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  BFH-Urteil vom 30.11.1993 (IX R 60/91) BStBl. 1994 II S. 496

Das Risiko einer Inanspruchnahme des Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft für Schulden der Gesellschaft (§ 15 a Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG) muß, um das Verlustausgleichs- und Abzugsverbot auszuschließen, zwar der Höhe nach nicht dem als sofort ausgleichsfähig und abziehbar geltend gemachten Werbungskostenüberschuß gleichkommen, es muß aber ein - im Verhältnis zu dem Werbungskostenüberschuß - erhebliches Risiko bestehen (Ergänzung zum Senatsurteil vom 17. Dezember 1992 IX R 7/91, BFHE 170, 497, BStBl II 1994, 492).

EStG § 15 a Abs. 5 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die vier Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) beauftragten durch Treuhandvertrag vom Dezember 1983 einen Treuhänder, in ihrem Namen und für ihre Rechnung eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu gründen, deren Zweck der Erwerb eines Grundstücks und die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit anschließender Vermietung war. Nach dem Finanzierungsplan sollten die Gesamtkosten von rd. 6,8 Mio. DM zu etwa einem Drittel durch Eigenkapital und zu zwei Dritteln durch Aufnahme von Darlehen aufgebracht werden. Die Kläger erteilten dem Treuhänder außerdem eine umfassende Vollmacht, in ihrem Namen und für ihre Rechnung sämtliche Verträge abzuschließen und Rechtshandlungen vorzunehmen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks, der Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses und der anschließenden Vermietung anfielen. Sowohl nach dem Treuhandvertrag als auch nach der Vollmacht ist der Treuhänder gehalten, bei sämtlichen abzuschließenden Verträgen und Erklärungen dafür Sorge zu tragen, daß der Treugeber lediglich im Verhältnis seines Anteils an der GbR verpflichtet wird. In dem Gesellschaftsvertrag, den der Treuhänder für die Kläger schloß, ist ebenfalls vereinbart, daß die Gesellschafter nur anteilig entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft haften. Nach diesem Vertrag haben die Gesellschafter Beiträge entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft zu erbringen. Die Gesellschaft ist auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Am Ende des Streitjahrs 1983 hatte der Treuhänder für die Kläger das Grundstück erworben und einen Mietvertrag mit dem Hauptmieter abgeschlossen. Für die vorgesehenen Kleinläden lag ein Miet- und Mietgarantievertrag auf fünf Jahre mit einem der Initiatoren vor. Außerdem hatte die Landesbank D die Finanzierung zugesagt. Der Treuhänder hatte ferner für die Kläger die modelltypischen Verträge über die Baubetreuung, die Mietvermittlung, die Finanzierungsvermittlung und den Generalunternehmervertrag zu einem Festpreis abgeschlossen. Baubeginn war im Dezember 1983.

In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1983 wiesen die Kläger einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen von 1.463.336 DM aus. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Werbungskostenüberschuß sei - soweit er anzuerkennen sei (1.077.132 DM) - nach § 15 a Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur beschränkt ausgleichsfähig und abziehbar, weil die Haftung der Kläger beschränkt und nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich sei. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wies das FA deshalb nur einen Teilbetrag des gesamten Werbungskostenüberschusses in Höhe der von den Klägern aus eigenen Mitteln geleisteten Einlagen zuzüglich der Sonderwerbungskosten - insgesamt 616.928 DM - als bei der Einkommensteuer anzusetzend aus. Den Rest (460.204 DM) stellte es als nur verrechenbaren Werbungskostenüberschuß fest und verteilte ihn auf die Kläger.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gegen die Feststellung des nur verrechenbaren Werbungskostenüberschusses statt. Die Voraussetzungen für eine Beschränkung der sofortigen Abziehbarkeit nach § 15 a Abs. 5 Nr. 2 EStG i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG seien nicht erfüllt. Die Haftung der Kläger sei nicht vertraglich eingeschränkt. Die Kläger hafteten zwar nicht für die Schulden der GbR als Gesamtschuldner, aber doch anteilig und persönlich. Ihre Inanspruchnahme sei auch nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs nicht unwahrscheinlich.

Dagegen richtet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung des § 15 a i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG rügt. Die Prognose des FG, eine Inanspruchnahme der Kläger sei nicht unwahrscheinlich, werde nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen getragen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß § 15 a Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht anwendbar sind, weil die Inanspruchnahme der Kläger für Schulden der Gesellschaft nicht unwahrscheinlich war.

