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  BFH-Urteil vom 15.12.1993 (II R 66/89) BStBl. 1994 II S. 220

Der deutsche Vermögensteueranspruch gegen einen vom persönlichen Geltungsbereich des DBA-Italien 1925 erfaßten und in Italien ansässigen Steuerpflichtigen ist hinsichtlich des Rechts auf Erbbauzins aufgrund Bestellung von Erbbaurechten an ihm gehörenden inländischen Grundstücken nach dem DBA ausgeschlossen.

DBA-Italien 1925 Art. 1, 2, 11 und 12; BewG § 92 Abs. 5; ErbbauVO § 9.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Von 1970 bis 1975 wohnte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) in Campione, der italienischen Exklave in der Schweiz.

Durch Vermögensteuerbescheid vom 15. Dezember 1978 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Vermögensteuer auf den 1. Januar 1973 gegen den Kläger in Höhe von (jährlich) 12.340 DM fest. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1981 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtete sich die Klage. Während des Klageverfahrens erließ das FA am 17. Mai 1982 einen gemäß § 172 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1973. Es setzte nunmehr eine Jahressteuerschuld in Höhe von 3.190 DM fest. Das FA behandelte den Kläger als erweitert beschränkt vermögensteuerpflichtig. Bei der Festsetzung ging das FA von einem Grundvermögen des Klägers in Höhe von 43.100 DM und von "Erbbauzinsforderungen", die auf die Bestellung von Erbbaurechten an inländischen Grundstücken zurückgingen, in Höhe von 430.000 DM aus.

Der Kläger beantragte, den Bescheid vom 17. Mai 1982 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Mit seiner Klage machte er geltend, die vom FA angesetzten Erbbauzinsforderungen könnten nicht dem steuerpflichtigen Vermögen zugerechnet werden. Dies sei durch das mit Italien geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen. Nach diesem Abkommen stehe allein Italien das Recht zu, die Erbbauzinsforderungen der Vermögensteuer zu unterwerfen. Beim Erbbauzinsanspruch handele es sich nicht um eine Liegenschaft, sondern um ein Forderungsrecht.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Vermögensteuerbescheide vom 15. Dezember 1978 und 17. Mai 1982 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufgehoben. Hinsichtlich des Erbbauzinsanspruchs des Klägers stehe der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) kein Vermögensbesteuerungsrecht zu. Nach dem am 31. Oktober 1925 mit Italien abgeschlossenen DBA-Italien sei Anknüpfungspunkt für das Besteuerungsrecht von Vermögenswerten Art. 12 DBA-Italien. Danach könnten die jeweils bestehenden oder noch einzuführenden Vermögensteuern grundsätzlich nur von den Vermögenswerten der Steuerpflichtigen erhoben werden, die sich im Gebiet des erhebenden Staates befänden. Bei unbeweglichem Vermögen oder hypothekarisch gesicherten Forderungen gälten für das Besteuerungsrecht die Grundsätze, die in dem DBA-Italien für die Besteuerung der Einkünfte aus diesen Vermögenswerten aufgestellt worden seien. Bei allen anderen Vermögenswerten richte sich das Vermögensbesteuerungsrecht nach dem Wohnsitz des Steuerpflichtigen. Die Erbbauzinsansprüche des Klägers zählten weder zum unbeweglichen Vermögen noch zu den hypothekarisch gesicherten Forderungen. Der Umfang des unbeweglichen Vermögens sei nach dem geltenden deutschen Vermögensteuerrecht zu bestimmen. Gemäß § 92 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) sei der Anspruch auf Erbbauzins nicht Bestandteil des erbbaubelasteten Grundstücks. Der Erbbauzinsanspruch werde nach deutschem Vermögensteuerrecht als sonstiges Vermögen behandelt.

Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Dieses rügt Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß der Vermögensteuerbescheid rechtswidrig ist.

1. Die Heranziehung des Rechts auf den Erbbauzins für die auf inländischen Grundstücken des Klägers eingetragenen Erbbaurechte zur deutschen Vermögensteuer ist nach dem Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 (DBA-Italien 1925) ausgeschlossen.

Die Vermögensteuer gehört zu den unter das Abkommen fallenden direkten Steuern (Art. 1 Abs. 2 DBA-Italien 1925). Der zum maßgeblichen Zeitpunkt in Italien ansässige Kläger wird vom persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens erfaßt.

Ein Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates hinsichtlich der Vermögensteuer (Art. 12, 2 DBA-Italien 1925) besteht für das Recht auf den Erbbauzins nicht. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 12 Abs. 2 Buchst. a oder b des Abkommens liegen - wie das FG im Ergebnis zutreffend ausführt - nicht vor. Insbesondere ist das Recht auf den Erbbauzins nicht dem unbeweglichen Vermögen im Sinne dieser Vorschrift zuzurechnen. Das DBA-Italien 1925 enthält - abgesehen von der Verwendung der Bezeichnung "Liegenschaften" in Art. 2 - keine Definition des Begriffs "unbewegliches Vermögen". Es ist daher nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen, ob der Erbbauzinsanspruch zum unbeweglichen Vermögen zählt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Januar 1959 I 112/57 S, BFHE 68, 340, BStBl III 1959, 133, 1.3.4 ; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. März 1972 I R 128/70, BFHE 106, 501, BStBl II 1972, 948), wobei im Streitfall dahinstehen kann, ob es als Recht des Anwenderstaats oder des Belegenheitsstaats zur Auslegung des DBA herangezogen wird.

