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  BFH-Beschluß vom 3.11.1993 (II R 77/93) BStBl. 1994 II S. 118

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts durch Gerichtsbescheid des Vorsitzenden oder des bestellten Berichterstatters gemäß § 79 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 FGO ist ausschließlich der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben. Revision oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sind nicht statthaft.

FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 6 Abs. 1, § 55, § 79 a Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 3, 4, § 90 a Abs. 1, 2, 3, § 105 Abs. 5, § 115 Abs. 1, 2, § 116 Abs. 1 Nr. 5.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klage, mit der die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Herabsetzung der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) festgesetzten Grunderwerbsteuer einschließlich des Aufgeldes begehrt hatte, wurde mit Gerichtsbescheid vom 8. Juni 1993 durch den Berichterstatter gemäß § 79 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Klage aus den Gründen der Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet. Von einer Darstellung der Entscheidungsgründe sah das Gericht gemäß § 105 Abs. 5 FGO ab.

Mit Schriftsatz vom 14. Juli 1993 legte die Klägerin "gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. Juni 1993, zugestellt am 24. Juni 1993, Revision" ein. Zur Begründung führte sie aus, die Revision sei zulässig, weil die Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 FGO lägen nicht vor, weil der Streitgegenstand 500 DM überstiegen habe.

Durch Schreiben vom 26. August 1993 wurde die Klägerin durch die Geschäftsstelle des II. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf hingewiesen, daß die Grenze von 500 DM in § 105 Abs. 5 FGO entfallen sei. Weiter wurde die Klägerin auf § 79 a Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 sowie auf die Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 28. September 1993 begründete die Klägerin ihre Revision sowohl mit dem Fehlen von Entscheidungsgründen als auch mit materiell-rechtlichen Gründen. Weiter führte sie aus, daß dem angefochtenen Urteil des FG eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigelegen habe; der Hinweis in der Verfügung der Geschäftsstelle des II. Senats sei unzutreffend.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 8. Juni 1993 aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf 6.291,60 DM sowie das Aufgeld auf 1.258,32 DM herabzusetzen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, weil sie nicht statthaft ist, als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1, § 124 Abs. 1 FGO).

Die Revision zum BFH ist nur gegeben (statthaft) gegen Urteile des FG und Entscheidungen, die Urteilen des FG gleichstehen (§ 115 Abs. 1 i. V. m. § 36 Nr. 1 FGO). Der gemäß § 79 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 FGO in der am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Fassung der FGO (Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze - FGO-Änderungsgesetz - vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2109, BStBl I 1993, 90) ergangene Gerichtsbescheid gehört nicht zu diesen Entscheidungen.

Das FG hat nicht durch Urteil entschieden, denn es hat weder aufgrund mündlicher Verhandlung noch mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 90 Abs. 1 und 2 FGO).

Der Gerichtsbescheid vom 8. Juni 1993 steht auch nicht einem Urteil des FG gleich. Hierunter fallen die Entscheidungen durch das Gericht (§ 90 a Abs. 1 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes), das sind, soweit das FG entscheidet, die Entscheidungen durch den Senat ohne die ehrenamtlichen Mitglieder (§ 5 Abs. 3 Satz 2 FGO) oder die Entscheidungen des Einzelrichters, dem der Senat den Rechtsstreit zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen hat (§ 5 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes). In diesen Fällen können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 90 a Abs. 2 Nr. 1 FGO), oder Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision in dem Gerichtsbescheid nicht zugelassen worden ist (§ 90 a Abs. 2 Nr. 2, 1. Halbsatz FGO). Der Senat läßt offen, ob auch die Entscheidungen des Einzelrichters im Einverständnis der Beteiligten (§ 79 a Abs. 3, 4 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes) hierher gehören (so z. B. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 79 a Rz. 21; von Wedel in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 79 a Rdnr. 21), oder ob, wie im Fall der Entscheidung nach § 79 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 FGO nur der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben ist (so Schmieszek, Der Betrieb - DB - 1993, 12, 13).

Im Streitfall ist die Entscheidung durch den Berichterstatter des zur Entscheidung zuständigen Senats gefällt worden. Er hat jedoch nicht als Einzelrichter i. S. des § 6 Abs. 1 FGO und damit nicht als Gericht i. S. des § 90 a Abs. 1 FGO - auch nicht im Einverständnis der Beteiligten nach § 79 a Abs. 3 FGO - entschieden. Vielmehr hat er seine Befugnis als der vom Vorsitzenden bestellte Berichterstatter aus § 79 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes ausgeübt und - wie in § 79 a Abs. 2 Satz 1 FGO vorgesehen - über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden; hierauf ist im Rubrum des Gerichtsbescheids vom 8. Juni 1993 auch hingewiesen worden.

Abweichend von § 90 a Abs. 2 FGO ist gegen den Gerichtsbescheid nach § 79 a Abs. 2 Satz 1 FGO gemäß § 79 a Abs. 2 Satz 2 FGO nur der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben. Wird der Antrag auf mündliche Verhandlung nicht rechtzeitig, d. h. innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides, gestellt, so wirkt der Gerichtsbescheid als Urteil; anderenfalls gilt er als nicht ergangen (§ 90 a Abs. 3 FGO). Revision (§ 115 Abs. 1 FGO) gegen den Gerichtsbescheid nach § 79 a Abs. 2 Satz 1 FGO oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 115 Abs. 3 FGO) sind, anders als nach § 90 a Abs. 2 FGO, nicht statthaft. § 79 a Abs. 2 Satz 2 FGO läßt ausdrücklich nur den Antrag auf mündliche Verhandlung zu. Die Vorschrift trifft, ebenso wie die insoweit vergleichbare des § 90 a Abs. 2 Nr. 1 FGO, eine Sonderregelung. Es besteht auch kein Bedürfnis gegen die Entscheidung des Vorsitzenden oder des Berichterstatters nach § 79 a Abs. 2 Satz 1 FGO die Revision zum BFH zu eröffnen, denn aufgrund des Antrages nach § 79 a Abs. 2 Satz 2 FGO ist über den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung durch ein mit der Revision bzw. mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision angreifbares Urteil zu entscheiden.

Auf die von der Klägerin wegen der ab 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Änderung des § 105 Abs. 5 FGO (vgl. Art. 1 Nr. 23 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992) zu Unrecht erhobene Rüge aus § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO kommt es danach nicht mehr an. Die Entscheidung würde im übrigen auch dann nicht anders ausfallen, wenn die Behauptung der Klägerin richtig wäre, daß der angefochtene Gerichtsbescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthalten hätte, denn das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung hätte lediglich Auswirkungen auf den Lauf der Rechtsmittelfrist (§ 55 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 FGO). In diesem Zusammenhang weist der Senat die Klägerin darauf hin, daß auf Seite 2 der ihr zugestellten Ausfertigung des Gerichtsbescheides, den die Klägerin dem Senat übersandt hat, die Rechtsmittelbelehrung enthalten ist.