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  BFH-Urteil vom 21.1.1994 (VI R 56/91) BStBl. 1994 II S. 417

Einem auf einem Schiff mit Bordküche tätigen Arbeitnehmer steht bei eintägigen Fahrten ein als Werbungskosten abziehbarer pauschaler Verpflegungsmehraufwand nicht zu.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1991, 727)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Steuermann auf Fährschiffen tätig, die im Fährverkehr zwischen Festlandhäfen und Inseln sowie im Ausflugsverkehr an der Küste von Schleswig-Holstein eingesetzt sind. Auf den Fährschiffen werden dem Bordpersonal Schlaf- bzw. Übernachtungsmöglichkeiten sowie gegen Zahlung von 7 DM bis 10 DM pro Tag eine Gemeinschaftsverpflegung zur Verfügung gestellt.

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt 2.040 DM nach den Pauschsätzen geltend, die Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1984 für Berufskraftfahrer vorsehen. Er war im Streitjahr nach einer Bescheinigung seines Arbeitgebers an 162 Tagen auf einem Fährschiff eingesetzt. An 69 Tagen lag das Schiff abends im Heimathafen und an 93 Tagen in einem auswärtigen Hafen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte lediglich Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 3 DM für 93 Tage.

Nachdem während des Klageverfahrens in einer mündlichen Verhandlung die Möglichkeit einer doppelten Haushaltsführung für die Zeiträume erörtert worden war, in denen der Kläger an Bord übernachtet hatte, erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid; in diesem berücksichtigte es insgesamt Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 2.024 DM, und zwar für 119 Tage einen Betrag von 16 DM nach den Grundsätzen doppelter Haushaltsführung (1.904 DM) sowie für 40 Tage einen Betrag von 3 DM (120 DM) für einen Diensteinsatz von mehr als 12 Stunden (vgl. Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 LStR 1984).

Mit der Klage, die gegen den zum Gegenstand des Verfahrens erklärten geänderten Bescheid gerichtet ist, machte der Kläger einen Verpflegungsmehraufwand in Höhe von insgesamt 6.294,80 DM geltend. Dieser im Verhältnis zur Einkommensteuererklärung erhöhte Betrag ergibt sich daraus, daß der Kläger für die sich über einen Kalendertag hinaus erstreckenden Fahrten den Verpflegungsmehraufwand nach Dienstreisegrundsätzen errechnet hat (Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. Abschn. 25 a Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 LStR 1984). Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, daß das FA die Anwendung der für Berufskraftfahrer bestimmten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand zu Recht abgelehnt habe. Die Finanzverwaltung habe Schiffsbesatzungen ausdrücklich von dieser Pauschale ausgenommen. Dies sei im vorliegenden Verfahren durch eine Auskunft des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein belegt und entspreche auch der in den LStR 1990 getroffenen Regelung, wonach u. a. Binnenschiffer und Seeleute ausdrücklich aus dem Kreis der durch die sog. Berufskraftfahrer-Pauschale Begünstigten ausgenommen worden seien. Im Streitfall sei ein ausschließlich beruflich veranlaßter Mehraufwand des Klägers für seine Beköstigung über das vom FA bereits anerkannte Maß hinaus nicht zu erkennen. Es sei ein wesentlicher Unterschied bei der Verpflegung des Klägers im Vergleich zum Normalfall eines Arbeitnehmers mit fester (unbeweglicher) Arbeitsstätte nicht ersichtlich, da der Kläger - anders als ein Berufskraftfahrer - seine Mahlzeiten regelmäßig an seiner Arbeitsstätte (dem Fährschiff) gegen ein im Umlageverfahren erhobenes Entgelt von 7 DM bis 10 DM eingenommen habe. Ob der Kläger sich in der Kantine eines unbeweglichen Betriebsgebäudes verköstige oder an Bord der Fährschiffe, könne keinen Unterschied machen. Soweit wegen der Übernachtung an Bord oder der langen Abwesenheit von der Wohnung eine Zusatzbeköstigung angefallen sein sollte, sei dies mit dem vom FA anerkannten Betrag von 2.024 DM abgegolten.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Die Vorentscheidung beinhalte eine nicht gerechtfertigte Sonderbehandlung der Seeschiffahrt im Vergleich zu Straßenbahnführern, Fernfahrern, Fahrpersonal der Deutschen Bundesbahn und Bundespost, Taxifahrern, Müllfahrzeugführern und Beton- und Kiesfahrern. Diese Ungleichbehandlung sei wahrscheinlich nur möglich, weil die besonderen Verhältnisse des Streitfalles nicht bekannt seien. Wegen des Fahrplans oder unvorhersehbarer Witterungsverhältnisse müsse das Schiff häufig in auswärtigen Häfen liegen, so daß die Dienstzeiten von nicht voraussehbaren Fakten abhängig seien. Damit sei auch die Verpflegung schwieriger. Die Gemeinschaftsverpflegung bedinge einen Mehraufwand, zumal sie durch Zukäufe ergänzt werden müsse. Der tatsächlich entstandene Aufwand sei vielmehr mit demjenigen eines Berufskraftfahrers vergleichbar, so daß aus Gründen der Gleichbehandlung ein Verpflegungsmehraufwand nach Abschn. 22 i. V. m. Abschn. 25 a LStR 1984 zu gewähren sei.