1. Die genannten Vorschriften sind nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck auch auf Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR anwendbar, wenn die persönliche Haftung der Gesellschafter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen und ihre Haftung daher der von Kommanditisten vergleichbar ist. Der erkennende Senat hat mit Urteilen vom 17. Dezember 1992 IX R 150/89 und IX R 7/91 (BFHE 170, 506 und 497, BStBl II 1994, 490 und 492) ausgesprochen, daß diese Vorschriften verfassungsgemäß sind. Auch wenn gegen diese Regelung gewichtige Bedenken hinsichtlich ihrer Reichweite geltend gemacht werden (vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., 1993, 487 f.), ist der Senat an das - verfassungsgemäße - Gesetz gebunden. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob der Anwendungsbereich der Vorschriften aus rechts- oder wirtschaftspolitischen Gründen - etwa wegen der besonderen Verhältnisse in den neuen Bundesländern - eingeschränkt werden sollte. Diese Entscheidung hat allein der Gesetzgeber zu treffen. Der Senat hält sich zu einer einschränkenden Auslegung der Vorschriften um so weniger für berechtigt, als nach der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf (BTDrucks 8/3648, S. 16) Ausnahmen - außer nach § 15 a des Berlinförderungsgesetzes - ausdrücklich abgelehnt wurden, weil "jede weitere Ausnahmeregelung zu Berufungen führen würde".

2. Der Senat hat ferner entschieden, daß § 15 a Abs. 5 Nr. 2 Alternative 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht anzuwenden ist, wenn die Gesellschafter einer BGBGesellschaft - wie im Streitfall - persönlich für Schulden der Gesellschaft haften, wenn auch nur beschränkt auf einen Bruchteil der Gesamthandsschuld. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe der beiden Urteile Bezug genommen. Das FG ist danach zu Recht davon ausgegangen, daß die Haftung der Kläger im Streitfall nicht durch Vertrag ausgeschlossen war, wie es § 15 a Abs. 5 Nr. 2 Alternative 1 EStG voraussetzt.

3. Auch die Entscheidung des FG, die persönliche Inanspruchnahme der Kläger sei nach Art und Weise der Vermietungstätigkeit nicht unwahrscheinlich (§ 15 a Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 EStG), hält den Revisionsangriffen stand.

a) Der erkennende Senat hat in den beiden erwähnten Urteilen im einzelnen dargelegt, nach welchen Gesichtspunkten die Prognoseentscheidung über die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der Gesellschafter für Gesamthandsschulden zu treffen ist, insbesondere, daß dabei nicht nur auf die Verhältnisse am Ende des Feststellungszeitraums abzustellen, sondern auch die voraussehbare künftige Entwicklung einzubeziehen ist (Abschn. IV 3 des Urteils IX R 7/91). Das FG hat im Streitfall konkrete Umstände festgestellt, die eine persönliche Inanspruchnahme der Kläger für Schulden der Gesellschaft nicht unwahrscheinlich machen. Es hat u. a. hingewiesen auf die Höhe der Sollmieten und der Aufwendungen für Zinsen und Tilgung sowie auf die Höhe der Bewirtschaftungskosten und auf die Risiken, die sich aus einer frühzeitigen Beendigung der Mietverträge und der Belastung mit Grunderwerbsteuer für den Gesamtaufwand ergeben. Diese Tatsachenwürdigung des FG ist möglich und widerspricht weder den Denkgesetzen noch Erfahrungssätzen; sie ist deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Anm. 40, 41, m. w. N.).

b) Allerdings läßt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen, in welcher Höhe das Risiko bestand und insbesondere, ob dieses Risiko die Höhe der festgestellten Werbungskostenüberschüsse erreichte. Dieser Mangel nötigt indes nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung. Nach § 15 a Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 EStG ist die Abziehbarkeit negativer Einkünfte beschränkt, "soweit" die Inanspruchnahme für Schulden der Gesellschaft unwahrscheinlich ist. Für die erste Alternative dieser Vorschrift hat der Senat - allerdings für den Sonderfall der Haftungserweiterung auf schuldrechtlicher Grundlage - entschieden, daß die Werbungskostenüberschüsse nur insoweit sofort abziehbar sind, soweit die vertragliche Haftung betragsmäßig reicht (Urteil IX R 150/89, Abschn. II 3). Bei der entsprechenden Anwendung der zweiten Alternative des § 15 a Abs. 5 Nr. 2 EStG ist nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats eine Beschränkung auf den Betrag, in dessen Höhe der Haftende aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich in Anspruch genommen werden wird, dagegen nicht gerechtfertigt. Es genügt für die sofortige Abziehbarkeit der festgestellten negativen Einkünfte, daß das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme betragsgemäß im Verhältnis zu den als sofort abziehbar geltend gemachten Werbungskostenüberschüssen erheblich ist. Diese Auslegung entspricht dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Regelung verfolgt hat: Ein Verlustabzug soll dann nicht zulässig sein, wenn zwar zivilrechtlich eine Haftung besteht, diese aber nicht "mit einem wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Risiko" verbunden ist (BTDrucks 8/3648, S. 16 f.). Der Senat versteht diese Einschränkung dahin, daß ein dem Grunde und der Höhe nach erhebliches Risiko der Inanspruchnahme bestehen muß; er trägt dabei dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmbarkeit der Regelung Rechnung (ebenso vgl. Wolfgang Jakob in Festgabe für Günther Felix, S. 111, 145, Fußnote 112; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 15 a Anm. 77 am Ende; Friele, Die steuerliche Betriebsprüfung 1985, 73, 74; offengelassen von Meßmer, Betriebs-Berater, Beilage 1/1981 zu Heft 4/1981, S. 14).

Daß ein solches erhebliches Risiko für die Kläger bestand, hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt.