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  BFH-Urteil vom 9.9.1993 (IV R 30/92) BStBl. 1994 II S. 105

Werden im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe eines Grundstückshandels die bisher nicht verkauften Eigentumswohnungen im ganzen an einen gewerblichen Abnehmer veräußert, so führt dies regelmäßig nicht zu einem steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn.

EStG § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1) ist Witwe und Erbin des am 6. September 1986 verstorbenen Kaufmanns A, der hauptberuflich Geschäftsführer einer als Generalunternehmen für Althausmodernisierung tätigen Baubetreuungs GmbH war. Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 2 - Herr B - (Kläger zu 2) ist Architekt. Der verstorbene Herr A und der Kläger zu 2 erwarben gemeinsam im Mai 1979 je zur ideellen Hälfte das mit einem mehrgeschossigen Mietwohnhaus bebaute Grundstück in C, X-Straße 1. Der Kaufpreis betrug 1.027.595 DM.

Aufgrund einer im Jahre 1980 erteilten Baugenehmigung nahmen sie an dem Gebäude in erheblichem Umfang Umbauten und Modernisierungen vor, die im Laufe des Jahres 1981 abgeschlossen wurden. Die Kosten hierfür beliefen sich auf insgesamt 777.590 DM. Im Rahmen dieser Baumaßnahmen wurde das Gebäude u. a. erstmals mit einer Sammelheizung und einer zentralen Warmwasserversorgung ausgestattet. Im Mai 1981 teilten sie das Gebäude in 28 Eigentumswohnungen auf. Hiervon veräußerten sie in den Jahren 1981 bis 1983 insgesamt 8 Wohnungen an verschiedene Erwerber. Im Streitjahr (1984) veräußerten sie die restlichen 20 Eigentumswohnungen an die C-AG.

Herr A und der Kläger zu 2 sahen ihre gemeinsame Tätigkeit als Vermögensverwaltung an und gaben unter der Bezeichnung Grundstücksgemeinschaft A/B, X-Straße 1 Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1979 bis 1981 ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gelangte jedoch zu der Auffassung, daß es sich bei der Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft um einen gewerblichen Grundstückshandel gehandelt habe. Diese Auffassung wurde durch rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin bestätigt.

Auch für das Streitjahr beurteilte das FA die Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft als gewerblichen Grundstückshandel. Da für dieses Jahr keine Feststellungserklärung eingereicht wurde, schätzte es die Besteuerungsgrundlagen und stellte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 612.695 DM einheitlich und gesondert fest.

Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, zu deren Begründung sie vortrugen, selbst wenn man die gemeinsame Betätigung als gewerblichen Grundstückshandel ansehe, müsse der Verkauf der restlichen Wohnungen im Streitjahr 1984 als Betriebsaufgabe angesehen werden.

Das FG gab der Klage statt. Seine Erwägungen ergeben sich aus der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 353 veröffentlichten Entscheidung in der Gewerbesteuersache.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Allerdings hat das FG zu Recht die Klage als zulässig angesehen. Das FG ist - wie sich aus seinem Urteil in der Gewerbesteuersache (V 361-362/90) ergibt - davon ausgegangen, daß Herr A und der Kläger zu 2 den gewerblichen Grundstückshandel in Form einer Bruchteilsgemeinschaft betrieben haben. Das ist, wie der Senat in seinem Urteil gleichen Rubrums vom 9. September 1993 (IV R 31/92) im einzelnen dargelegt hat, nicht zu beanstanden. Allerdings gilt auch für eine gewerblich tätige Bruchteilsgemeinschaft die Klagebeschränkung des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Nachdem die Bruchteilsgemeinschaft A/B jedoch durch Veräußerung des gemeinsamen Vermögensgegenstandes beendigt worden war, waren die Kläger berechtigt, jeweils im eigenen Namen Klage zu erheben.

2. In der Sache selbst kann die Entscheidung des FG dagegen keinen Bestand haben. Der Gewinn aus der Veräußerung der restlichen 20 Eigentumswohnungen an die C-AG im Jahre 1984 ist nicht als Teil eines steuerbegünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinns (§ 16 Abs. 4 i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) anzusehen.

Gewinne, die aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebes herrühren, werden bei der Einkommensteuer nach Maßgabe der §§ 15, 34 EStG begünstigt und unterliegen, da in keinem stehenden Gewerbebetrieb erwirtschaftet (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -), nicht der Gewerbesteuer. Dies macht eine Abgrenzung vom laufenden Gewinn erforderlich, der solche Begünstigungen nicht genießt.

