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  BFH-Urteil vom 25.11.1993 (V R 64/89) BStBl. 1994 II S. 212

Für ein (reines) Belegkrankenhaus, in dem die ärztlichen Leistungen ausschließlich von einem Belegarzt mit Liquidationsberechtigung erbracht und berechnet werden, kommt Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 i. V. m. § 67 Abs. 2 AO 1977 nur in Betracht, wenn mindestens 40 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, deren ärztliche Behandlung der Belegarzt über Krankenschein oder entsprechend den für Kassenabrechnungen geltenden Vergütungssätzen abrechnet.

UStG 1980 § 4 Nr. 16 Buchst. b; AO 1977 § 67; KHG § 2 Nr. 1; BPflV 1973 § 2 Nr. 5, §§ 3, 6, 16 Abs. 1; BPflV 1985 § 2 Abs. 3, § 7 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb vom 1. Februar 1983 an ein Privatsanatorium mit 20 Betten. Die ärztlichen Leistungen erbrachte ausschließlich der Ehemann der Klägerin als Belegarzt. Die Klägerin rechnete die von ihr bewirkten Leistungen regelmäßig direkt mit den Patienten ab, auch soweit diese bei gesetzlichen Krankenkassen oder Ersatzkassen versichert waren. Sie berechnete bis zum 30. Juni 1983.98 DM pro Tag, danach 115 DM pro Tag. Ihre Selbstkosten (ohne Arztkosten) im Streitjahr ermittelte sie mit 128 DM pro Tag. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) liquidierte der Ehemann der Klägerin seine Leistungen unmittelbar gegenüber den Patienten, und zwar in jedenfalls mehr als 60 v. H. der Fälle mit dem 1,8- bis 2,3fachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1983) beließ die Klägerin ihre Umsätze gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 steuerfrei. Sie vertrat die Auffassung, die in § 67 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bezeichneten Voraussetzungen, auf die durch § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 verwiesen wird, seien erfüllt. Sie, die Klägerin, habe im Streitjahr ein Krankenhaus betrieben, das nicht von der Bundespflegesatzverordnung vom 25. April 1973 - BPflV 1973 - (BGBl I 1973, 333) erfaßt werde und bei dem mindestens 40 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen seien, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach § 67 Abs. 1 AO 1977 berechnet worden sei. Sie habe ihre Leistungen für ca. 68 v. H. der Pflegetage zum allgemeinen Pflegesatz abgerechnet; lediglich ca. 32 v. H. der Pflegetage seien auf Patienten entfallen, die besondere Leistungen (Unterbringung im Einzelzimmer) in Anspruch genommen hätten.

Dem widersprach der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Anschluß an eine Betriebsprüfung. Das FA hielt die in § 67 Abs. 2 AO 1977 bezeichneten Voraussetzungen nicht für gegeben, weil die Klägerin bei ihrer Berechnung zu Unrecht die Arztkosten nicht berücksichtigt habe, die ihr Ehemann als Belegarzt gegenüber den Patienten abgerechnet habe. Dementsprechend verweigerte das FA in dem angefochtenen Bescheid der Klägerin die von ihr in Anspruch genommene Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980.

