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  BFH-Urteil vom 11.11.1993 (V R 52/91) BStBl. 1994 II S. 335

Ein Unternehmer, der einen PKW kaufte, um ihn in seinem Unternehmen einzusetzen, kann den PKW auch dann seinem Unternehmen zugeordnet haben und kann Vorsteuern aus dem Erwerb geltend machen, wenn er das Fahrzeug bei der Lieferung an ihn weiterveräußert hat.

UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG München (EFG 1991, 761)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Ingenieurbüro. Im April 1985 bestellte er bei der Daimler-Benz AG (AG) einen Mercedes-Benz, Typ 250 D, Limousine, zur Selbstabholung ab Werk. Lackierung und Polsterung sollten später festgelegt werden; in der Auftragsbestätigung wurde als unverbindlicher Liefertermin das II. Quartal 1986 genannt.

Am 31. Juli 1986 bestimmte der Kläger - nunmehr handelnd als "Ing.-Büro R" - gegenüber der AG die Ausstattung des bestellten PKW im einzelnen. Am selben Tag verkaufte er - unter entsprechender Bezeichnung - das Fahrzeug an die Firma Automobil-Leasing (Firma A-L). In dem Vertrag heißt es u. a., die - im einzelnen aufgeführte - Ausstattung des PKW entspreche dem Wunsch der Firma A-L. Diese werde das voraussichtlich im September/Anfang Oktober 1986 lieferbare Fahrzeug im Auftrag des Klägers auf eigene Kosten beim Hersteller abholen. Die Firma A-L hatte keinen Aufpreis zu zahlen, aber entsprechend einer gesonderten Vereinbarung mit dem Kläger eine "Vermittlungsprovision" an die Ehefrau des Klägers in Höhe von 1.400 DM.

Am 30. September 1986 (Lieferdatum) stellte die AG dem Kläger den PKW unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von 5.069,71 DM in Rechnung. Eine entsprechende Abrechnung erteilte der Kläger der Firma A-L am 23. Oktober 1986.

Der Kläger erfaßte den An- und Verkauf des Fahrzeugs in seiner Einnahme-Überschuß-Rechnung (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) sowie in der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1986).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Umsatzsteuer zunächst erklärungsgemäß fest. Das FA änderte den Bescheid jedoch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), nachdem es durch eine Kontrollmitteilung Kenntnis von der Rechnungserteilung durch den Kläger erlangt hatte. Nunmehr berücksichtigte es den PKW-Verkauf nicht mehr bei den steuerpflichtigen Umsätzen, versagte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Fahrzeugs und setzte in entsprechender Höhe wegen unberechtigten Steuerausweises Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) fest. Es war der Auffassung, An- und Verkauf des PKW seien der privaten, nicht der unternehmerischen Sphäre des Klägers zuzuordnen.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage. Er schränkte sein außergerichtliches Begehren auf Aufhebung des Änderungsbescheides nunmehr dahin ein, daß er keine Einwendungen dagegen erhob, die seiner Frau gewährte Vermittlungsprovision in die Bemessungsgrundlage des PKW-Verkaufs miteinzubeziehen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem - in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 761 abgedruckten - Urteil statt. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe den An- und Verkauf des PKW seinem Unternehmen zugeordnet, ohne dabei die Grenzen seiner Bestimmungsfreiheit zu überschreiten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980. Es macht geltend, der Kläger habe den PKW nicht seinem Unternehmen zuordnen dürfen. Das Fahrzeug habe zu keiner Zeit unternehmerischen Zwecken gedient und sei nicht in den Unternehmensbereich gelangt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß dem Kläger der geltend gemachte Vorsteuerabzug zusteht. Er hat den PKW gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 "für sein Unternehmen" erworben. Seine dahingehende Zuordnungsentscheidung ist nicht zu beanstanden.

1. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Gegenstand, der sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch verwendet werden kann - wie z. B. ein PKW -, dann als (insgesamt) für das Unternehmen angeschafft anzusehen, wenn der Unternehmer eine entsprechende Zuordnungsentscheidung getroffen hat. Eine Zuordnung zum Unternehmen durch den Unternehmer ist statthaft, wenn der Gegenstand im Umfang des vorgesehenen Einsatzes für unternehmerische Zwecke in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649, und vom 23. Januar 1992 V R 66/85, BFHE 167, 221, unter II.1. b). Ob dies der Fall ist, wird nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. § 15 Abs. 4 UStG 1980) unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1993 V R 61/89, BFHE 172, 183, BStBl II 1993, 810), wobei die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgebend sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1979 V R 46/72, BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530, unter 2. b); Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 15 Bem. 27; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch V Rz. 128; Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1992, Abschn. 192, Abs. 14 Satz 6). In Zweifelsfällen muß der Unternehmer darlegen, daß die bezogene Leistung seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit hat fördern sollen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Dezember 1985 V R 25/78, BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216, unter 1.; in BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530, unter 2. b).

2. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger den PKW für sein Unternehmen erworben.

a) Der Kläger hat den PKW seinem Unternehmen zugeordnet, indem er beim Kauf (jedenfalls zuletzt) und Verkauf des PKW unter seiner "Firmenbezeichnung" auftrat, An- und Verkauf in seiner Einnahme-Überschuß-Rechnung erfaßte sowie Vorsteuer und Umsatzsteuer in der Steuererklärung berücksichtigte.

b) Zwischen der Anschaffung des Fahrzeugs und der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers als Ingenieur bestand ferner ein objektiver und erkennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang.

Die Berufstätigkeit eines freiberuflich tätigen Ingenieurs erfordert im allgemeinen den Einsatz eines PKW. Der Kläger hat - unwidersprochen - vorgetragen, er verschaffe sich Aufträge durch Kundenakquisition und müsse dazu weite Wegstrecken mit einem Kfz zurücklegen. Für diesen Zweck sei der PKW angeschafft worden.

Der Kläger hatte mithin nach seinem nachvollziehbaren Vortrag die Absicht, den PKW im Rahmen seines Unternehmens zur Förderung seiner beruflichen Tätigkeit als Ingenieur einzusetzen.

Daß er von diesem Plan noch vor Lieferung des PKW Abstand nahm, beseitigt nicht den objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Anschaffung des Fahrzeugs und unternehmerischer Tätigkeit des Klägers.

Die Veräußerung eines Anlagegegenstands (der dem "eigentlichen" Unternehmensbereich gedient hat) fällt als Hilfsgeschäft in den Rahmen des Unternehmens (vgl. BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649). Daran ändert sich nichts, wenn ein als Anlagegegenstand bestimmter (und objektiv als solcher für das Unternehmen geeigneter) Gegenstand vor seiner entsprechenden Verwendung veräußert wird. Der Senat braucht nicht weiter darauf einzugehen, inwieweit darüber hinaus gelegentliche Umsätze neben dem "eigentlichen" Unternehmensgegenstand ebenfalls in den Rahmen des Unternehmens gehören (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. September 1990 V R 92/85, BFHE 162, 493, BStBl II 1991, 35, unter II. 1. b).