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  BFH-Urteil vom 22.9.1993 (X R 60/91) BStBl. 1994 II S. 26

Bei der besonderen Veranlagung nach § 26 c EStG steht dem Steuerpflichtigen keine Steuerermäßigung nach § 34 f Abs. 2 EStG für die im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder der Ehefrau zu.

EStG § 34 f Abs. 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahre 1987 eine Eigentumswohnung, die er seit Dezember 1987 mit seiner Ehefrau und deren Kind aus erster Ehe zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Der Kläger und seine Ehefrau sind seit 3. Dezember 1987 miteinander verheiratet.

Für den Veranlagungszeitraum 1987 beantragten der Kläger und seine Ehefrau die besondere Veranlagung nach § 26c des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG). Der Kläger machte bei seiner Veranlagung einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG sowie eine Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG (sog. Baukindergeld) für das Kind seiner Ehefrau geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte das Baukindergeld nicht. Der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 war insoweit erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 26c EStG. Nach § 25 Abs. 1 EStG werde nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum bezogen habe. Bezogen sei das Einkommen, das sich aus der Summe der vom Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte (§ 2 Abs. 2 EStG) und der nach § 2 Abs. 3 bis 5 EStG vorzunehmenden Abzüge errechne. Besondere Veranlagung bedeute mithin, daß für jeden Ehegatten das zu versteuernde Einkommen grundsätzlich nach den für Unverheiratete geltenden Vorschriften zu ermitteln sei. Im Streitfall gehe es aber nicht um die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 5 EStG), sondern um eine Steuerermäßigung nach § 2 Abs. 6 EStG. Deshalb könne § 26 c Abs. 1 EStG nur im Rahmen der Einkünfteermittlung denjenigen Vorschriften vorgehen, die an das Merkmal des Verheiratetseins anknüpften. Daß § 26 c Abs. 1 Satz 2 EStG nur für § 12 Nr. 2 und § 33 c Abs. 2 EStG Ausnahmen zulasse, führe zu keinem anderen Ergebnis, da Steuerermäßigungen davon jedenfalls nicht betroffen seien. Zudem sollten durch diese Einschränkungen nur Zweifel bei der Anrechnung von Tarifvorschriften vermieden werden. Denn durch die besondere Veranlagung sollten Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung der Haushaltsfreibetrag und das Verwitwetensplitting erhalten bleiben. Dies führe aber, wenn § 12 Nr. 2 und § 33 c Abs. 2 EStG nicht anwendbar wären, im Verhältnis zu anderen Steuerpflichtigen, die weder Haushaltsfreibetrag noch Verwitwetensplitting geltend machen könnten, zu ungerechtfertigten Vorteilen. Allein diese solle § 26 c Abs. 1 Satz 2 EStG vermeiden. Eine andere Auslegung verstieße auch gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Baukindergeld sei nach § 34 f Abs. 2 EStG sowohl für eigene als auch für Stiefkinder zu gewähren. Die besondere Veranlagung sei kein sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund, zwischen eigenen Kindern und Stiefkindern zu unterscheiden. Folge man der Ansicht der Vorinstanz, könne ein Steuerpflichtiger - auch wenn er die besondere Veranlagung gewählt habe und ihm deshalb der Haushaltsfreibetrag oder das Verwitwetensplitting zustehe - für eigene Kinder Baukindergeld geltend machen, nicht aber für Stiefkinder. Da sich der Gesetzgeber in § 34 f Abs. 2 EStG für eine "gleichmäßige" Förderung entschieden habe, könne hiervon nicht bei Stiefkindern aus Gründen abgewichen werden, die bei eigenen Kindern keine Rolle spielten.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1987 die Einkommensteuer auf 6.043 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die Auffassung des FA bestätigt, daß für das Kind der Ehefrau des Klägers kein Baukindergeld zu gewähren sei.

1. Nach § 34 f Abs. 2 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer bei Steuerpflichtigen, die die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 bis 5 EStG in Anspruch nehmen - unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen - um 600 DM für jedes Kind des Steuerpflichtigen oder seines Ehegatten i. S. des § 32 Abs. 1 bis 5 EStG.