Der nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid erhobenen Klage gab das FG statt. Es führte zur Begründung aus, bei der nach § 67 Abs. 2 AO 1977 erforderlichen Prüfung, ob für Krankenhausleistungen eines nicht in den Anwendungsbereich der BPflV 1973 fallenden Krankenhauses kein höheres Entgelt als das für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet worden sei, dürften die ärztlichen Leistungen und Rechnungen eines Belegarztes nicht einbezogen werden. Das ergebe sich aus der Legaldefinition in § 2 Nr. 5 BPflV 1973, wonach Krankenhausleistungen nur ärztliche Leistungen "des Krankenhauses" seien. Dazu gehörten nicht Leistungen von Belegärzten, wie in § 2 Abs. 1 Satz 2 BPflV vom 21. August 1985 - BPflV 1985 - (BGBl I 1985, 1666) ausdrücklich klargestellt sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es meint, das FG habe § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980, § 67 Abs. 2 AO 1977 und § 2 Nr. 5 BPflV 1973 unzutreffend ausgelegt. Belegarztleistungen seien in den Kostenvergleich nach § 67 Abs. 2 AO 1977 einzubeziehen. Dafür ergäben sich Anhaltspunkte aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 5 BPflV 1973 und der Entstehungsgeschichte des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980. Außerdem würde es den Gemeinnützigkeitsvorschriften der §§ 51 bis 68 AO 1977 und damit auch § 67 AO 1977 zuwiderlaufen, wenn zu den steuerbegünstigten Zweckbetrieben ein solches Krankenhaus zählte, bei dem sämtliche ärztlichen Leistungen von einem Belegarzt erbracht werden, der nur Privatpatienten behandle und der bei der Liquidation nicht an eine bestimmte Vergütungsgrenze gebunden sei. Schließlich spreche der Zweck der BPflV 1973 und der Zweck des ihr zugrunde liegenden Krankenhausfinanzierungsgesetzes vom 29. Juni 1972 - KHG - (BGBl I 1972, 1000), nämlich eine möglichst kostengünstige Versorgung der Patienten sicherzustellen, für die Ansicht, den in § 67 Abs. 2 AO 1977 vorgesehenen Kostenvergleich in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Zu vergleichen seien mithin sämtliche den Patienten entstehenden Kosten (Entgelt für Unterbringung, Verpflegung und für Leistungen des Belegarztes) mit den Kosten eines fiktiven Zweckbetriebs.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Vorentscheidung verletzt § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980. Das FG hat bei der nach der genannten Vorschrift erforderlichen Prüfung, ob die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO 1977 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind, die Belegarztkosten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Die vom FG getroffenen Feststellungen ermöglichen dem Senat keine Entscheidung, ob der Klägerin die geltend gemachte Steuerbefreiung zusteht.

1. Gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 sind die mit dem Betrieb der Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO 1977 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt worden sind. Nach § 67 Abs. 1 AO 1977 in der im Streitjahr (1983) geltenden Fassung ist ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich der BPflV 1973 fällt, ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen nur der allgemeine (§ 3 BPflV 1973) oder der besondere Pflegesatz (§ 4 BPflV 1973) zuzüglich gesondert berechenbarer Kosten i. S. der §§ 5 und 7 BPflV 1973 berechnet wird. Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich der BPflV 1973 fällt, ist gemäß § 67 Abs. 2 AO 1977 ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Abs. 1 berechnet wird.

a) Die in § 67 Abs. 1 AO 1977 bezeichneten Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil das Sanatorium der Klägerin nicht in den Anwendungsbereich der BPflV 1973 fällt (vgl. § 1 BPflV 1973). Es kommt demnach nur die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 i. V. m. § 67 Abs. 2 AO 1977 in Betracht. Diese greift ein, wenn im Streitjahr - auf das hier abzustellen ist, weil die Klägerin ihr Sanatorium in dem an sich maßgeblichen vorangegangenen Kalenderjahr (vgl. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980) noch nicht betrieben hatte - 40 v. H. der Pflegetage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt berechnet worden ist, als es bei einem den Regelungen der BPflV unterliegenden Krankenhaus für die Anwendung des § 67 Abs. 1 AO 1977 zulässig war.

aa) Entgelt nach § 67 Abs. 1 AO 1977 ist der allgemeine bzw. (in Sondereinrichtungen) besondere Pflegesatz (§§ 3 und 4 BPflV 1973) jeweils zuzüglich gesondert berechenbarer Kosten gemäß §§ 5 und 7 BPflV 1973. Die Pflegesätze, durch die die allgemeinen Krankenhausleistungen abgegolten werden sollen (vgl. § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BPflV 1973), werden auf der Grundlage der Selbstkosten berechnet (§ 16 Abs. 1 BPflV 1973). Wesentlicher Berechnungsbestandteil sind bei Krankenhäusern mit angestellten Ärzten die Kosten für den ärztlichen Dienst (vgl. Anlage 1 zu § 18 Abs. 2 BPflV 1973 unter A 1 I a). Hierzu gehören nur die Personalkosten des Krankenhauses. Honorare, die von einzelnen liquidationsberechtigten Krankenhausärzten gegenüber Privatpatienten berechnet werden, betreffen gesondert berechenbare Leistungen gemäß § 6 BPflV 1973, die nicht zum fiktiven Vergleichsmaßstab gemäß § 67 Abs. 1 AO 1977 gehören.

