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  BFH-Urteil vom 22.9.1993 (X R 48/92) BStBl. 1994 II S. 107

Überträgt der Alleineigentümer einen landwirtschaftlichen Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und werden hierbei Altenteilsleistungen auch zugunsten seiner Ehefrau als Gesamtberechtigter vereinbart, hat auch diese insoweit im Regelfall eigene Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen. Ihr stehen der Pauschbetrag für Werbungskosten (§ 9 a Satz 1 Nr. 3 EStG) und der Altersentlastungsbetrag (§ 24 a EStG) gleichfalls zu.

EStG § 9 a Satz 1 Nr. 3, § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Sätze 1 und 2, § 24 a.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1992, 531)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1987 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist im Jahre 1919, die Klägerin im Jahre 1922 geboren.

Der Kläger war Alleineigentümer eines landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Mit Vertrag vom 20. Februar 1984 übertrug er den Grundbesitz auf seinen Sohn. Dieser verpflichtete sich (§ 4 des Vertrages), "seinen Eltern" auf dem übertragenen Grundbesitz ein lebenslängliches Altenteilsrecht (u. a. freie Wohnung, freie Lieferung von Heizung, Strom und Wasser, freie Kost, Hege und Pflege "in guten und kranken Tagen" und ein bares Altenteil in Höhe von monatlich 500 DM) zu gewähren. Die Vertragschließenden bewilligten und beantragten die Eintragung der Altenteilsrechte "für die Altenteiler als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB im Grundbuch".

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1987 gaben die Kläger die Höhe der wiederkehrenden Bezüge mit 13.794 DM an. Sie rechneten sich die Bezüge jeweils zur Hälfte zu. Demgegenüber setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Bezüge in voller Höhe beim Kläger an; er berücksichtigte nur beim Kläger einen Altersentlastungsbetrag (§ 24 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) in Höhe von 3.000 DM (Höchstbetrag) und setzte die Steuer nach einem zu versteuernden Einkommen von 10.157 DM fest. Mit dem Einspruch begehrten die Kläger, nach Berücksichtigung einer hälftigen Zurechnung der wiederkehrenden Bezüge den Altersentlastungsbetrag zweifach in Höhe von jeweils 2.718 DM anzuerkennen und die Einkommensteuer auf 0 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage stattgegeben. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 531.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 3 EStG wird zur Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte die Summe der Einkünfte u. a. um den Altersentlastungsbetrag vermindert. Altersentlastungsbetrag ist nach § 24 a Satz 1 EStG (in der für das Streitjahr 1987 geltenden Fassung) ein Betrag von 40 v. H. des Arbeitslohns und der Summe der positiven Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind, höchstens jedoch ein Betrag von 3.000 DM im Kalenderjahr. Nach Maßgabe des § 24 a Satz 2 EStG bleiben bestimmte Versorgungsbezüge bzw. Alterseinkünfte bei der Bemessung des Betrages außer Betracht. Im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer ist diese Regelung gemäß § 24 a Satz 4 EStG "für jeden Ehegatten gesondert anzuwenden".

Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die Klägerin selbst Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) bezogen hat und daß deswegen auch ihr der Altersentlastungsbetrag zusteht.

2. Die parallel gelagerte Frage, ob jedem der Altenteiler, die nach Übergabe eines Hofes durch den Alleineigentümer-Ehegatten nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbare Altenteilsleistungen beziehen, der Werbungskosten-Pauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 3 EStG zusteht, hat der Senat durch Urteil vom 22. September 1993 X R 126/92 (nicht zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) bejaht. Der Abzugsbetrag des § 24 a EStG kann - ebenso wie der Pauschbetrag des § 9 a Satz 1 Nr. 3 EStG - jedem der zusammenveranlagten Eheleute gewährt werden, wenn er selbst Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) hat (im Ergebnis ebenso Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Teil A Rdnr. 739; Leingärtner/ Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., 1991, Rdnr. 1755). Dies ist dann der Fall, wenn er bürgerlich-rechtlich Gläubiger einer Forderung auf Unterhalt ist und freiwillige Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 2 EStG) und damit nichtsteuerbare Zuwendungen (§ 22 Nr. 1 Satz 2 EStG) des Übernehmers an diesen Ehegatten deswegen nicht vorliegen, weil diese Leistungen "durch die Betriebsübergabe notwendig geworden sind".

3. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften erfüllt. Auf der Grundlage dieses Rechtssatzes hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 29. November 1982 GrS 1/81 (BFHE 137, 433, 438 f., BStBl II 1983, 272, 274) für die Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Gewerbebetrieb (§ 20 Abs. 1 und 3 EStG) entschieden, daß den Tatbestand der Einkünfteerzielung nicht nur erfüllt, wer selbst ursprünglich Kapitalvermögen durch Entgelt zur Nutzung überlassen hat. Das gleiche gilt vielmehr auch für dessen Nachfolger in dem Rechtsverhältnis, das der Überlassung des Kapitals zur Nutzung zugrunde liegt, soweit ihm die Einnahmen aus Kapitalvermögen gebühren. Durch die Folgerechtsprechung ist z. B. anerkannt worden, daß ein Kind aus einem geschenkten Guthaben steuerrechtlich eigene Einkünfte bezieht, wenn die Guthabenforderung endgültig in das Vermögen des Kindes übergegangen ist (BFH-Urteil vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539). Einem Gesamtgläubiger i. S. von § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen, soweit sie ihm bürgerlich-rechtlich gebühren (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BFHE 145, 538, BStBl II 1986, 342).

