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  BVerwG-Urteil vom 4.8.1993 (BVerwG 11 C 36.93) BStBl. 1994 II S. 137

1. Im Bescheinigungsverfahren nach § 6 d Abs. 3 EStG ist auch die Betriebsstätteneigenschaft des vom Steuerpflichtigen erworbenen Objekts zu prüfen.

2. Im Rahmen des § 6 d Abs. 2 und 3 EStG ist der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO anwendbar.

3. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kapitalanlage im Sinne von § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG geeignet ist, bestehende Dauerarbeitsplätze zu sichern.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt von dem Beklagten die Erteilung einer Bescheinigung nach § 6 d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -.

Die Klägerin wurde im Jahre 1983 gegründet und nahm im Dezember 1983 ihren Geschäftsbetrieb in angemieteten Räumen auf. Sie stellt Stahlteile und -bleche in verschiedenen Zuschnitten her. Das Unternehmen expandierte rasch und bedurfte deshalb eines anderen Standortes. Es fand ihn in D., wo die V. GmbH ein Werk betrieb, in dem Schienen und Blenden für Dekorzwecke - im wesentlichen für Gardinen - hergestellt wurden. Die Geschäftsleitung der V. GmbH hatte im Herbst 1985 beschlossen, das Werk D. aus wirtschaftlichen Gründen im Jahre 1986 stillzulegen. Zwischen ihr und dem Betriebsrat dieser Firma war am 2. Oktober 1985 nach § 112 BetrVG ein Interessenausgleich geschlossen worden, in welchem vereinbart worden war, die Produktion des Werkes D. am 30. Juni 1986 einzustellen, die Restabwicklung bis Ende 1986 zu beenden und den damals 71 Mitarbeitern dieses Werkes zu kündigen oder mit ihnen Aufhebungsverträge zu schließen.

Mit einem als "Grundstückskaufvertrag" bezeichneten Vertrag vom 20. Dezember 1985 erwarb die Klägerin von der V. GmbH - bei gleichzeitigem Besitz- und Lastenübergang - deren Betriebsgrundstück, das im Grundbuch mit "Betriebsgelände, F. Straße 27" bezeichnet ist, zum Kaufpreis von 3,1 Millionen DM. Davon entfielen nach den Angaben der Klägerin rund 575.000 DM auf das Grundstück, der Rest von rund 2,5 Millionen DM auf verschiedene Gebäude und Lagerhallen - ohne Maschinen -, einen Industrieschornstein, die Heizungsanlage, eine Pumpstation für Wasser und diverse Versorgungskanäle. Nach § 2 Satz 2 des Vertrages war der Verkäuferin bekannt, daß die Klägerin beabsichtigte, auf dem Kaufobjekt einen Metallverarbeitungsbetrieb zu errichten und zu betreiben.

Die Klägerin begann auf dem Gelände alsbald nach dem 1. Juli 1986 mit der Durchführung größerer Baumaßnahmen. So wurden u. a. der Industrieschornstein sowie verschiedene Lagerhallen abgerissen; auf dem unbebauten Teil des ca. 31.000 qm großen Grundstücks wurde eine neue, ca. 7.000 qm große Produktionshalle errichtet, die verbliebenen Gebäude wurden teilweise umgebaut und erweitert. Die Kosten für die von der Klägerin errichteten Neubauten einschließlich neuer Maschinen beliefen sich auf ca. 9,1 Millionen DM, die Renovierungskosten der übernommenen Gebäude auf ca. 2,3 Millionen DM.