bb) Ebensowenig gehen Leistungen der Belegärzte mit Liquidationsberechtigung in den Pflegesatz ein. Belegärzte sind niedergelassene und andere nicht am Krankenhaus angestellte Ärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten (vgl. § 2 Abs. 3 BPflV 1985). Soweit ärztliche Leistungen von einem Belegarzt erbracht und berechnet werden, ist dies nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BPflV 1973 bei der Bemessung des Anteils der ärztlichen Leistungen im allgemeinen Pflegesatz zu berücksichtigen. Der bezeichneten Vorschrift ist zu entnehmen, daß ärztliche Leistungen, die ein liquidationsberechtigter Belegarzt erbringt und berechnet, keine Krankenhausleistungen i. S. der § 2 Nr. 5 und § 3 Abs. 1 BPflV 1973 sind und nicht im Pflegesatz berücksichtigt werden dürfen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 12. März 1987 3 C 14/86, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 451.74, § 17 KHG Nr. 11). Das ist in der BPflV 1985 ausdrücklich klargestellt worden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BPflV 1985).

b) Die Klägerin hat keinen ärztlichen Dienst. Weder enthalten ihre tatsächlich berechneten Entgelte Kosten des ärztlichen Dienstes, noch kann (ohne weiteres) gemäß § 67 Abs. 1 AO 1977 ein Pflegesatz errechnet werden, der typischerweise Kosten des ärztlichen Dienstes enthält.

2. Damit auch (reine) Belegkrankenhäuser ohne eigenen ärztlichen Dienst, die gemäß § 67 Abs. 2 AO 1977 nicht in den Anwendungsbereich der BPflV fallen, gleichwohl nach dieser Vorschrift steuerbegünstigt werden können, ist es zur Schließung der vorhandenen Regelungslücke notwendig, bei ihnen die Arztkosten in ähnlicher Art und Weise zu berücksichtigen, wie dies im Rahmen des § 67 Abs. 1 AO 1977 bei Krankenhäusern mit angestellten Krankenhausärzten geschieht. Es liefe andernfalls dem Zweck des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 zuwider, wenn bei (reinen) Belegkrankenhäusern im Rahmen der Anwendung des § 67 Abs. 2 AO 1977 die Belegarztkosten - mithin sämtliche Arztkosten - unberücksichtigt blieben, wie dies der auf die "Krankenhausleistungen" abstellende Wortlaut der letztgenannten Bestimmung nahelegen könnte.

a) Gemäß § 67 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 AO 1977 hängt - wie dargelegt - die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 davon ab, daß 40 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen kein höheres Entgelt als der allgemeine (§ 3 BPflV 1973) oder der besondere Pflegesatz (§ 4 BPflV 1973) zuzüglich gesondert berechenbarer Kosten i. S. der §§ 5 und 7 BPflV 1973 berechnet wird. Diese Regelung bedeutet, daß nicht mehr als 60 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen dürfen, die sonstige gesondert berechenbare Leistungen nach § 6 BPflV 1973 in Anspruch nehmen (vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf einer AO, BTDrucks 7/4292, zu § 67 AO). Diese Patienten begnügen sich nicht mit den durch den Pflegesatz abgegoltenen allgemeinen Krankenhausleistungen (vgl. § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BPflV 1973), sondern wählen über den "Normalbedarf" eines durchschnittlichen Krankenhausbenutzers hinausgehende (Wahl-)Leistungen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. November 1989 IX ZR 269/87, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1990, 761 unter I.2.; BVerwG-Urteil vom 28. November 1991 2 N 1.89, BVerwGE 89, 207, 213).

