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  BFH-Urteil vom 14.7.1993 (X R 54/91) BStBl. 1994 II S. 19

Erwirbt jemand Vermögen unter Vorbehalt des Nießbrauchs und sagt er aus diesem Anlaß dem Übergeber Versorgungsleistungen zu, sind die Aufwendungen hierfür bei verfassungskonformer Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG in der Regel nicht als dauernde Last abziehbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 25. März 1992 X R 100/91, BFHE 168, 243, BStBl II 1992, 803).

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 a, § 12 Nrn. 1 und 2, § 22 Nr. 1 Sätze 1 und 3, § 33 a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1991, 666)

Sachverhalt

Die Mutter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) hatte im Jahre 1981 eine Eigentumswohnung in dem Haus W-Straße 33 in N zum Kaufpreis von 475.900 DM erworben. Diese Wohnung übertrug sie der Klägerin mit Vertrag vom 16. Dezember 1988 zu Eigentum unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs; ferner übertrug die Mutter der Klägerin Hausrat. Da die Mutter keine ausreichende Altersversorgung hatte, verpflichtete sich die Klägerin im Übergabevertrag, dieser zur Bestreitung des Lebensunterhalts monatlich 500 DM zu zahlen. Die "nach § 323 ZPO abänderbare" Zahlungsverpflichtung sollte durch eine Reallast gesichert werden. Im Vertrag ist erwähnt, daß die Klägerin ihrer Mutter ein zinsloses Darlehen in Höhe von 150.000 DM gegeben habe. Weiterhin heißt es in dem Vertrag:

"XV.

Unter Berücksichtigung der bereits von der Erwerberin bisher erbrachten Leistungen und der in dieser Urkunde übernommenen Verpflichtungen hat die Erwerberin .... keine weiteren Gegenleistungen mehr zu erbringen. Sie hat insbesondere keine Zahlungen an ihre drei Geschwister zu leisten ....

(Schlußklausel)

Die Vertragsteile sind sich einig, daß in der Übertragung der Eigentumswohnung im Hinblick auf die Leistungen der Tochter und der vorbehaltenen Rechte eine unentgeltliche Zuwendung nicht vorliegt."

Die Klägerin hat eine Erklärung vorgelegt, in der ihre Mutter bestätigt, von ihrer Tochter ein zinsloses Darlehen über 150.000 DM in bar erhalten zu haben. Ausweislich einer privatschriftlichen Verzichtserklärung vom 15. November 1988 hat die Klägerin auf die Rückzahlung der ihrer Mutter gewährten Darlehen von 150.000 DM sowie weiterer 8.360 DM unter der Bedingung verzichtet, daß die Mutter ihr die Eigentumswohnung W-Straße 33 unter dem Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs überträgt.