Das FA tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Dem Kläger geht es mit der Revision zum einen darum, daß für mehrtägige Fahrten ein Verpflegungsmehraufwand nicht - wie letztlich vom FA im Änderungsbescheid anerkannt - nach den Grundsätzen doppelter Haushaltsführung, sondern nach Dienstreisegrundsätzen berechnet wird. Zum anderen begehrt der Kläger für seine eintägigen Fahrten einen Verpflegungsmehraufwand nach den Grundsätzen der Fahrtätigkeit und nicht nur, wie vom FA anerkannt, einen Verpflegungsmehraufwand für mehr als zwölfstündige Abwesenheit von der Wohnung. Das Begehren des Klägers ist insgesamt unbegründet.

Die Finanzverwaltung gewährt, bestätigt durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z. B. Urteile vom 8. August 1986 VI R 195/82, BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824; VI R 2/84, BFHE 147, 255, BStBl II 1986, 828, BFH/NV 1987, 166, sowie VI R 117/83, BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 184), Arbeitnehmern, die auf einem Fahrzeug tätig sind, welches sich als deren regelmäßige Arbeitsstätte darstellt, bei Erfüllung gewisser Fahrzeiten den Abzug von Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten. Sie gewährt - falls weitere hier nicht interessierende Voraussetzungen vorliegen - bei einer Fahrtätigkeit von mehr als 6 Stunden den pauschalen Abzug eines Verpflegungsmehraufwandes von 8 DM und bei mehr als 12 Stunden den Abzug von 16 DM täglich (Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 LStR 1984; vgl. auch Abschn. 37 Abs. 5 i. V. m. Abschn. 39 Abs. 6 LStR 1993). Nach Abschn. 25 a Abs. 1 Satz 4 LStR 1984 gilt der Betriebssitz auch insoweit als regelmäßige Arbeitsstätte, als sich Fahrten über mehr als einen Kalendertag erstrecken; dies hat nach Abschn. 25 a Abs. 2 LStR 1984 zur Folge, daß die Finanzverwaltung Verpflegungsmehraufwendungen insoweit nach Dienstreisegrundsätzen berechnet.

3. Für die eintägigen Fahrten steht dem Kläger ein pauschaler Abzug eines Verpflegungsmehraufwandes nach den Grundsätzen der Fahrtätigkeit nicht zu. Denn insoweit ist ausschlaggebend dafür, daß bei einer Fahrtätigkeit überhaupt ein Verpflegungsmehraufwand anerkannt werden kann, der Umstand, daß es sich um eine Art Reisetätigkeit handelt, bei der es wegen der großen Wahrscheinlichkeit, daß der Arbeitnehmer sich in Gaststätten oder in anderer Weise kostenaufwendig verpflegen wird, zu einem gegenüber der Verköstigung am Betriebssitz erhöhten Verpflegungsaufwand kommen wird (zutreffend Urteil des FG Hamburg vom 22. Mai 1985 I 74/84, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 226). Handelt es sich aber um eine Fahrtätigkeit, bei der - wie im Streitfall - sich der Arbeitnehmer auf dem Fahrzeug verpflegen kann und bei der daher die bei einer typischen Reisetätigkeit gegebene Verpflegungssituation nicht vorliegt, so ist für den Anfall eines Verpflegungsmehraufwandes von vornherein kein Raum.