Mit Schreiben vom 9. Januar 1987 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer Bescheinigung nach § 6 d EStG mit der Begründung, das Werk D. der V. GmbH sei im Jahre 1985 von Stillegung bedroht gewesen. Der Erwerb der Kapitalanlage sei geeignet, den Fortbestand dieser Betriebsstätte und bestehende Dauerarbeitsplätze in der Wirtschaftsregion nachhaltig zu sichern. Die Zahl ihrer Mitarbeiter von acht Beschäftigten im Jahr 1984 habe sich auf 25 Personen im Jahr 1986 vergrößert und solle im Jahre 1988 51 Personen umfassen. Durch Vermietung eines Teils des Betriebsgeländes an eine andere Firma sollten weitere Dauerarbeitsplätze geschaffen werden.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 1987 versagte das Wirtschaftsministerium des beklagten Landes - nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Finanzministerium - die beantragte Bescheinigung im wesentlichen mit der Begründung, es fehle an dem gemäß § 6 d Abs. 3 EStG erforderlichen Erwerb einer Betriebsstätte durch die Klägerin. Ob eine Betriebsstätte erworben werde, sei danach zu beurteilen, ob das, was den Gegenstand des Erwerbs bilde, beim Veräußerer eine Betriebsstätte gewesen sei. Der Steuerpflichtige, der eine Rücklage nach § 6 d EStG bilden wolle, müsse eine Betriebsstätte erwerben und nicht eine solche erst schaffen.

Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. In den Entscheidungsgründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs ist im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nicht eine Betriebsstätte i. S. von § 12 AO, sondern lediglich Grundbesitz von der V. GmbH erworben. Die Darlegungen des Verwaltungsgerichts, daß die Klägerin nur die "äußere Hülle" einer Betriebsstätte gekauft und nach ihren Bedürfnissen "zugeschnitten" habe, seien nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe mit dem vormaligen Betrieb der V. GmbH auf dem erworbenen Grundstück nichts zu tun haben wollen.

Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das beklagte Land habe mit der Beurteilung der Frage, ob der Erwerb einer Betriebsstätte vorliege, seine Prüfungskompetenz nach § 6 d Abs. 3 EStG überschritten. Die Beurteilung dieser Frage obliege der Finanzverwaltung. Jedenfalls hätten das beklagte Land und die Vorinstanzen den Rechtsbegriff "Betriebsstätte" verkannt. Dieser sei graduell verschieden von den Begriffen "Betrieb" oder "Teilbetrieb". Das von der Klägerin erworbene Objekt erfülle die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i. S. des § 12 AO. Es könne dafür nicht darauf ankommen, ob die Klägerin die bisherige Struktur und Produktionsweise der alten Betriebsstätte fortsetze.

Das beklagte Land verteidigt die vorinstanzlichen Entscheidungen.

Der Oberbundesanwalt ist der Auffassung, der obersten Landeswirtschaftsbehörde stehe ein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 6 d Abs. 3 Satz 1 EStG zu. Daher sei auch zu prüfen, ob eine Betriebsstätte oder ein sonstiges einzelnes Wirtschaftsgut erworben werde.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht und ist deshalb aufzuheben. Weil eine abschließende Entscheidung nach den bisher festgestellten Tatsachen nicht möglich ist, muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist - wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben - zulässig. Bei dem hier vorliegenden Bescheinigungsverfahren nach § 6 d Abs. 3 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. d. F. des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) vom 20. Dezember 1982 (BGBl I S. 1857) handelt es sich nicht um eine Abgabenangelegenheit i. S. von § 33 Abs. 2 FGO, sondern um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. Beschluß vom 14. Dezember 1987 - BVerwG 7 B 240.87 - Buchholz 401.1 § 6 d EStG Nr. 1; Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 d Rdnr. 78; Blümich, EStG, 14. Aufl., § 6 d Rdnr. 57).

2. Alleinige Rechtsgrundlage für die beantragte Bescheinigung ist § 6 d Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG in der vorgenannten Fassung. Nach § 6 d Abs. 1 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige, die aufgrund eines nach dem 30. September 1982 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts vor dem 1. Januar 1987 Kapitalanlagen im Sinne des Absatzes 2 vornehmen, im Wirtschaftsjahr der Kapitalanlage eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Diese Rücklage darf nach § 6 d Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG nur gebildet werden, wenn der Steuerpflichtige durch eine von der obersten Wirtschaftsbehörde im Einvernehmen mit der obersten Finanzbehörde des Landes zu erteilende Bescheinigung nachweist, daß die in § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a bis e EStG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat die jeweilige Wirtschaftsbehörde des Landes - im Einvernehmen mit der obersten Finanzbehörde - in eigener Verantwortung zu prüfen. Dazu gehört - entgegen der Meinung der Revision - auch die hier streitige Frage, ob ein "Betrieb, Teilbetrieb oder eine Betriebsstätte" im Sinne von § 6 d Abs. 3 Satz 1 EStG verkauft bzw. erworben wurde; denn nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift muß in dem wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Bescheinigungsverfahren insbesondere festgestellt werden, daß - abgesehen von Mitunternehmensanteilen oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft - nicht irgendein einzelnes Wirtschaftsgut oder ein sonstiger Vermögensgegenstand, sondern gerade ein von Stillegung bedrohtes oder stillgelegtes förderungswürdiges und -fähiges Wirtschaftssubstrat in Form eines Betriebs, Teilbetriebs oder einer Betriebsstätte erworben worden ist und fortgeführt werden soll.

3. Ob die Voraussetzungen des § 6 d Abs. 3 Satz 1 Buchst. a bis e EStG sämtlich erfüllt sind, läßt sich wegen des Fehlens zureichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Buchst. c bis e der Vorschrift nicht abschließend beurteilen. Die teilweise fehlende Sachaufklärung muß deshalb vom Berufungsgericht nachgeholt werden.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 6 d Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a EStG erfüllt.

aa) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war das Werk D. der V. GmbH im Wirtschaftsjahr des Erwerbs der Kapitalanlage durch die Klägerin von Stillegung bedroht. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob der "Erwerb der Kapitalanlage" bereits in dem obligatorischen Kaufvertrag mit Besitzübergang auf die Klägerin am 20. Dezember 1985 oder erst im Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Grundbuch am 21. April 1986 zu sehen ist. Zu beiden Zeitpunkten drohte dem Werk D. der V. GmbH die Stillegung, weil die Einstellung der Produktion für den 30. Juni 1986 vorgesehen war. Davon sind auch die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen.

bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt jedoch Bundesrecht, soweit sie den Erwerb einer "Betriebsstätte" im Sinne von § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG verneint.

Die dort verwendeten Begriffe des Erwerbs eines "Betriebs" und "Teilbetriebs" entsprechen denjenigen in §§ 14, 16 Abs. 1 Nr. 1 und § 18 Abs. 3 EStG. Danach wird ein "Betrieb" erworben, wenn alle Wirtschaftsgüter, die die wesentliche Betriebsgrundlage bilden, in einem einheitlichen Vorgang in der Weise in das wirtschaftliche Eigentum des Erwerbers übergehen, daß dieser den verkauften Betrieb als lebenden wirtschaftlichen Organismus fortführen könnte (vgl. BFHE 149, 542 [544]; 156, 408 [411]); Lademann/Söffling/Brockhoff, EStG, § 6 d Rdnr. 26; Blümich a. a. .O., § 6 d Rdnr. 29; Schmidt, EStG, 11. Aufl., § 16 Rdnr. 8). Ein "Teilbetrieb" ist hingegen ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter organisatorisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebes, der für sich allein lebensfähig ist und für sich alle Merkmale eines Betriebes aufweist (vgl. BFH, BStBl II 1983, 113; Lademann/Söffing/Brockhoff, a. a. O., § 6 d Rdnr. 17). Das maßgebende Kriterium ist demnach in beiden Fällen, ob die wesentlichen Betriebsgrundlagen mitveräußert worden sind, so daß der Erwerber den Betrieb - so wie er ihn erworben hat - als lebenden wirtschaftlichen Organismus fortführen könnte. Ob die wesentlichen Betriebsgrundlagen mitveräußert wurden und damit die Möglichkeit einer tatsächlichen Fortführung bestand, hängt von der Art des Betriebes und der Funktion der einzelnen Wirtschaftsgüter ab (sog. funktionelle Betrachtungsweise, vgl. BFHE 137, 487); Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 16 Rdnrn. 106 ff.;Schmidt, EStG, a. a. O., § 16 Rdnr. 10). Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen können je nach Art und Funktion des Betriebs sowohl Betriebsgrundstücke (vgl. BFHE 74, 275); 124, 52 [54]); 159, 471)) als auch Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen (vgl. BFHE 137, 487); 140, 526 [535]); Schmidt, EStG, a. a. O., § 16 Rdnr. 10 a) gehören.

Im vorliegenden Fall ist zwar das Betriebsgrundstück mit verschiedenen auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden sowie einem Industrieschornstein, der Heizungsanlage, der Pumpstation und diversen Versorgungskanälen an die Klägerin verkauft worden; nicht dazu gehörten jedoch nach den vorinstanzlichen Feststellungen die Maschinen für die - bisherige - Herstellung von Gardinenschienen und -blenden. Dann aber fehlten - wovon im Ergebnis auch die Vorinstanzen ausgegangen sind - die wesentlichen Grundlagen dafür, daß die Klägerin mit dem erworbenen Gegenstand den Betrieb als lebenden wirtschaftlichen Organismus fortführen konnte. Im Sinne von § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG hat die Klägerin somit weder einen "Betrieb" noch einen "Teilbetrieb" erworben.

cc) Hingegen steht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auch keine "Betriebsstätte" erworben, sondern nur Grundbesitz, mit Bundesrecht nicht in Einklang.

Das Einkommensteuergesetz enthält zwar keinen eigenen Begriff der Betriebsstätte. Insoweit ist aber mit der Vorinstanz und der herrschenden Meinung in der Literatur anzunehmen, daß im Rahmen von § 6 d Abs. 2 und 3 EStG der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO anwendbar ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 d Rdnr. 52; Blümich, a. a. O., § 6 d Rdnr. 31; Lademann/Söffing/Brockhoff, a. a. O., § 6 d Rdnr. 28). Das Bundesverwaltungsgericht hat für den vergleichbaren Fall des Investitionszulagengesetzes bereits entschieden, daß dort ebenfalls § 12 AO anwendbar ist (vgl. Beschluß vom 21. Januar 1983 - BVerwG 7 B 154.82 - Buchholz 451.56 InvZulG Nr. 19; Urteil vom 24. März 1993 - BVerwG 11 C 34.92 -).

Betriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 1 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Eine Geschäftseinrichtung oder Anlage liegt vor, wenn es sich um bauliche oder sonstige Zusammenfassungen körperlicher Gegenstände und unternehmerisch nutzbarer sachlicher Mittel handelt; sie ist "fest", wenn sie eine Beziehung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche hat und auf eine gewisse Dauer und Stetigkeit angelegt ist (vgl. BFH, BStBl II 1975, 203, und 1987, 162; Tipke/Kruse, AO, § 12 Rdnrn. 1, 2; Koch, AO, 3. Aufl., § 12 Rdnrn. 4 ff., jeweils m. w. N.). Ferner muß der Unternehmer eine eigene, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht - inbesondere durch Erwerb (wirtschaftlichen) Eigentums - über die Räume oder Einrichtungen innehaben, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen oder verändert werden kann (BFH, BStBl II 1990, 166, und BStBl II 1990, 983 [984]; Kühn/Kutter/Hofmann, AO, 16. Aufl., § 12 Anm. 2). Nach ständiger Rechtsprechung muß die Einrichtung oder Anlage weiterhin unmittelbar der unternehmerischen Tätigkeit dienen (vgl. BFH, BStBl II 1988, 653). Ob die Einrichtung oder Anlage dem (veräußernden oder erwerbenden) Unternehmen für die wirtschaftliche Betätigung "dient", hängt von dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles und der jeweiligen wirtschaftlichen Betätigung ab. Es reicht aus, daß die Geschäftseinrichtung oder Anlage dazu bestimmt ist, den Unternehmenszweck in irgendeiner Weise zu fördern; es macht keinen Unterschied, ob mit oder in der Einrichtung Haupt- oder Hilfstätigkeiten, wesentliche oder unwesentliche Arbeiten ausgeübt werden (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 12 Rdnrn. 7, 8; Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O., § 12 Anm. 2). Daher können auch Gegenstände, die für sich genommen keinen lebenden wirtschaftlichen Organismus darstellen, aber einem Unternehmen unmittelbar "dienen", Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO sein (vgl. die Beispiele bei Tipke/Kruse, a. a. O., § 12 Rdnr. 8; Koch, a. a. O., § 12 Rdnr. 6, jeweils m. w. N.).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist im vorliegenden Fall das gesamte Betriebsgelände mit diversen Aufbauten, aber ohne den Maschinenpark des bisherigen Unternehmens verkauft und erworben worden. Diese Sachgesamtheit war aus der Sicht des Veräußerers eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens diente, und blieb es auch aus der Sicht des Erwerbers der Kapitalanlage; denn das Grundstück und die Aufbauten blieben zumindest für Verwaltungs- und Lagerzwecke des veräußernden wie des erwerbenden Unternehmens ohne weiteres nutzbar. Daß die Klägerin die von ihr erworbene Betriebsstätte sodann durch umfangreiche Baumaßnahmen verändert hat, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Mit dem Hinweis darauf, die Klägerin habe das Kaufobjekt auf ihre unternehmerischen Bedürfnisse "zurechtgeschnitten", kann demnach der Verkauf und Erwerb einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO nicht verneint werden.

b) Der Erwerb der Betriebsstätte war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nach § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ferner geeignet, den Fortbestand der Betriebsstätte zu sichern. Da auch insoweit der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO maßgebend ist, kommt es allein darauf an, ob die Veräußerung nach den hier maßgeblichen Umständen des Einzelfalles geeignet war, den Fortbestand der festen Geschäftseinrichtung oder Anlage für das jeweilige Unternehmen zu sichern. § 12 AO setzt nicht einen bestimmten Inhalt der Tätigkeit eines Unternehmens voraus und macht die Betriebsstätteneigenschaft auch nicht von der Beibehaltung einer bestimmten Produktion abhängig, sondern knüpft allein an die Sachgesamtheit der festen Gegenstände und Einrichtungen an, die einem Unternehmen (unmittelbar) dienen. Das Merkmal der Sicherung des "Fortbestandes einer Betriebsstätte" in § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG schließt Änderungen an den festen Einrichtungen und Anlagen nicht aus, sofern diese nicht vollständig beseitigt oder vernichtet werden. Diese Auslegung steht auch mit Sinn und Zweck des § 6 d Abs. 3 EStG in Einklang: Mit der durch § 6 d EStG gewährten Steuervergünstigung sollte nämlich der Erwerb von Betrieben und Betriebsstätten gefördert werden, die bereits stillgelegt oder von Stillegung bedroht waren, und zwar "insbesondere zum Erhalt von Arbeitsplätzen sowie zur Vermeidung volkswirtschaftlicher Verluste" (BT-Drucks. 9/2140, S. 63). Geschützt wird also nicht ein bestimmter Produktionszweig oder eine bestimmte Art und Weise der Fertigung von Wirtschaftsgütern, sondern die Erhaltung fester Anlagen und Einrichtungen, sofern an solchen Sachgesamtheiten nur Dauerarbeitsplätze "haften". Der Fortbestand eines Betriebes oder einer Betriebsstätte kann daher auch dann angenommen werden, wenn der Betrieb inhaltlich verändert, gegebenenfalls verbessert und modernisiert fortgeführt wird.

Für die "Eignung" der Kapitalanlage zur Sicherung des Fortbestandes von Betrieb oder Betriebsstätte genügt es, daß von dem Erwerber nach seiner wirtschaftlichen Kraft, der Lage seines gegebenenfalls bereits unterhaltenen Betriebs und seinen betriebswirtschaftlichen Vorstellungen bezüglich der erworbenen Betriebsstätte Maßnahmen zu erwarten sind, die die Fortführung des stillgelegten bzw. stillegungsbedrohten Betriebs oder einer Betriebsstätte - wenn auch in veränderter Form - voraussichtlich ermöglichen werden (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 d Rdnr. 90). Diese Voraussetzungen sind hier nach den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen erfüllt. Die Klägerin hat das erworbene Grundstück weiterhin als Betriebsgrundstück vorgesehen und darauf zahlreiche Veränderungen und Modernisierungen vorgenommen, die gekauften festen Einrichtungen und Anlagen aber nicht insgesamt beseitigt.

c) Noch nicht beantworten läßt sich mangels tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs die Frage, ob die Kapitalanlage im Sinne von § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG "geeignet war, bestehende Dauerarbeitsplätze, die für die Wirtschaftsregion und für den jeweiligen Arbeitsmarkt von besonderem Gewicht sind, nachhaltig zu sichern". Die dazu notwendigen Ermittlungen hat das Berufungsgericht nachzuholen. Insoweit wird es bei seiner Entscheidung folgendes zu berücksichtigen haben:

Hinsichtlich der Zahl und Dauer der zu gewährleistenden Arbeitsplätze ist es ausreichend, daß die Übernahme eines Betriebs oder einer Betriebsstätte geeignet ist, einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitsplätze zu sichern, deren Erhalt aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dauer erwartet werden kann; das Merkmal der "nachhaltigen Sicherung" von Dauerarbeitsplätzen ist dann erfüllt, wenn sie nicht nur vorübergehend bestehen, sondern nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf unbestimmte Zeit mit dem Fortbestand eines nicht unerheblichen Teils der Arbeitsplätze zu rechnen ist (vgl. BT-Drucks. 9/2140 S. 63; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 d Rdnrn. 90, 95).

Bei der weiteren Frage, welcher Art die Dauerarbeitsplätze sein müssen, ist folgendes zu bedenken: Das Gesetz knüpft nach seinem ausdrücklichen Wortlaut in § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG an "bestehende" Dauerarbeitsplätze an. Bereits daraus wird deutlich, daß zwischen dem alten und dem neuen Betrieb eine gewisse Kontinuität jedenfalls in bezug auf die Struktur der Dauerarbeitsplätze gewahrt bleiben muß. Bestätigt wird dies durch die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 6 d Abs. 3 EStG, die von der Übernahme eines nicht unerheblichen Teiles der "in dem Betrieb oder der Betriebsstätte im Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Beschäftigungsverhältnisse" spricht (BT-Drucks. 9/2140, S. 65). Eine Sicherung von Dauerarbeitsplätzen wird daher dann angenommen werden können, wenn der neue Betrieb einen nicht unerheblichen Teil der bisherigen Arbeitsverhältnisse fortführt und die Beschäftigten in der Betriebsstätte beläßt. Bei einer teilweisen oder weitgehenden Auswechslung des Personals, die namentlich beim Erwerb einer bereits stillgelegten Betriebsstätte oft unvermeidlich sein wird, kann nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 6 d EStG die nachhaltige Sicherung bestehender Dauerarbeitsplätze auch dann angenommen werden, wenn der neue Betrieb einen nicht unerheblichen Teil von Dauerarbeitsplätzen zur Verfügung stellt, die eine gleiche Qualifikation und berufliche Vorbildung wie beim früheren Betrieb erfordern. Art und Inhalt der angebotenen alten und neuen Dauerarbeitsplätze sind demnach zu vergleichen. Außerdem müssen die betreffenden Dauerarbeitsplätze unter regionalen Gesichtspunkten für die Wirtschaftsregion und unter sektoralen Gesichtspunkten für den jeweiligen Arbeitsmarkt von besonderem Gewicht sein.

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann derzeit nicht abschließend entschieden werden, weil tatsächliche Feststellungen hierzu insgesamt fehlen. Entsprechendes gilt für die weitere Frage, ob die Voraussetzungen des § 6 d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d und e EStG gegeben sind.