Für das Streitjahr 1989 beantragte die Klägerin, die Sonderausgaben (dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) mit einem Freibetrag in Höhe von 6.000 DM auf der Lohnsteuerkarte zu berücksichtigen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ab mit der Begründung, die Zahlung an die Mutter sei Gegenleistung für das übertragene Vermögen (Abschn. 87 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -); die Vertragspartner hätten ausdrücklich keine vorweggenommene Erbfolge gewollt.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß der ablehnende Bescheid über die Lohnsteuerermäßigung 1989 rechtswidrig gewesen war. Sie hat im Klageverfahren vorgetragen: Der Verkehrswert der Wohnung betrage derzeit 320.000 DM. Nach Abzug des Wertes des Nießbrauchs (133.910 DM) verbleibe ein Restwert von 186.090 DM. Unter Berücksichtigung der Unverzinslichkeit der Darlehen habe sie ihrer Mutter Vermögensvorteile in Höhe von insgesamt 218.360 DM gewährt. Diese Leistungen überstiegen den Wert der empfangenen Leistung, so daß die monatlichen Zahlungen als Sonderausgaben abziehbar seien. Demgegenüber hat das FA geltend gemacht, im Übertragungsvertrag sei ein Verzicht auf die Rückzahlung eines Darlehens nicht vereinbart worden; daher fehle jedenfalls ein Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung. Der Darlehensvertrag sei nur zum Schein geschlossen worden. Die Klägerin habe nämlich 90.000 DM geschenkt erhalten. Weder liege ein schriftlicher Vertrag vor noch könnten Geldbewegungen festgestellt werden. Da der Übertragungsvorgang nach dem Willen der Vertragsparteien auch keine vorweggenommene Erbfolge darstelle, könne die als Gegenleistung übernommene Zahlungsverpflichtung im Streitjahr nicht steuermindernd berücksichtigt werden, weil sie den Wert des übernommenen Vermögens nicht übersteige.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 666.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt u. a. vor: Die Erwähnung von Gegenleistungen im Übergabevertrag habe dazu gedient, Ausgleichsansprüche der Geschwister abzuwehren. Sie habe ihrer Mutter niemals Darlehen gewährt. Die Mutter habe nach einer schweren Erkrankung sicherstellen wollen, daß sie, die Klägerin, tatsächlich das gesamte Vermögen erhalte.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Zu Unrecht hat das FG auf die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage entschieden, daß die Versorgungsleistungen an die Mutter als dauernde Last abziehbar seien. Seine Auffassung, entgegen der Schlußklausel des notariellen Vertrages sei die Eigentumswohnung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und damit unentgeltlich übertragen worden, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Die steuerrechtliche Anerkennung eines Vermögensübergabevertrages setzt voraus, daß die Vertragsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart haben. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.; vom 20. Mai 1992 X R 207/87, BFH/NV 1992, 805; vom 15. Juli 1992 X R 165/90, BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BFH). Der rechtliche Mindestbestand der den Vertragstypus prägenden Rechtsfolgen muß klar vereinbart sein. Die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden (Urteil in BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020).

b) Das FG hat angenommen, die Parteien des Vertrages vom 16. Dezember 1988 hätten keine Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung erstrebt; die Vermögensübergabe sei im steuerrechtlichen Sinne unentgeltlich gewesen, so daß keine Verrechnung mit dem Wert der Gegenleistung erforderlich sei. Der für die steuerliche Beurteilung maßgebliche Inhalt des Vertrages "trage die Bestimmung der Schlußklausel nicht", daß die Eigentumswohnung nicht unentgeltlich übertragen worden sei. Das im notariellen Vertrag erwähnte Darlehen über 150.000 DM sei kein Darlehen i. S. des § 607 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Zum Teil handele es sich um eigenes Geld der Mutter; hinsichtlich eines Teilbetrages von 60.000 DM sei bei Hingabe des Geldes keine Verpflichtung zur Rückzahlung vereinbart worden. Die Vermögensübergabe habe der vorweggenommenen Erbfolge gedient.

Diese Erwägungen des FG sind rechtsfehlerhaft. Das FG hat nicht dargelegt, auf welcher Grundlage es diese Feststellungen insbesondere zu den subjektiven Vorstellungen der Vertragsbeteiligten sowie zum Inhalt und zur Durchführung der Darlehensverträge getroffen hat. Es ist ohne nähere Darlegung davon ausgegangen, daß die Erklärungen über die Hingabe des Darlehens, über den Verzicht auf den Rückzahlungsanspruch und zur Entgeltlichkeit lediglich zum Schein abgegeben worden sind. Zwar ist es denkbar, daß es sich so verhalten hat; die entsprechenden Feststellungen des FG hätten indes weitergehender Ermittlungen zum Sachverhalt und Angaben darüber bedurft, welche Gründe für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 96 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dieser materiell-rechtliche Fehler des angefochtenen Urteils, der in der Revisionsinstanz auch ohne diesbezügliche Rüge von Amts wegen zu beachten ist, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

2. Die Sache ist spruchreif. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Klagebegehren bereits daran scheitert, daß das von den Vertragsparteien wirklich Gewollte nicht klar und eindeutig vereinbart worden ist. Jedenfalls sind zugunsten der Klägerin weder Werbungskosten (einschließlich Absetzung für Abnutzung - AfA -) noch eine dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG) zu berücksichtigen.