Zu den gesondert berechenbaren Leistungen i. S. dieser Vorschrift (vgl. § 7 BPflV 1985: "Wahlleistungen") gehören die nichtärztlichen Wahlleistungen, z. B. besondere Unterbringung (§ 6 Satz 3 BPflV 1973; vgl. § 13 Abs. 3 Nr. 8 BPflV 1985: Einbettzimmer, ggf. Zweibettzimmer) und besonders angebotene ärztliche Leistungen (§ 6 Satz 4 BPflV 1973; vgl. § 7 Abs. 3 BPflV 1985: Wahlärztliche Leistungen). Unter letzteren ist die von dem Patienten gewünschte Behandlung durch bestimmte Krankenhausärzte, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind, zu verstehen; für die Berechnung wahlärztlicher Leistungen findet die GOÄ (entsprechende) Anwendung (vgl. § 7 Abs. 3 BPflV 1985).

b) Bei der Anwendung dieser Regelungen auf (reine) Belegkrankenhäuser ist folgendes zu berücksichtigen: Der Belegarzt (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 BPflV 1973, § 2 Abs. 3 BPflV 1985) berechnet seine ärztlichen Leistungen unmittelbar gegenüber dem Patienten, der kassenärztlichen Vereinigung oder dem sonst für den Patienten eintretenden Zahlungspflichtigen. Soweit der Belegarzt nicht unmittelbar gegenüber dem Patienten abrechnet - und zwar grundsätzlich nach der GOÄ (vgl. §§ 1 und 2 GOÄ) -, sondern über Krankenschein, finden der "Bewertungsmaßstab-Ärzte" (BMÄ) bzw. die Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) Anwendung (vgl. Krauskopf/Schoeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, 2. Aufl., § 368 g RVO Rz. 3.3 und 4). Rechnet der Belegarzt gegenüber dem Patienten nach der GOÄ ab, steht er dem Krankenhausarzt gleich, der eine Wahlleistung gegenüber dem Patienten erbringt. In diesem Fall ist der Arzt nicht an (ersatz-)kassenärztliche Gebührenbestimmungen gebunden, sondern kann grundsätzlich innerhalb einer Gebührenspanne vom Einfachen bis Dreifachen des Gebührensatzes (vgl. § 5 GOÄ) liquidieren.

Demnach setzt die Anwendung des § 67 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 AO 1977 auf (reine) Belegkrankenhäuser voraus, daß der Belegarzt höchstens 60 v. H. der jährlichen Pflegetage gegenüber den Patienten nach der GOÄ (einschließlich gesonderter Vereinbarungen nach § 2 GOÄ) abrechnen darf. Das bedeutet, daß mindestens 40 v. H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen müssen, deren ärztliche Behandlung der Belegarzt über Krankenschein oder entsprechend den für Kassenabrechnungen geltenden Vergütungssätzen abrechnet.

c) Dieses Ergebnis entspricht dem Zweck des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980. Die Steuerbefreiung der mit dem Betrieb der Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze soll - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht den Träger eines Krankenhauses, sondern die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten (und, typisierend, die selbstzahlenden Privatpatienten) begünstigen (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1990 V R 35/85, BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter 1.). Die Vorschriften, die bis zum Inkrafttreten der AO 1977 die Steuerfreiheit von Umsätzen bei Krankenanstalten regelten (vgl. dazu List in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 16 Rz. 1, 2), verlangten, daß diese Anstalten in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dienten (§ 10 der Gemeinnützigkeitsverordnung - GemV - vom 24. Dezember 1953, BGBl I 1953, 1592). Da während des AO-Gesetzgebungsverfahrens die BPflV 1973 in Kraft getreten war und für den größten Teil der Krankenhäuser einheitliche Pflegesätze für alle Patienten eingeführt hatte, konnten die bisherigen Kriterien des § 10 GemV nicht mehr als Abgrenzungsmaßstab dienen und wurden der veränderten Rechtslage angepaßt (vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf einer AO, BTDrucks 7/4292, zu § 67). Eine Änderung des Zwecks der Vorschrift war damit nicht verbunden (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter 1.).

