| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 28.7.1993 (I R 35/92, I R 36/92) BStBl. 1994 II S. 46

1. Grundbesitz einer GmbH dient i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG 1984 dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters auch dann, wenn er zwar von Dritten genutzt wird, dies aber für den Gewerbebetrieb des Gesellschafters von Nutzen ist.

2. Wohnungen, die die GmbH an Arbeitnehmer ihres Gesellschafters vermietet, sind für dessen Gewerbebetrieb von Nutzen, wenn sie dem Betrieb die Gewinnung neuer Arbeitskräfte erleichtern oder die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb verstärken.

GewStG 1984 § 9 Nr. 1 Satz 5; BGB § 565 c.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1992, 550)

Sachverhalt

I.

Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer GmbH - waren in den Jahren 1986 und 1987 (Streitjahre) die S GmbH & Co. KG (künftig: KG) und die A GmbH (künftig: GmbH). Die Unternehmen der KG und GmbH waren Nachfolgeunternehmen der A AG (künftig: AG). Gesellschaftszweck der Klägerin war nach dem in den Streitjahren noch geltenden Gesellschaftsvertrag die Errichtung und Verwaltung von Wohnungen für Betriebsangehörige der AG.

In den Streitjahren waren von den der Klägerin gehörenden insgesamt 22 Wohnungen 18 an aktive oder ehemalige Arbeitnehmer der KG bzw. der GmbH und die restlichen 4 an andere Personen vermietet. Ein Teil der Mietverträge enthielt Klauseln gemäß § 565 c des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), nach denen die Klägerin berechtigt war, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Mieters mit der KG bzw. GmbH das Mietverhältnis zu kündigen. Am 15. Dezember 1987 verkaufte die Klägerin einen Teil ihres Grundbesitzes und erzielte dadurch einen außerordentlichen Ertrag von über 200.000 DM.

In den Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre beantragte die Klägerin die Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1984, die sog. erweiterte Kürzung. Nach ihren Berechnungen ergab sich aufgrund der erweiterten Kürzung in den Streitjahren ein Gewerbeertrag von jeweils 0 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) kürzte bei Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen nur gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG 1984.

Die Einsprüche der Klägerin waren erfolglos. Während des Klageverfahrens änderte das FA die angefochtenen Bescheide, ohne jedoch damit dem Antrag auf erweiterte Kürzung zu entsprechen. Die Klägerin leitete die Änderungsbescheide vom 16. Oktober 1990 in das Klageverfahren über. Auch die Klagen waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist teilweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 550 veröffentlicht.

Die Klägerin stützt ihre Revisionen auf Verletzung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG 1984.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revisionen sind unbegründet. Sie waren deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). FA und FG haben der Klägerin zu Recht die erweiterte Kürzung versagt.

1. Bei Unternehmen, die in den Streitjahren ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalteten und nutzten, tritt auf Antrag an Stelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG 1984 eine Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1984). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diente (§ 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG 1984).

a) Grundbesitz, zu dem insbesondere die Grundstücke gehören (s. § 19 Abs. 1 Nr. 1, §§ 68, 70 des Bewertungsgesetzes - BewG -), "dient" einem Unternehmen, wenn er von diesem genutzt wird, z. B. aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags (s. FG Hamburg, Urteil vom 5. September 1986 II 148/84, EFG 1987, 259). Der Begriff "dienen" hat jedoch auch die Bedeutung von "dienlich sein" und "von Nutzen sein" (s. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1986, "dienen"; Paul, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl., 1992, "dienen"). In diesem Sinne dient ein Grundstück einem Unternehmer z. B. auch dann, wenn es zwar von Dritten genutzt wird, dies aber für das Unternehmen von Nutzen ist.

b) Der erkennende Senat hat daher bereits im Urteil vom 18. Dezember 1974 I R 10/73 (BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268) die Ansicht vertreten, der Grundbesitz einer GmbH diene i. S. des § 9 Nr. 1 GewStG dem Gewerbebetrieb ihres Gesellschafters, wenn die GmbH die ihr gehörenden Wohnungen fast ausschließlich an aktive oder ehemalige Arbeitnehmer ihres Gesellschafters vermietet habe und nach dem Willen der Mietvertragsparteien jeweils das Mietverhältnis an das Arbeitsverhältnis gekoppelt gewesen sei. Dem haben sich Finanzverwaltung und Schrifttum angeschlossen (s. Abschn. 62 Abs. 4 Satz 5 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - 1978/1990; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., 1957/1991, § 9 Nr. 1 Anm. 18; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., Stand Juli 1991, § 9 GewStG Rz. 97; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., 1991, § 9 Nr. 1 Anm. 33; Jonas/Müller, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1988, 623; s. a. FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 1988 15 K 361/83 G, EFG 1988, 379).

c) Der Senat hält an dieser Rechtsansicht fest.

