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  BFH-Urteil vom 22.9.1993 (II R 63/91) BStBl. 1994 II S. 415

Ein während des ganzen Jahres nutzbares Ferienhaus, dessen Wohnfläche 49 qm beträgt und das neben einem Aufenthaltsraum mit Küchenzeile ein Bad und drei Schlafräume enthält, stellt eine Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG dar. Dabei ist ohne Belang, daß die jeweiligen Bewohner bedürftigen Bevölkerungskreisen angehören, häufig wechseln und das Ferienhaus nur vorübergehend - zu Erholungszwecken - nutzen.

GrStG § 5 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein gemeinnütziger eingetragener Verein, ist Eigentümer des Grundstücks "X", auf dem sich ein Appartement-Haus und 17 Ferienhäuser befinden.

Die Ferienhäuser haben jeweils eine Wohnfläche von 49 qm und besitzen je einen Aufenthaltsraum mit Küchenzeile, ein Bad sowie drei Schlafräume. Nach ihrer baulichen Gestaltung sind sie während des ganzen Jahres nutzbar. Tatsächlich werden sie aber nur während eines Teils des Jahres dadurch benutzt, daß der Kläger sie an i. S. des § 53 der Abgabenordnung (AO 1977) hilfsbedürftige Personen vermietet.

Mit - bestandskräftigem - Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1974 bewertete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) das hier streitbefangene Ferienhaus als "Geschäftsgrundstück" mit einem Einheitswert von .... DM. Am 9. Februar 1987 beantragte der Kläger, "das Objekt von der Grundsteuer zu befreien", weil es zu gemeinnützigen Zwecken i. S. der AO 1977 genutzt werde. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, daß das streitige Grundstück nicht von der Grundsteuer befreit sei und daher die Feststellung eines Einheitswerts gemäß § 19 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht unterbleiben könne.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, die Vorentscheidung sowie den ablehnenden Bescheid des FA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, die beantragte Grundsteuerbefreiung zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FG entschieden, daß das streitbefangene Ferienhaus eine Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) enthält und deshalb eine Einheitswertfeststellung nicht unterbleiben kann.

Das Ferienhaus ist nicht schon deswegen von der Grundsteuer befreit, weil der Kläger nach Satzung und Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt und der Grundbesitz unmittelbar für diese Zwecke verwendet wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG). Dient nämlich Grundbesitz zugleich Wohnzwecken, so ist er kraft ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 1 GrStG grundsätzlich grundsteuerpflichtig. Ausgenommen sind lediglich die in § 5 Abs. 1 Nrn. 1 - 4 GrStG aufgeführten Gemeinschaftsunterkünfte und Räume. Hierzu gehören zwar auch Wohnräume unter der Voraussetzung, daß der steuerbegünstigte Zweck i. S. des § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 GrStG nur durch ihre Überlassung erreicht werden kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG). Wohnungen sind jedoch kraft ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671; vom 11. Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306; vom 30. Mai 1990 II R 139/86, BFH/NV 1991, 268).

a) Zu Recht hat das FG angenommen, daß das Ferienhaus eine Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG enthält. Das GrStG definiert den Begriff "Wohnung" ebensowenig wie das BewG. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum Bewertungsrecht ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist für die Bewertungsstichtage ab 1. Januar 1974 erforderlich, daß die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden. Es muß ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem ist grundsätzlich erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie eine Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151).

Für den Begriff der Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG gilt diese typologische Umschreibung entsprechend (Urteil in BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671, unter 2.; in BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306, 307; vom 17. Mai 1990 II R 182/87, BFHE 160, 335, BStBl II 1990, 705, 706; in BFH/NV 1991, 268, 269).

b) Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ist das streitbefangene Ferienhaus als "Wohnung" i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG anzusehen (vgl. auch Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 11; Halaczinsky, Grundsteuergesetz, Kommentar, 1990, § 5 Rdnr. 15).

Nach den mit Verfahrensrügen nicht angefochtenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ist das Ferienhaus baulich abgeschlossen und besitzt einen eigenen Zugang. Die für eine Wohnung erforderliche Mindestfläche wird mit 49 qm (erheblich) überschritten. Überdies verfügt das Ferienhaus über sämtliche, zur Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Räumlichkeiten und Einrichtungen (einschließlich Küchenzeile, Bad und Toilette) und ist während des ganzen Jahres nutzbar.

Demgegenüber hindert es die Annahme einer Wohnung im bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Sinne entgegen der vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vertretenen Auffassung nicht, daß das Ferienhaus nicht über eine separate Strom-, Gas- und Wasserversorgung verfügt. Mit Recht hat es das FG als ausreichend angesehen, daß das Haus an entsprechende Gemeinschaftseinrichtungen angeschlossen ist. Ebensowenig spielt für den Begriff der "Wohnung" i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG eine Rolle, daß die jeweiligen Bewohner sozial bedürftigen Bevölkerungskreisen angehörten, häufig wechselten und das Ferienhaus nur vorübergehend - für Erholungszwecke - nutzten. Schon in der Begründung der Regierungsvorlage zu § 5 Abs. 2 GrStG (abgedruckt bei Troll, a. a. O., § 5 Rdnr. 1; Halaczinsky, a. a. O., § 5 Rdnr. 2) wird ausgeführt, es sei nicht Sache der Gemeinden, durch Verzicht auf die Grundsteuer die Mietpreisgestaltung zu beeinflussen. Schließlich kommt es entgegen der Ansicht des Klägers für das Vorliegen einer Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG auch nicht darauf an, welcher Grundstücksart (vgl. § 75 BewG) das Bewertungsobjekt angehört, in dem sich die Wohnung befindet. Eine "Wohnung" im genannten Sinne kann in einem Wohnhaus, aber auch in jedem anderen denkbaren Gebäudetyp gelegen sein (Halaczinsky, a. a. O., § 5 Rdnr. 15; Troll, a. a. O., § 5 Rdnr. 11). Der Senat braucht sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht mit der Frage zu befassen, ob das Ferienhausgrundstück statt - wie das FA angenommen hat - als "Geschäftsgrundstück" als "Einfamilienhaus" zu bewerten ist.