Stiefkinder sind keine Kinder des Steuerpflichtigen im einkommensteuerrechtlichen Sinn (vgl. § 32 Abs. 1 EStG). Das Kind der Ehefrau ist auch kein Pflegekind des Klägers, da hierfür Voraussetzung ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG), daß das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Im Streitfall lebt das Kind aber bei der leiblichen Mutter.

Eine Steuerermäßigung für das Kind der Ehefrau kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil der Kläger die besondere Veranlagung gewählt hat, die eine an die Ehe anknüpfende Steuerermäßigung ausschließt.

2. Nach § 26 c Abs. 1 Satz 1 EStG werden Ehegatten bei der besonderen Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung so behandelt, als ob sie unverheiratet wären. Das hat zur Folge, daß für die Ehegatten zwei gesonderte Veranlagungen durchzuführen sind, die sich nach den für Unverheiratete geltenden Vorschriften richten, soweit § 26 c EStG nichts anderes regelt.

Entgegen der Auffassung des Klägers gilt die Fiktion des Unverheiratetseins nicht nur für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 5 EStG); denn eine Veranlagung im Sinne des EStG ist das gesamte Verfahren, das zur Festsetzung der geschuldeten Einkommensteuer durch Steuerbescheid führt. Nach § 2 Abs. 6 EStG ergibt sich die festzusetzende Einkommensteuer aus der um die Steuerermäßigungen verminderten tariflichen Einkommensteuer. Es sind daher auch die tarifliche Einkommensteuer und die davon abzuziehenden Steuerermäßigungen nach den für Unverheiratete geltenden Vorschriften zu ermitteln.

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Fiktion des § 26 c Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich alle einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ausschließt, die an das Tatbestandsmerkmal Ehe anknüpfen. Von den in § 26 c EStG selbst geregelten Ausnahmen abgesehen, ist die Veranlagung so durchzuführen, als ob der Steuerpflichtige die Ehe nicht geschlossen hätte.

3. Eine andere Auslegung ist nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers ebenso wie nach dem Zweck des Gesetzes nicht geboten.

Die Möglichkeit der besonderen Veranlagung wurde geschaffen, um steuerliche Nachteile für Steuerpflichtige zu verhindern, die sich im Jahr der Eheschließung durch eine Ehegattenveranlagung nach § 26 a oder § 26 b EStG ergeben können. Heiraten Arbeitnehmer, die vor der Eheschließung Anspruch auf den Haushaltsfreibetrag (Lohnsteuerklasse II) oder als verwitwete Personen Anspruch auf Anwendung des Splittingverfahrens hatten, führt die Zusammenveranlagung oder die getrennte Veranlagung für das Heiratsjahr regelmäßig zu einer erheblichen Steuernachzahlung, wenn der Ehegatte ebenfalls steuerpflichtige Einkünfte hat. Die Nachzahlung beruht entweder darauf, daß der Haushaltsfreibetrag in den Fällen der Zusammenveranlagung oder der getrennten Veranlagung nicht gewährt wird, oder darauf, daß bei vorangegangener Besteuerung nach dem "Witwen-(Witwer-)Splitting" im Fall der Zusammenveranlagung der Einkommensteil des anderen Ehegatten regelmäßig einem höheren Steuersatz unterworfen wird (vgl. BTDrucks 10/2884, S. 100, 101). Das Ziel, diese als unbillig empfundenen Nachzahlungen zu verhindern, hat der Gesetzgeber dadurch verwirklicht, daß er den Ehegatten für das Jahr der Eheschließung das Recht einräumt, zwischen einer Besteuerung nach den Grundsätzen für Unverheiratete und für Verheiratete zu wählen. Entscheiden sich die Steuerpflichtigen für eine Besteuerung nach den Vorschriften für Unverheiratete, müssen sie auch die damit in Einzelbereichen verbundenen steuerlichen Nachteile in Kauf nehmen.

4. Diese Auslegung verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, daß die Wiedereinführung der besonderen Veranlagung nach § 26 c EStG verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten war (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. Januar 1981 VI R 214/77, BFHE 132, 293, BStBl II 1981, 316). Wenn der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen gleichwohl die Möglichkeit der besonderen Veranlagung einräumt, kann dies nicht verfassungswidrig sein. Dem Kläger steht es frei, die Zusammenveranlagung oder die getrennte Veranlagung zu wählen, um die Steuerermäßigung nach § 34 f Abs. 2 EStG zu erhalten.