Diese Grundaussage über die Zurechnung von Einkünften gilt auch für die Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen. Aufgrund ihrer zivilrechtlichen Mitberechtigung als Gesamtgläubigerin (§ 428 BGB) hat die Klägerin gegenüber dem Verpflichteten eine eigene Forderung erlangt. Mit der Realisierung der ihr selbst aus dem Dauerschuldverhältnis geschuldeten Leistungen, die "ihr gebühren", fließen ihr eigene Einkünfte zu.

Zivilrechtlich haben die Unterhaltsansprüche beider Altenteiler dieselbe Rechtsqualität. Die Begründung jeweils selbständiger Forderungsrechte der Kläger auf Unterhalt war, wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 428 BGB ergibt, von den Vertragschließenden gewollt. Nach dieser Vorschrift darf, soweit sich nicht aus § 429 BGB Besonderheiten ergeben, jeder von mehreren Gläubigern die ganze Leistung fordern. Werden höchstpersönliche Leistungen - z. B. "Wart und Pflege" - geschuldet, kann jeder Gläubiger die Leistung an den verlangen, für den sie inhaltlich bestimmt ist. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in seinem Beschluß vom 21. Mai 1975 BReg. 2 Z 29/75 (BayObLGZ 1975, 191, 194 f.) hierzu ausgeführt, diese Rechtsgestaltung biete sich gerade für Austragsleistungen an Pflegebedürftige an, ermögliche sie doch jedem der Gläubiger, die Leistung auch hinsichtlich solcher Mitberechtigter zu verlangen, die wegen ihrer Pflegebedürftigkeit zur Geltendmachung und Durchsetzung ihres Anspruchs nicht mehr in der Lage seien.

4. Die Versorgungsleistungen sind der Klägerin nicht i. S. von § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG zugewendet.

Die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe z. B. eines Hofes vereinbarten Altenteilsleistungen sind "eine besondere Art von Versorgungsleistungen, die durch die Betriebsübergabe notwendig geworden sind" (vgl. BFH-Beschluß des Großen Senats vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 2. Februar 1956 IV 217/54 U, BFHE 62, 235, BStBl III 1956, 88, und vom 28. Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97). Zur Charakterisierung der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge hat sich der Große Senat des BFH (a. a. O.) u. a. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 1. Februar 1933 VI A 2056/32 (RStBl 1933, 583) bezogen, nach welchem es wirtschaftlich auch so angesehen werden könne, "als ob die Eltern sich von ihrem Vermögen an Ertragswert das zurückbehielten, was für sie zur Lebenshaltung nötig ist". Bereits der RFH habe in dieser Entscheidung anerkannt, daß Sinn und Zweck der Versorgungsleistungen regelmäßig "nicht die (selbständige) Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht ist", sondern die "Folgerung aus der Übergabe von Vermögen seitens der Eltern an die Kinder". Die Aussage des IV. Senats des BFH in BFHE 139, 367, 373, BStBl II 1984, 97, 100, bei Altenteilsleistungen handele es sich um "eine besondere Art von privaten Versorgungsleistungen, die durch die Betriebsübergabe notwendig geworden sind", entspricht allgemeiner Auffassung.

Auszugehen ist von der typischen Situation der Altenteiler bei einer Hofübergabe.

Bezogen auf den Altenteiler, der nicht Hofeigentümer war, bedeutet dies: Seinen Anspruch auf Unterhalt, der bislang gegen den Ehegatten gerichtet war, kann jener nicht mehr erfüllen; infolge der Hofübergabe muß der Übernehmer des Vermögens beide Eltern unterhalten. Deren beider Ansprüche gegen den Übernehmer auf Unterhalt haben ihre Ursache in der Hofübergabe; die vertragliche Regelung dieser Ansprüche dient der wirtschaftlichen Sicherung beider Elternteile gleichermaßen. Indem der Ehegatte, der nicht Hofeigentümer ist, der Übergabe des Hofes an die nächste Generation zustimmt, nimmt er eine Minderung späterer erbrechtlicher Ansprüche und - freilich nur möglicher - Ansprüche aus der Beendigung des Güterstandes in Kauf. Ist der Hof die wirtschaftliche Grundlage der Familie, muß der Unterhalt durch Versorgungsleistungen sichergestellt werden. Aus diesem Grunde räumt § 14 Abs. 2 der Höfeordnung (HöfeO) dem Ehegatten, der als Miterbe oder Pflichtteilsberechtigter u. a. auf "die Abfindung nach dem Erbfall" (§ 12 HöfeO) verzichtet, ein gesetzliches Altenteil ein. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß der überlebende Ehegatte, der nicht Hoferbe wird, aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft und der auf dieser Grundlage für den Hof regelmäßig erbrachten Arbeitsleistungen eine besondere Sicherstellung verdient (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 5. Aufl., 1988, A. Das Höferecht, § 14 Rdnr. 1). Dieser Rechtsgedanke trägt die Annahme, daß dieser Ehegatte, der durch seine Mitwirkung bei der Weitergabe der Existenzgrundlage an die Kinder zumindest im wirtschaftlichen Sinne über "eigenes" Vermögen verfügt, ein originär eigenes Altenteilsrecht hat. Die Vorstellung des FA, nur der frühere Hofeigentümer erhalte vom Übernehmer Unterhaltsleistungen, die er - teilweise - mittels nichtsteuerbarer Zuwendung (§ 22 Nr. 1 Satz 2 EStG) an den Ehegatten weiterleite, ist mit der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Hofübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht vereinbar.

Die Einkünfte sind auf die Eltern - in der Regel je zur Hälfte - aufzuteilen (im Ergebnis ebenso Leingärtner/Zaisch, a. a. O., Rdnr. 1755). Hiernach ist die Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 DM im Ergebnis zutreffend.