Wohnungen, die Grundstücksgesellschaften an Arbeitnehmer ihrer Gesellschafter vermieten, können im Hinblick auf die Vermietung in zweifacher Hinsicht den Gewerbebetrieben der Gesellschafter von Nutzen sein. Sie können es ihnen erleichtern, neue Arbeitskräfte zu gewinnen, und sie können die Bindung der Arbeitnehmer an die Betriebe verstärken. Die Gewinnung neuer Arbeitskräfte wird nur erleichtert, wenn die Wohnungen vorrangig an die Arbeitnehmer der Gesellschafter vermietet werden, wenn also eine Verbindung zwischen dem Abschluß des Mietvertrags und dem des Arbeitsvertrags besteht. Indizien dafür sind ein Wohnungsbelegungsrecht des Arbeitgebers, dessen Mitwirkung bei der Vergabe der Wohnungen oder der auf die Vermietung von Wohnungen an die Arbeitnehmer der Gesellschafter gerichtete Zweck des Grundstücksunternehmens. Nach Abschluß des Mietvertrags wird die Wohnung die Bindung des Arbeitnehmers an den Gewerbebetrieb des Gesellschafters nur dann verstärken, wenn das Mietverhältnis mit dem Arbeitsverhältnis derart verkoppelt ist, daß der Vermieter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt ist, den Mietvertrag zu kündigen oder die Mietkonditionen zu Lasten des Mieters zu verändern. Wohnungen, die an ehemalige Arbeitnehmer der Unternehmen der Gesellschafter vermietet sind, werden in der Regel für deren Betriebe nicht mehr von Nutzen sein, es sei denn, die Mietverträge können kurzfristig gekündigt werden, um die Wohnungen an noch aktive Arbeitnehmer der Gesellschafter zu vermieten (s. § 565 c BGB).

2. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin in den Streitjahren einen Teil der ihr gehörenden Wohnungen an aktive Arbeitnehmer ihrer gewerblich tätigen Gesellschafter vermietet hatte, einige der Mietverträge Klauseln gemäß § 565 c BGB enthielten und Zweck der Klägerin die Verwaltung von Wohnungen für Betriebsangehörige der früheren AG war, deren Unternehmen Vorgänger der Unternehmen der Gesellschafter der Klägerin war. Aus diesen Feststellungen folgt (s. oben 1.), daß ein Teil des Grundbesitzes der Klägerin in den Streitjahren für die Gewerbebetriebe der Gesellschafter der Klägerin von Nutzen war und ihnen somit i. S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG 1984 diente.

3. Den Einwand der Klägerin, die Wohnungen seien aufgrund ihrer geringen Wohnqualität in den Streitjahren weder für die Gewinnung neuer Arbeitskräfte noch für die Bindung der Arbeitnehmer an die Betriebe ihrer Gesellschafter von Vorteil gewesen, hat das FG mit der Begründung zurückgewiesen, das Festhalten der Klägerin an der Koppelung zwischen Mietverhältnis und Arbeitsverhältnis zeige, daß die Wohnungen auch in den Streitjahren für die Betriebe der Gesellschafter nicht wertlos gewesen seien. Die Wohnungen seien zwar schwer vermietbar, aber nicht unvermietbar gewesen. Diese Schlußfolgerungen sind tatsächlicher Art und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

4. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG 1984 ist die erweiterte Kürzung auch dann in vollem Umfang ausgeschlossen, wenn im Erhebungszeitraum nur ein Teil des Grundbesitzes dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diente. Im Streitfall kann ungeklärt bleiben, ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, falls dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters nur ein unwesentlicher Teil des Grundbesitzes diente (s. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. September 1939 I 270/38, RStBl 1940, 38). Nach den Feststellungen des FG waren die den Gewerbebetrieben der Gesellschafter der Klägerin dienenden Teile des Grundbesitzes der Klägerin nicht von untergeordneter Bedeutung.