Dem dargelegten Zweck wird die Auslegung des § 67 AO 1977 gerecht. Einerseits verhindert sie, daß (reine) Belegkrankenhäuser von der Steuerfreiheit gänzlich ausgeschlossen werden. Andererseits gewährleistet sie, daß die bezeichneten Krankenhäuser nicht ohne weiteres, d. h. unabhängig von Art und Höhe der von dem Belegarzt erteilten Abrechnungen, steuerbegünstigt werden, sondern nur dann, wenn auch die ärztlichen Leistungen, die für den Begriff des Krankenhauses unverzichtbar sind (vgl. § 2 Nr. 1 KHG, § 2 Nr. 5 BPflV 1973), in dem bezeichneten Rahmen bleiben.

d) Der Senat überschreitet entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Grenze zulässiger richterlicher Auslegung. Die weit gefaßten Normen des Steuerrechts können das Gebot materieller Gerechtigkeit nur dann erfüllen, wenn der Richter die notwendigerweise bestehenden Lücken ausfüllt. Dabei liegt eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung erst dann vor, wenn die einschlägigen gesetzlichen Regelungen nach ihrem auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Wortlaut, ihrer Systematik und ihrem erkennbaren Sinn so ausgestaltet sind, daß die von der Rechtsprechung ausgesprochene Rechtsfolge hierzu in Widerspruch gerät; denn nur in einem solchen Fall kommt in Betracht, daß sich die Rechtsprechung in rechtsstaatswidriger Weise an die Stelle des Gesetzgebers setzt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22. Dezember 1992 1 BvR 1333/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1993, 327, unter II. 1.). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Vielmehr ist allgemein anerkannt, daß eine Gesetzesauslegung nicht allein am Wortlaut haften darf, sondern dem (wirklichen) Sinn der jeweiligen Bestimmung soweit als möglich Rechnung tragen muß (vgl. z. B. BVerfG, Beschluß vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 und 14/72, BVerfGE 35, 263, 278 f.).

e) Gewisse Bedenken gegen das dargelegte Auslegungsergebnis bestehen allerdings im Hinblick darauf, daß der Krankenhausträger die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nur nachweisen kann, wenn der Belegarzt die Umstände seiner Abrechnung offenlegt. Der Senat sieht jedoch keine Möglichkeit, dem Rechnung zu tragen, wenn nicht die Steuerbefreiung für (reine) Belegkrankenhäuser gänzlich versagt werden soll. Dabei muß der Belegarzt grundsätzlich nicht sämtliche Abrechnungen über die von ihm erbrachten Leistungen vorlegen. Es reicht aus, wenn er die Grundsätze, nach denen er abgerechnet hat, offenbart. Das kann - unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht - auf verschiedene Weise geschehen.

3. Der Streitfall ist nicht entscheidungsreif. Das FG muß entsprechende Feststellungen nachholen. Die - ohne erkennbare tatsächliche Grundlage getroffene - Würdigung des FG, der Ehemann der Klägerin habe seine Leistungen gegenüber den Patienten "in jedenfalls mehr als 60 v. H. jeweils mit dem 1,8- bis 2,3fachen Satz der GOÄ" abgerechnet, stellt nicht - wie erforderlich - auf die jährlichen Pflegetage ab.

4. Da das Urteil des FG bereits aus diesem Grunde aufzuheben war, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Feststellung des FG für eine Würdigung dahin ausreichen, das Sanatorium der Klägerin sei ein Krankenhaus i. S. des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1980 (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs vom 2. März 1989 IV R 83/86, BFHE 156, 183, BStBl II 1989, 506; und in BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter II. 3.).