a) Da die Klägerin aus der Wohnung W-Straße 33 keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, kann sie auch keine Aufwendungen (AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG und andere Werbungskosten) abziehen.

b) Die Klägerin kann keine dauernde Last abziehen, weil die Übereignung der Eigentumswohnung unter Vorbehalt des Nießbrauchs keine Vermögensübergabe ist, wie sie in § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG vorausgesetzt wird. Dem Abzug der geltend gemachten Aufwendungen steht § 12 Nr. 2 EStG entgegen.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 1992 X R 100/91 (BFHE 168, 243, 246, BStBl II 1992, 803) ausgeführt: Dem steuerrechtlichen Typus des Vermögensübergabevertrages können solche Vereinbarungen nicht mehr zugeordnet werden, bei denen sich der Übergeber den gesamten Ertrag des Vermögens vorbehält und ihm ohnehin die Einkünfte aus der Nutzung dieses Vermögens - originär - zugerechnet werden. Es gibt keinen rechtlichen Grund dafür, die anläßlich des Vorbehalts eines solchen Nießbrauchs vereinbarten Leistungen des (neuen) Eigentümers an den Nießbraucher vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG auszunehmen. Die vom Großen Senat ausgesprochene Charakterisierung der Versorgungsleistungen "als vorbehaltene Vermögenserträge" ist in dem Sinne zu verstehen, daß durch den Abzug der Sonderausgabe beim Verpflichteten und durch die Erfassung der Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen beim Berechtigten das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Prinzip der "vorbehaltenen Vermögenserträge" rechtstechnisch verwirklicht wird. Das den Ausschluß der §§ 12, 22 Nr. 1 Satz 2 EStG rechtfertigende Prinzip hat Geltung nur für das Rechtsinstitut "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen".

Nach diesen Grundsätzen ist der von der Klägerin begehrte Abzug von Sonderausgaben ausgeschlossen.

3. An dieser Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG, die maßgebend darauf abstellt, ob ein Rechtsvorgang dem steuerrechtlichen Typus der Hof- und Geschäftsübergabe und der hieraus entwickelten und hiermit vergleichbaren sonstigen Vermögensübergabe zugeordnet werden kann, hält der Senat mit folgender Erläuterung fest:

a) Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 7 EStG sind generell (und seit der Neufassung des § 12 EStG im Jahre 1974 ausdrücklich) von dem für Privatausgaben geltenden Abzugsverbot ausgenommen. Ein solcher ausdrücklicher Vorbehalt gilt nicht für Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Hieraus war ein Vorrang des § 12 EStG in dem Sinne hergeleitet worden, daß dauernde Lasten nur abgezogen werden können, soweit keine "Zuwendungen" i. S. des § 12 EStG vorliegen; die abziehbare private Versorgungsrente und die nach § 12 Nrn. 1 und 2 EStG nichtabziehbare Unterhaltsrente wurden durch Auslegung des Begriffs "Zuwendung" voneinander abgegrenzt (vgl. statt vieler Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 12 Rdnrn. C 1 ff., 17). Dieser Versuch, die private Versorgungsrente aus dem Anwendungsbereich des § 12 EStG auszunehmen, führte zu dem Widerspruch, daß einerseits die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unentgeltlich sein sollte; andererseits sah man in der Versorgungsrente deswegen keine "Zuwendung", weil ihr eine "Gegenleistung" gegenüberstehe (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 25. April 1990 X R 38/86, BFHE 160, 33, 48, BStBl II 1990, 625). Auf die Vorlage des IX. Senats des BFH, der die Versorgungsrente als Anschaffungskosten behandelt wissen wollte, hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 329, BStBl II 1990, 847) im Ergebnis an der überkommenen Rechtsprechung festgehalten, die Nichtanwendung des § 12 EStG aber auf eine neue Begründung gestellt: "Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i. S. von § 12 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i. S. von § 12 Nr. 2 EStG."