Dem angefochtenen Urteil ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob das FG von einer Betriebsaufgabe oder einer Betriebsveräußerung ausgegangen ist.

a) Soweit das FG davon ausgegangen sein sollte, es lägen die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung vor, so fehlen Feststellungen dazu, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Erwerber übertragen worden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. November 1989 VIII R 19/85, BFH/NV 1990, 625). Es liegt daher näher, daß das FG die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe als gegeben ansah.

b) Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn ein Gewerbetreibender den Entschluß gefaßt hat, seine gewerbliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, sofern er alsdann in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Grundlagen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1981 IV R 138/78, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381; vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, BStBl II 1984, 711). Dabei beginnt die Betriebsaufgabe nicht bereits mit dem inneren Entschluß des Steuerpflichtigen, seinen Gewerbebetrieb demnächst aufzugeben, und auch nicht mit der Kundgabe eines solchen Beschlusses nach außen, sondern erst mit solchen Vorgängen, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens gerichtet sind, wie z. B. die Einstellung der werbenden Tätigkeit oder die Veräußerung bestimmter, für die Fortführung des Betriebs unerläßlicher Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (BFH-Urteil in BFHE 141, 325, BStBl II 1984, 711).

Möglicherweise wollte das FG in der Veräußerung der restlichen Eigentumswohnungen einen solchen, objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichteten Vorgang sehen. Das scheitert jedoch daran, daß die Veräußerung der restlichen Eigentumswohnungen - wie nachstehend darzulegen ist - selbst dann dem laufenden (oder nachträglichen) Gewinn zuzurechnen wäre, wenn im übrigen die Voraussetzungen der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe erfüllt wären.

c) Nach ständiger Rechtsprechung sind Gewinne aus Geschäftsvorfällen, die auf der im wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, im Regelfall nicht tarifbegünstigt (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719; vom 2. Juli 1981 IV R 136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798; vom 24. November 1982 I R 60/79, BFHE 137, 360, BStBl II 1983, 243, und vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368). Der BFH hat das aus dem Sinn und Zweck der Steuerbegünstigung des § 16 Abs. 4 EStG hergeleitet. Eine Betriebsveräußerung spielt sich in der Regel so ab, daß in einem Akt das gesamte, Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens, Geschäftsbeziehungen und Gewinnchancen aus schwebenden Verträgen enthaltende Betriebsvermögen auf einen Unternehmer derselben Stufe übertragen wird. Die dabei massiert anfallenden außerordentlichen Gewinne sollen begünstigt werden. Behält der Veräußerer unwesentliche Teile des Betriebsvermögens zurück - in der Regel wird es sich dabei um Umlaufvermögen handeln - und veräußert er diese an einen Kreis, mit dem er auch bisher seine der Gewinnerzielung dienenden Geschäfte abschloß, so setzt er damit seine normale Tätigkeit fort und erzielt daraus neben dem tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn einen nicht begünstigten laufenden oder nachträglichen gewerblichen Gewinn. Nichts anderes kann für die Veräußerung von Umlaufvermögen während und nach einer Betriebsaufgabe gelten (BFH-Urteil in BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719).

An dieser Auffassung, deren Richtigkeit auch das FG nicht in Zweifel zieht, hält der Senat trotz Kritik im Schrifttum (Trzaskalik, Der Betrieb - DB - 1983, 194; Streck, DB 1975, 521; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 16 EStG Rdnr. 438; Herzig, Betriebs-Berater - BB - 1985, 741; Sauren, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1988, 235) fest. Die Kritik verkennt, daß § 16 i. V. m. § 34 EStG nicht schlechthin eine zusammengeballte Gewinnrealisierung begünstigt (wie sie gerade im Grundstückshandel leicht vorkommen kann), sondern nur die Zusammenballung in der speziellen, sachlich abgrenzbaren Form der Betriebsveräußerung und -aufgabe (Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. E 66; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 16 Anm. 54 b).

d) Dementsprechend hat der BFH mehrfach entschieden, daß bei der Aufgabe eines gewerblichen Grundstückshandels die Veräußerung der "letzten" Grundstücke nicht zu einem begünstigten Aufgabegewinn führt (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1971 1 K 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291; vom 29. September 1976 I R 170/74, BFHE 120, 220, BStBl II 1977, 71; vom 23. Juni 1977 IV R 81/73, BFHE 122, 505, BStBl II 1977, 721; vom 23. Juni 1983 IV R 207/80, nicht veröffentlicht - n. v. -; vom 30. April 1987 IV R 72-73/84, BFH/NV 1988, 28; vom 18. August 1992 VIII R 22/91, BFH/NV 1993, 225). Dem Aufgabegewinn hat der BFH lediglich die Veräußerung eines Grundstücks durch ein Unternehmen zugeordnet, dessen Geschäftszweck nicht der reine An- und Verkauf von Grundstücken war (BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 625). Ferner hat der Senat einen Entnahmegewinn zum Aufgabegewinn gerechnet, der dadurch entstanden war, daß eine Wohnung nach Einstellung der gewerblichen Tätigkeit nicht veräußert wurde (Urteil vom 28. Januar 1988 IV R 2/85, BFH/NV 1989, 580).

e) Bei Anwendung dieser Grundsätze gehört der Verkauf der restlichen 20 Wohnungen im Streitfall zum laufenden Gewinn des von Herrn A und dem Kläger zu 2 betriebenen Grundstückshandels. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie die Wohnungen an einen Abnehmer der gleichen Handelsstufe veräußert hätten und nicht - wie zuvor die anderen Wohnungen - an Endabnehmer. Die Unterscheidung zwischen dem Verkauf an Wiederverkäufer einerseits und Endabnehmer andererseits ist beim Grundstückshandel nicht signifikant. Denn der Ankauf von Grundstücken zum Zwecke der späteren Veräußerung erfordert keine betriebliche Organisation und ist insofern vielfach äußerlich nicht von dem Erwerb zum Zwecke der Vermietung oder Eigennutzung zu unterscheiden. Häufig steht beim Erwerb eines Grundstücks auch noch nicht fest, zu welchem Zweck es verwendet werden soll. Das trifft insbesondere auf den Erwerb durch Gewerbeunternehmen zu. In Übereinstimmung hiermit hat der III. Senat des BFH in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige sämtliche Grundstücke an eine KG veräußert hat, das Vorliegen (laufender) gewerblicher Gewinne für möglich gehalten, obwohl die KG die Grundstücke später teilweise weiterverkauft hat (BFH-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143).

Im Streitfall haben Herr A und der Kläger zu 2 die restlichen Wohnungen nicht auf derselben Marktstufe verkauft, sondern als "Hersteller" an einen Wiederverkäufer. Sie hatten die Wohnungen zuvor mit erheblichem Aufwand instand gesetzt und modernisiert. Von den hierfür aufgewandten Gesamtkosten in Höhe von 777.590 DM entfielen 236.722 DM auf einzelne (in den Jahren 1981 bis 1983 verkaufte) Wohnungen, der Rest in Höhe von 540.868 DM hingegen auf alle Wohnungen, also auch die im Streitjahr 1984 verkauften. Es muß davon ausgegangen werden, daß diese Wertschöpfung in den Verkaufspreis für die restlichen Grundstücke eingegangen ist, wenn auch der erzielte Gewinn wesentlich niedriger war, als der für die in den Vorjahren verkauften Wohnungen. Herr A und der Kläger zu 2 haben die restlichen Wohnungen demnach nicht auf derselben Marktstufe verkauft, sondern als "Hersteller" an einen Wiederverkäufer. Es besteht somit ein sachlicher Zusammenhang mit den während des laufenden Geschäftsbetriebs entwickelten absatzorientierten Aktivitäten, während der Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe ein rein zeitlicher ist (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 5. März 1992 I 217/89, EFG 1992, 662, 664).

Der Senat verkennt nicht, daß in der Rechtsprechung - beiläufig - die Auffassung vertreten worden ist, die zeitlich gedrängte Veräußerung von Werken eines Künstlers durch dessen nicht künstlerisch tätige Erben führe zu einem Aufgabegewinn (Urteile des Obersten Finanzgerichtshofs vom 23. Mai 1949 III 46/48, Steuer und Wirtschaft 1949, 91; des Senats vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716). In einem solchen Fall manifestiert sich jedoch die Aufgabe des "Betriebs" spätestens im Tod des Künstlers und nicht erst im Verkauf der Bilder. Schon deshalb ist der Streitfall hiermit nicht zu vergleichen.