Nach § 92 Abs. 5 BewG ist das Recht auf den Erbbauzins nicht als Bestandteil des Grundstücks zu berücksichtigen, sondern bei der Ermittlung des sonstigen Vermögens oder des Betriebsvermögens des Eigentümers des belasteten Grundstücks anzusetzen. Damit hat der Gesetzgeber das Recht auf den Erbbauzins für das Steuerrecht ausdrücklich aus dem Grundvermögen herausgenommen. Diese Entscheidung hat nicht lediglich steuer(berechnungs)technische Bedeutung. Sie hat materiell-rechtlich beispielsweise zur Folge, daß das Recht auf den Erbbauzins nicht der Grundsteuer unterworfen wird (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 15. Dezember 1932 III A 210/31, RStBl 1933, 128, 132). Diese Entscheidung des Steuergesetzgebers über die Behandlung des Rechts auf den Erbbauzins ist auch bei der Anwendung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu beachten. Nach § 9 Abs. 2 der Erbbaurechtsverordnung i. V. m. § 96 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten zwar die noch nicht fälligen Ansprüche auf den Erbbauzins als Rechtsbestandteile des Grundstücks. Es sind jedoch keine Gründe dafür ersichtlich, daß diese zivilrechtliche Regelung für das DBA-Italien 1925 bestimmend sein könnte. Das Recht auf den Erbbauzins rechnet daher nicht zum unbeweglichen Vermögen i. S. Art. 12 DBA-Italien 1925.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, daß die Erbbauzinsen selbst nach dem DBA-Italien 1925 hinsichtlich der Steuern von den Einkünften dem Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats unterliegen. Art. 2 DBA-Italien 1925 ordnet an, daß Sachsteuern, welche die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen betreffen, nur vom Belegenheitsstaat erhoben werden. Nach Nr. 2 des Schlußprotokolls, das einen Teil des Abkommens bildet, gilt die Regelung für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen sowohl für die durch unmittelbare Verwaltung und Nutzung als auch für die durch Vermietung, Verpachtung und jede andere Art der Nutzung des unbeweglichen Guts erzielten Einkünfte. Nach dieser sehr weitgehenden Definition sind jedenfalls die Einkünfte, die durch Nutzung des Grundstücks mittels Bestellung eines Erbbaurechts erzielt werden - also die Erbbauzinsen - als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen anzusehen, die dem Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats unterliegen. Daraus folgt jedoch nicht, daß das Recht auf den Erbbauzins als solches hinsichtlich der Vermögensbesteuerung als unbewegliches Vermögen angesehen werden kann. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts für die Steuern vom Vermögen erfolgt abschließend in Art. 12 DBA-Italien 1925. Diese Regelung verweist lediglich für das "Vorhandensein" des Vermögens auf dem Gebiet der vertragschließenden Staaten auf die Grundsätze, die für die Sachsteuern von den Einkünften aufgestellt sind. Durch diese Verweisung wird die in Art. 12 DBA-Italien 1925 getroffene Zuweisung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Vermögensbesteuerung jedoch nicht verändert bzw. erweitert. Auch die in Art. 11 DBA-Italien 1925, auf den wiederum Art. 12 Abs. 3 DBA-Italien 1925 verweist, getroffene Unterscheidung zwischen Einkünften i. S. Nr. 1 oder Nr. 2 der Vorschrift führt zu keinem anderen Ergebnis; diese für die Einkünfte getroffene Regelung kann nicht bewirken, daß die Zuweisung des Besteuerungsrechts für die Vermögensteuer in Art. 12 DBA-Italien 1925 bzw. der dort verwendete Begriff des unbeweglichen Vermögens einen anderen Inhalt erhält.

Da das Recht auf den Erbbauzins nicht von Art. 12 Abs. 2 DBA-Italien 1925 erfaßt wird, richtet sich das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Vermögensteuer nach dem Wohnsitzprinzip, d. h. das Recht der Vermögensbesteuerung steht dem Staat zu, in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz (Art. 13 DBA-Italien 1925) hat (Art. 12 Abs. 3, 11 Nr. 2 DBA-Italien 1925).

2. Die Nichtberücksichtigung des kapitalisierten Werts der Rechte auf den Erbbauzins des Klägers führt - wie das FG zutreffend erkannt hat - dazu, daß kein positives Vermögen mehr verbleibt. Die Vermögensteuerbescheide waren daher aufzuheben.