Der Senat hat durch Urteil vom 21. Januar 1994 VI R 112/92 (BFHE 173, 166, BStBl II 1994, 418) entschieden, daß ein Arbeitnehmer für Verpflegung am Ort der gleichbleibenden (regelmäßigen) Arbeitsstätte keinen Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten abziehen kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung verwiesen. Deren Grundsätze gelten auch im vorliegenden Streitfall. Zwar hatte der Senat im Urteil VI R 112/92 über den Verpflegungsmehraufwand an einer ortsfesten (regelmäßigen) Arbeitsstätte zu befinden, während der Kläger seine regelmäßige Arbeitsstätte auf dem Fährschiff hat. Entscheidender Gesichtspunkt ist aber, daß sich die Verpflegungssituation auf dem Fährschiff von den Verpflegungsverhältnissen an ortsfesten Arbeitsstätten nicht wesentlich unterscheidet. Da der Kläger und seine Arbeitskollegen sich auf dem Schiff selbst die Mahlzeiten herrichten können, können sie diese sogar kostengünstiger zubereiten. Damit erweist sich auch die Anweisung in Abschn. 37 Abs. 5 Satz 3 LStR 1993 als zutreffend, soweit die Fahrten von Binnenschiffern und Seeleuten, die auf dem Schiff eine Unterkunft haben, nicht nach den Grundsätzen der Fahrtätigkeit zu beurteilen sind.

4. Für die mehrtägigen Fahrten steht dem Kläger der Abzug eines Verpflegungsmehraufwandes nach Dienstreisegrundsätzen nicht zu. Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, daß bei mehrtägigen Fahrten Dienstreisegrundsätze des Abschn. 25 LStR 1984 zur Anwendung kommen (Abschn. 25 a Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Abs. 2 LStR 1984), so hat dies auch zur Folge, daß die Dienstreisefiktion entsprechend den Grundsätzen des Abschn. 25 Abs. 3 LStR 1984 dann wieder wegfallen muß, wenn der Arbeitnehmer drei Monate auf dem oder den Schiffen des Arbeitgebers Dienst verrichtet und auf diesen Schiffen Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeiten bestehen. Die Dienstreisefiktion des Abschn. 25 a Abs. 1 Satz 4 LStR 1984 soll den Umständen Rechnung tragen, daß ein Berufskraftfahrer, der mehrtägig unterwegs ist, eine Reisetätigkeit ausführt, bei der wegen der Verköstigung in Gaststätten ein erhöhter Verpflegungsmehraufwand anfallen wird. Diese für den Arbeitnehmer kostenträchtige Verpflegungssituation besteht jedoch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer, wie der Kläger, auf seiner fahrenden Arbeitsstätte wohnen und sich dort verpflegen kann. Die Verpflegungssituation des Klägers ist daher mit der eines an einer auswärtigen ortsfesten Arbeitsstätte arbeitenden und die Woche über wohnenden Arbeitnehmers vergleichbar. Dann ist es auch geboten, die Dienstreisefiktion jedenfalls nach einer im Streitfall bereits vor dem Streitjahr abgelaufenen Übergangszeit von drei Monaten entfallen zu lassen.

Zwar bestimmt Abschn. 25 a Abs. 3 Satz 1 LStR 1984, daß für die Frage des Abzugs von Verpflegungsmehraufwendungen jede Fahrt für sich zu betrachten ist. Daraus kann aber für den Streitfall nicht geschlossen werden, daß nach Beendigung einer mehrtägigen Fahrt für die jeweils nächste mehrtägige Fahrt eine neue Dreimonatsfrist zu laufen begann. Diese Regelung kann von vornherein nicht für Schiffspersonal gelten, da sich die Verpflegungssituation auf dem oder den Schiffen, auf denen der Kläger eingesetzt war, durch die Beendigung einer mehrtägigen Fahrt und den Beginn einer neuen mehrtägigen Fahrt nicht veränderte. Auch die Finanzverwaltung hat die Richtlinien-Regelung stets im vorstehenden Sinne verstanden, wie der Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein auf Anfrage des FG erklärt hat.

Da das FA dem Kläger bereits Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 16 DM je Tag nach den Grundsätzen doppelter Haushaltsführung zugebilligt hat, hatte der Senat wegen des bestehenden Verböserungsverbots keine Veranlassung und Gelegenheit, zu der im steuerrechtlichen Schrifttum aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob nicht bei einer doppelten Haushaltsführung nach einer gewissen Anfangs- und Eingewöhnungszeit die Anerkennung eines pauschal anzusetzenden Verpflegungsmehraufwandes gänzlich auszuschließen (Albert/Heitmann, Finanz-Rundschau 1993, 285, 292; Völlmeke, Deutsches Steuerrecht 1993, 1129, 1134) oder nur in geringerer Höhe als 16 DM zu gewähren ist.