegen und mitgeteilt werden. Insbesondere für eine finanzgerichtliche Überprüfung der Ermessenserwägungen ist erforderlich, daß die Finanzbehörden sich eingehend mit den tatbestandlichen Voraussetzungen auseinandersetzen.

Die Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO 1977 setzt nicht wie die Regelung in Abs. 5 der Vorschrift voraus, daß vorsätzlich falsche Angaben gemacht worden sind. Es reicht aus, daß die Offenbarung der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat dient. Dabei kann allerdings von Bedeutung sein, ob die Angaben eines Anzeigeerstatters zutreffend waren oder nicht. So ist ein Strafverfahren z. B. wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) bereits dann möglich, wenn eine behauptete Tatsache nicht erweislich wahr ist. Insbesondere kann auch der Grund für die Beendigung des Ermittlungsverfahrens für die Richtigkeit einer Angabe bedeutsam sein. Dabei muß jedoch beachtet werden, daß die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Differenziertheit der Straftatbestände und der strafprozessualen Möglichkeiten nicht unbedingt die Unrichtigkeit der Angaben belegt.

Bei den Ermessenserwägungen kann die Finanzbehörde ferner berücksichtigen, ob sich bei einer Vielzahl von Angaben zumindest einige als steuerrechtlich bedeutsam erweisen. Allerdings dürfen diese im Verhältnis zu den anderen nicht völlig unmaßgeblich sein. Ob im Streitfall der Hinweis auf die unrichtige Bewertung der Warenbestände, der - wie das Ergebnis der Betriebsprüfung belegt - zutreffend war, diesen Anforderungen genügt, kann ohne nähere Kenntnis über die Umstände und den Umfang des Ermittlungsverfahrens nicht beurteilt werden. Daß sich die auf das Bankschließfach bezogenen Angaben nicht als zutreffend erwiesen haben, kann im Streitfall möglicherweise nur von begrenzter Bedeutung sein. Es könnte zu berücksichtigen sein, daß die Angaben der Informationsperson vom 18. November 1988 weitgehend denen entsprachen, die der Kläger selbst als Vorwurf seiner Konkurrentin über seine Anwälte etwa zur gleichen Zeit der Staatsanwaltschaft zukommen ließ. Es erscheint nicht sachwidrig, die Anforderungen, die an den Nachweis der Richtigkeit gemachter Angaben gestellt werden, danach unterschiedlich zu beurteilen, ob einem Betroffenen die Vorwürfe vor dem Beginn von Ermittlungen bereits bekannt waren oder nicht.