Diese rechtliche Aussage hat der Große Senat in seinem Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, 238, BStBl II 1992, 78) wiederholt. Er hat ausgeführt, die "anläßlich der Übergabe von Vermögen vereinbarten Versorgungsleistungen" seien "Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren Last", und ausdrücklich bemerkt, die hierfür nach bisheriger Rechtsprechung vorausgesetzte ausdrückliche Vereinbarung der Abänderbarkeit werde "im Normalfall" durch eine Bezugnahme auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erfüllt und dadurch die Rechtslage hergestellt, die dem Regelungswillen des Steuerneuordnungsgesetzes (StNOG) 1954 - grundsätzliche Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen - entspreche.

b) Auf der Grundlage des EStG i. d. F. des StNOG 1954 hat sich die Unterscheidung entwickelt zwischen wiederkehrenden Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung, bei denen eine Verrechnung mit dem Wert der Gegenleistung vorzunehmen war, und anderen wiederkehrenden Leistungen. Der Große Senat (BFHE 165, 225, 234, BStBl II 1992, 78, unter I. C. 4. d) führt als Beispiel für die wiederkehrenden Leistungen ohne Wertverrechnung - unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 16. September 1965 IV 67/61 S (BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706) - "landwirtschaftliche Altenteilsleistungen und ähnliche dauernde Lasten" an. Dieses Urteil des IV. Senats hatte die Wertverrechnung abgelehnt u. a. mit der Begründung, der Entstehungsgeschichte des StNOG 1954 sei zu entnehmen, daß "Altenteilsleistungen und sonstige bei Betriebsübergaben jeder Art vereinbarte Versorgungslasten in der Regel ganz oder teilweise abzugsfähig sein sollten".

c) Diese Begründung des Urteils in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 708 mag nicht zwingend gewesen sein (vgl. Reiß in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 16 Rdnrn. B 197 ff.; kritisch auch Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., 1992, § 22 Anm. 17 a). Das Grundsatzurteil in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706 hat aber die Rechtsentwicklung nachhaltig beeinflußt. Der Große Senat des BFH hat es in seinem Beschluß in BFHE 165, 225, 236, BStBl II 1992, 78 aus Gründen der Rechtskontinuität für notwendig gehalten, die hier einschlägigen Bestimmungen unter größtmöglicher Wahrung ihres tradierten und anerkannten Regelungsgehalts auszulegen. Dies bedeutet vor allem, daß das steuerrechtliche Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) zugeordnet bleibt.

d) Die Unterscheidung zwischen wiederkehrenden Leistungen mit und ohne Wertverrechnung wurde in der Rechtsprechung des BFH unabhängig davon kontinuierlich praktiziert, daß es eine trennscharfe Grenzziehung zwischen diesen beiden Bereichen nie gegeben hat. Für die steuerrechtliche Einordnung von Sachverhalten, zu denen sich - wie auch zum hier zu beurteilenden - der Große Senat nicht geäußert hat, kommt dem wertenden Vergleich mit den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen eine besondere Bedeutung zu. Rechtliche Aussagen sind möglich mittels Zuordnung zum steuerrechtlichen Typus der Hof- und Geschäftsübergabe einerseits und zu der nicht als eine solche Vermögensübergabe anerkannten Rückzahlung von Geldbeträgen in lebenslänglich wiederkehrenden (abänderbaren) Leistungen andererseits (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1963 VI 321/61 U, BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424; vom 13. August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709; fortgeführt im Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 136/88, BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609).

e) Die bisherige Rechtsprechung des BFH hatte sich nicht mit der Frage befaßt, ob die Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines Nießbrauchs als solche einer Hof- oder Geschäftsübergabe gleichgestellt werden kann. Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, daß in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe - insbesondere bei einem typischen Altenteilsvertrag - zusammen mit einem Inbegriff von Versorgungsleistungen ein dingliches Nutzungsrecht an einer vom Übergeber zu nutzenden Wohnung vorbehalten wird; zur Begründung wird Bezug genommen auf die Senatsurteile vom 25. März 1992 X R 196/87 (BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012) und in BFHE 168, 243, BStBl II 1992, 803.

