| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 27.8.1993 (VI R 7/92) BStBl. 1994 II S. 235

Die unfallbedingte Wertminderung eines Kraftfahrzeugs führt, soweit sie aufgrund einer Reparatur wieder behoben worden ist, nicht zu abziehbaren Werbungskosten. Insoweit sind lediglich die tatsächlichen Reparaturkosten berücksichtigungsfähig.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1 Satz 5.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Polizeibeamter. Auf der Rückfahrt von der Dienststelle zu seinem Wohnort erlitt er einen selbstverschuldeten Autounfall. Der Sachverständige schätzte die Reparaturkosten für das Fahrzeug auf 7.042,50 DM, den Wiederbeschaffungswert im Unfallzeitpunkt auf 4.500 DM und den Restwert auf 500 DM.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1986 machte der Kläger Werbungskosten in Höhe von 4.000 DM bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Auf Nachfrage des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) gab er an, das Fahrzeug selbst repariert und wieder instand gesetzt zu haben. Belege über die Reparaturaufwendungen könne er nicht vorlegen. Der Dienstherr habe den Unfall zwar als Dienstunfall anerkannt, jedoch keinen Schadenersatz geleistet.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus: Die durch den Unfall erfolgte Wertminderung des Fahrzeugs sei als außergewöhnliche technische Abnutzung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Höhe der Wertminderung sei nach dem Unterschied des Zeitwertes vor und nach dem Unfall - also 4.000 DM - zu bemessen.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungserheblich sei allein die Frage, ob der Kläger seinen Schaden im einzelnen darlegen müsse oder Werbungskosten auf Gutachtenbasis anzuerkennen seien.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

1. Kosten eines Verkehrsunfalls, die durch den Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs für eine beruflich veranlaßte Fahrt entstehen, können zwar als außergewöhnliche technische Abnutzung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG anzuerkennen sein. Die Beschränkung der abziehbaren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG auf die darin genannten Pauschalen gilt nicht für außergewöhnliche Aufwendungen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1962 VI 79/60 S, BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192, und vom 31. Januar 1992 VI R 57/88, BFHE 166, 502, BStBl II 1992, 401).

2. Im Streitfall hat das FG die unfallbedingte Wertminderung von 4.000 DM als Werbungskosten anerkannt, ohne zu berücksichtigen, daß der Kläger das Fahrzeug repariert und dadurch die eingetretene Wertminderung wieder behoben hat. Nach der Rechtsprechung des BFH kommt jedoch eine Absetzung für außerordentliche technische Abnutzung (AfaA) neben dem Abzug der Reparaturkosten nicht in Betracht, wenn die Reparatur technisch fehlerfrei ausgeführt ist, keine Substanzeinbuße mehr hinterläßt und lediglich noch ein merkantiler Minderwert verbleibt (BFH-Urteil in BFHE 166, 502, BStBl II 1992, 401). Eine gleichzeitige Geltendmachung von Reparaturkosten und AfaA ist nur möglich, wenn die Reparatur den Schaden nur teilweise behebt und eine auf technischen Mängeln beruhende erhebliche Wertminderung fortbesteht (BFH-Urteile in BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192, 195, unter 6., und vom 9. November 1979 VI R 156/77, BFHE 129, 143, BStBl II 1980, 71). Der Senat folgt nicht der insbesondere von v. Bornhaupt (Deutsche Steuerzeitung 1992, 343, und in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 480; ebenso Hessisches FG, Urteil vom 16. März 1967 I 1299/64, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1967, 503) vertretenen Auffassung, wonach der Geschädigte ein Wahlrecht besitze, entweder die durch den Unfall eingetretene Wertminderung als AfaA oder die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten als Werbungskosten geltend zu machen. Denn eine durch einen Verkehrsunfall eingetretene Wertminderung führt nicht mehr zu Werbungskosten, wenn sie durch Ersatzleistungen Dritter (BFH-Urteil vom 14. August 1970 VI R 40/69, BFHE 100, 44, BStBl II 1970, 764) oder durch das Verhalten des Geschädigten selbst wieder ausgeglichen worden ist. An die Stelle der Wertminderung im Unfallzeitpunkt treten dann etwaige tatsächliche Reparaturaufwendungen (ebenso Wolff-Diepenbrock in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 9 EStG Tz. 534; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 9 Tz. 101; Verfügung der Oberfinanzdirektion München vom 1. Juni 1977 S 2144/1.1.2; ESt-Kartei Bayern, § 4 Einkommensteuergesetz, Karte 1.1.2; vgl. auch Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr. C 28).

3. Mit dieser Rechtsauffassung setzt sich der Senat nicht in Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Danach ist der Unfallgeschädigte berechtigt, seinen Schaden auf Gutachtenbasis nach den voraussichtlichen Reparaturkosten abzurechnen, ohne daß es darauf ankommt, ob die tatsächlichen Werkstattkosten geringer sind oder ob der Geschädigte das Fahrzeug überhaupt repariert (BGH-Urteil vom 20. Juni 1989 VI ZR 34/88, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1989, 3009). Dabei handelt es sich um eine aus Vereinfachungsgründen gebilligte "pauschalierende Schadensfiktion", die ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Kosten erfolgt (BGH-Urteil vom 30. Januar 1985 IV a ZR 109/83, NJW 1985, 1222). Steuerrechtlich hingegen kann als Aufwendung i. S. des § 9 EStG nur die tatsächlich eingetretene Vermögenseinbuße berücksichtigt werden, die sich entweder aufgrund einer tatsächlich eingetretenen und fortbestehenden technischen Wertminderung des Fahrzeugs oder aufgrund tatsächlich geleisteter Reparaturkosten ergibt.

4. Da der Kläger im Streitfall den Unfallschaden selbst behoben hat, entfällt eine AfaA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG. Eine trotz der Reparatur verbleibende technische Wertminderung ist vom Kläger nicht dargelegt worden. Dem Kläger bot sich daher lediglich die Möglichkeit, die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geltend zu machen. Nachdem er trotz mehrfacher Aufforderung des FA keine Belege beigebracht hat, fehlt es insoweit jedoch am erforderlichen Nachweis (§ 9 a Satz 1 EStG). Aus diesem Grunde kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger bei dem als Dienstunfall anerkannten Verkehrsunfall Ersatzleistungen des Dienstherrn zugeflossen sind (BFH-Urteil vom 9. August 1963 VI 49/62 U, BFHE 77, 496, BStBl III 1963, 502). Der Wert der eigenen Arbeitskraft ist keine Aufwendung i. S. des § 9 EStG (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1985 IX R 58/81, BFHE 145, 43, BStBl II 1986, 142).