4. Der erkennende Senat hält daran fest, daß die Übertragung eines Grundstücks unter (Total-)Nießbrauchsvorbehalt nicht dem Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unterstellt werden kann.

a) Der vom Großen Senat des BFH als maßgebend betonte Grund für den Ausschluß des § 12 EStG darf nicht durch eine beliebige Verwendung der Begriffe "Vermögensübergabe" und/oder "Versorgungsleistungen" überspielt und dadurch in seinem rechtlichen Gehalt entwertet werden. Der rechtliche Gesichtspunkt des "Vorbehalts von Vermögenserträgen" ist konstitutiv für das steuerrechtliche Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.

b) Hiervon geht auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluß vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87 (Deutsches Steuerrecht - DStR - 1993, 315) aus. Für Zwecke einer Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) erörtert das BVerfG, es sei weder dem Gesetzgeber noch der Rechtsprechung bei der Auslegung der gesetzlichen Vorgaben verwehrt, bei Übergabeverträgen inhaltlich von zwei miteinander - allerdings ohne wirtschaftlich berechnete Gegenleistung - verknüpften Rechtsvorgängen auszugehen: von der Schenkung des die Erwerbsgrundlagen darstellenden Vermögens einerseits und des Anspruchs auf die Versorgungsleistungen andererseits. Auch sei es nicht sachwidrig, wenn die Rechtsprechung die Versorgungsleistungen als wiederkehrende Bezüge deute, "weil in diesen Fällen ein bedeutsamer Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit stattfindet; denn der Sache nach fordern die Eltern einen bestimmten Ertrag des bereits übergebenen Vermögens in regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen zurück". Bedenken dagegen, daß eine Verrechnung der Werte des übertragenen Vermögens und der Versorgungsleistungen nicht vorgenommen werde, seien letztlich nicht durchgreifend: Zu einer solchen Verrechnung sei die Rechtsprechung nicht verpflichtet, "weil es typischerweise den Beteiligten darauf ankommt, daß die Kinder nur aus dem Ertrag, den die übertragene Erwerbsgrundlage abwirft, die Versorgungsleistungen erbringen sollen. Es ist gerade nicht Kennzeichen der Übergabeverträge, daß das übertragene Vermögen als solches ggf. durch Verkauf dazu dienen soll, die vereinbarten Versorgungsleistungen abzudecken."

Der erkennende Senat hält es für geboten, die Grenzen des Rechtsinstituts der Vermögensübergabe gegen wiederkehrende Leistungen verfassungskonform zu bestimmen. Er versteht die Ausführungen des BVerfG dahin, daß mit der Zahlung von Versorgungsleistungen, die nicht mehr aus den Erträgen der übertragenen Erwerbsgrundlage bestritten werden können, kein verfassungsrechtlich unbedenklicher Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit stattfindet. Damit hat das BVerfG die sich aus dem Verfassungsrecht ergebenden Grenzen für die Auslegung des einfachen Rechts bestimmt. Eine hiervon abweichende Subsumtion würde nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, die das BVerfG für seine einfachrechtliche Ableitung gesetzt hat (vgl. - zur verfassungskonformen Auslegung - BVerfG-Beschluß vom 10. Juni 1975 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, 88, 94; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 12. Juni 1992 7 C 5 92, BVerwGE 90, 220, 226 f.).

c) Eine verfassungskonforme enge Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG mittels des Rechtsgedankens der "vorbehaltenen Vermögenserträge" ist auch notwendig, um den Anwendungsbereich des § 12 EStG nicht gleichheitswidrig einzuengen.

Eine steuermindernde Berücksichtigung von Privataufwendungen ist in Abweichung vom Grundsatz des § 12 Nrn. 1 und 2 EStG nur zulässig, wenn das EStG dies - ausnahmsweise - vorsieht, und zwar insbesondere bei den Sonderausgaben und bei den außergewöhnlichen Belastungen. Die Belastung von Eltern mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern wird durch die Kinderfreibeträge (§ 32 EStG) sowie durch das Kindergeld und durch vergleichbare Leistungen abgegolten. Den Abzug von (typischen; s. Arndt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 33 a Rdnrn. B 52 ff.) Unterhaltsaufwendungen sieht der Gesetzgeber - unter bestimmten Voraussetzungen und der Höhe nach begrenzt - in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten - Realsplitting) und - u. a. für Leistungen von Kindern an ihre Eltern - in § 33 a Abs. 1 EStG (außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen) vor. Es wäre mit dem Verfassungsgebot der steuerrechtlichen Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren, wenn Unterhaltszahlungen von Kindern an ihre Eltern aus dem einzigen Grunde steuerlich abziehbar wären, daß die Eltern in der Lage waren, ihren Kindern Vermögen zu übertragen. Das BVerfG hat - im Zusammenhang mit der Finanzierung von politischen Parteien durch Spenden - ausgesprochen, es dürfe nicht zugelassen werden, daß eine faktische Ungleichheit zu einer Privilegierung finanziell leistungsfähiger Bürger führe. Ob diese den allgemeinen Gleichheitssatz konkretisierende Aussage die Steuergestaltungsmöglichkeiten unter Familienangehörigen von Verfassungs wegen generell einschränkt (so Arndt, Steuerliche Vierteljahresschrift - StVj - 1993, 2, 11), kann hier dahingestellt bleiben; sie ist jedenfalls bei der Begrenzung der abziehbaren Unterhaltsaufwendungen zu beachten. Das Willkürverbot ist demgegenüber nicht berührt, wenn der Gesetzgeber unter dem verfassungsrechtlich legitimierenden Gesichtspunkt des Vorbehalts von Vermögenserträgen einen "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit" (BVerfG, a. a. O.) zuläßt.

5. Nach Auffassung der Vorinstanz setzt die Charakterisierung der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge nur voraus, daß potentiell ertragbringendes Vermögen übertragen werde; es komme nicht darauf an, ob das Vermögen in der Hand des Übernehmers tatsächlich Erträge erbringe oder in seiner Substanz erhalten bleibe. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Entscheidend ist, ob ein Vertrag dem Typus der am Modell der Hof- und Geschäftsübergabe entwickelten steuerrechtlichen Vermögensübergabe entspricht. Hiernach kann beispielsweise der Übernehmer eines landwirtschaftlichen Hofes Altenteilsleistungen auch in den Jahren als dauernde Last abziehen, in denen er Verluste aus Landwirtschaft erwirtschaftet.

Zwar hat der XI. Senat des BFH mit Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 6/87 (BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526) unter Bezugnahme auf die Vorentscheidung dieses Revisionsverfahrens ausgeführt, es sei nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer privaten Versorgungsrente als dauernde Last, daß sie aus Erträgen des übertragenen Vermögens geleistet werden könne; es sei "lediglich auf die typischerweise gegebene Situation" abzustellen. Hiernach soll eine private Versorgungsrente und keine Unterhaltsrente vorliegen, wenn der Wert des übertragenen Vermögens zumindest die Hälfte des Kapitalwerts der Versorgungsleistungen ausmacht (Abschn. 123 Abs. 3 EStR).

Der erkennende Senat läßt dahingestellt, ob er sich dem anschließen könnte. Die Bemerkung des Großen Senats zur Vergleichsrechnung des Abschn. 123 Abs. 3 EStR setzt voraus, daß überhaupt eine Vermögensübergabe vorliegt. Dieser Vertrag ist nach Darlegung des Großen Senats u. a. charakterisiert worden durch das Zurückbehalten von Erträgen sowie dadurch, daß die Beteiligten "den übertragenen Betrieb der Familie erhalten wollen"; die besondere Art der Versorgungsleistungen muß die "Folgerung aus der Übergabe von Vermögen seitens der Eltern an die Kinder" sein. Diese den Typus begründenden Voraussetzungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn sich - wie hier - der Übergeber alle Erträge mittels Nießbrauchs vorbehält und zusätzliche Versorgungsleistungen typischerweise aus der Substanz des übertragenen Vermögens bestritten werden müssen.

6. Da das Urteil des FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich sein Urteil auch nicht im rechtlichen Ergebnis als zutreffend erweist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die spruchreife Klage ist abzuweisen.