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  BFH-Urteil vom 3.8.1993 (VIII R 82/91) BStBl. 1994 II S. 561

1. Rückzahlungen von Gewinnanteilen aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft sind beim Gesellschafter als Einlage und nicht als negative Einnahmen oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln, wenn diese Rückzahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind.

2. Dies ist mindestens dann der Fall, wenn die Rückzahlungen der Gewinnanteile weder auf einer rechtlichen noch auf einer dieser vergleichbaren tatsächlichen Verpflichtung des Gesellschafters beruhen.

EStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1990, 315)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.

Der Kläger ist Gesellschafter der W-GmbH und der S-GmbH. Beide Gesellschaften schütteten für das Geschäftsjahr 1984 Gewinn aus. Der Kläger erhielt von der W-GmbH am 15. November 1984 eine Vorabausschüttung in Höhe von 1.512.548 DM und am 22. April 1985 eine weitere Gewinnausschüttung in Höhe von 378.137 DM. Die S-GmbH gewährte dem Kläger am 6. Mai 1985 eine Gewinnausschüttung in Höhe von 300.000 DM.

Im Geschäftsjahr 1984 erzielten beide Gesellschaften unerwartet hohe Verluste. Die Gläubigerbanken machten ihre weitere finanzielle Unterstützung davon abhängig, daß die Gesellschafter die für 1984 ausgeschütteten Gewinne an die Gesellschaften zurückzahlen. Daraufhin beschlossen am 9. August 1985 (W-GmbH) bzw. am 14. August 1985 (S-GmbH) die Gesellschafterversammlungen, die für das Geschäftsjahr 1984 erfolgten Gewinnausschüttungen rückgängig zu machen.

Am 15. August bzw. am 29. August 1985 beantragten die W-GmbH und die S-GmbH jeweils die Rückerstattung der abgeführten Kapitalertragsteuer. Das für die Veranlagung der W-GmbH zuständige Finanzamt A teilte mit Schreiben vom 12. September 1985 der Gesellschaft mit, daß die Kapitalertragsteuer nicht erstattet werden könne, da die Ausschüttungen mit der Gutschrift bei den Anteilseignern vollendet seien. Auf der Gesellschaftsebene sei die zurückgezahlte Bruttodividende als Einlage zu behandeln; auf der Gesellschafterebene seien die Gewinnausschüttungen im Jahr der Ausschüttung unter Anrechnung der Körperschaft- und der Kapitalertragsteuer als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen. Im Jahr der Rückzahlung der Bruttodividende habe "der Anteilseigner negative Einnahmen aus Kapitalvermögen, die mit positiven Einnahmen aller Art ausgeglichen werden" könnten. Hierfür seien die Wohnsitzfinanzämter zuständig.

Der Kläger machte die geleisteten Rückzahlungen in der Steuererklärung für das Streitjahr 1985 als negative Einnahmen bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem Antrag nicht, sondern sah die Rückzahlungen als Einlagen an.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 vom 11. November 1987 legte der Kläger erfolglos Einspruch ein. Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung, die auch an die Klägerin gerichtet war, hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Zur Begründung führt das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus, daß grundsätzlich die Rückzahlung von Kapitaleinnahmen zwar zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen führen könne. Negative Einnahmen setzten aber voraus, daß eine rechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Einnahmen bestehe, wohingegen eine tatsächliche Verpflichtung zur Rückzahlung nicht ausreiche (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1990, 315).

Mit der Revision machen die Kläger geltend, das FG habe die Vorschrift des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Januar 1977 I R 188/74 (BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847) und vom 6. März 1979 VIII R 26/78 (BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510) verkannt. Danach liege auch bei Bestehen einer tatsächlichen Verpflichtung zur Rückzahlung der Gewinnausschüttung eine negative Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen vor, wohingegen das FG nur eine rechtliche Verpflichtung für ausreichend angesehen habe. Aufgrund des Verlangens der Gläubigerbanken seien die Gesellschafter zur Rückgewähr der Gewinnausschüttungen tatsächlich verpflichtet gewesen. Das FG habe rechtsirrig die weitere Aufklärung zum Vorliegen der tatsächlichen Verpflichtung der Gesellschafter unterlassen.

Vor der Rückzahlung der Gewinnausschüttungen habe der Kläger zudem mit der Oberfinanzdirektion (OFD) und dem FA A Gespräche über die steuerliche Behandlung der Rückzahlung geführt. Die Finanzverwaltung sei aufgrund der von der OFD mündlich und dem FA A schriftlich erteilten Zusage nach Treu und Glauben an die Anerkennung der Rückzahlung als negative Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gebunden.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 1989 aufzuheben und die Einkommensteuer 1985 unter Berücksichtigung von 2.190.685 DM als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung, soweit diese Entscheidung gegen die Klägerin ergangen ist, im übrigen zur Abweisung der Klage der Klägerin.

a) Der Klageantrag der Klägerin ist soweit begründet, als sie im finanzgerichtlichen Verfahren die Aufhebung der auch gegen sie gerichteten Einspruchsentscheidung beantragt hat. Die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 1989 durfte nicht gegen die Klägerin ergehen, da sie keinen Einspruch eingelegt hatte. Der Einspruch vom 17. November 1987 ist lediglich vom Kläger eingelegt worden.

Auch wenn die Kläger ihre Einkommensteuererklärung gemeinsam abgegeben haben und deshalb grundsätzlich eine gegenseitige Bevollmächtigung der Ehegatten anzunehmen ist, die sich auf das gesamte Besteuerungsverfahren erstreckt (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208), ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Selbst wenn der Kläger bevollmächtigt war, auch für die Klägerin einen Rechtsbehelf einzulegen, ist für eine wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten für den anderen jedenfalls erforderlich, daß der das Rechtsmittel einlegende Ehegatte klar und unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß er den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten einlegt (BFH-Urteil vom 27. November 1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296). Daran fehlt es hier.

b) Im übrigen ist die Klage der Klägerin abzuweisen. Der Einkommensteuerbescheid 1985 vom 11. November 1987 ist der Klägerin gegenüber bestandskräftig geworden.

2. Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Rückzahlung der Gewinnausschüttungen als Einlagen und nicht als negative Einnahmen oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG angesehen.

a) Die bisherige Rechtsprechung des I. Senats in BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847, und des erkennenden Senats in BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510 hat dann keine Einlage des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen, sondern negative Einnahmen aus Kapitalvermögen angenommen, wenn der Gesellschafter rechtlich oder tatsächlich zur Rückzahlung von Gewinnanteilen verpflichtet war.

aa) Der Begriff "negative Einnahmen" nimmt auf den final formulierten Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Rücksicht und geht auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S (BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184) zurück. Es kann hier dahinstehen, ob am Institut der negativen Einnahmen auch weiterhin festzuhalten ist, nachdem die neuere BFH-Rechtsprechung den Werbungskostenbegriff durch Betonung des Veranlassungsprinzips weitgehend dem der Betriebsausgaben angenähert hat (vgl. BFH-Beschluß vom 11. August 1987 IX B 41/86, BFH/NV 1988, 232; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 9 EStG Anm. 80; Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Anm. B 725 ff.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 9 Anm. 2 m; Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 20 Anm. 7 b). Auch wenn es sich um Werbungskosten und nicht um negative Einnahmen handeln sollte, stellt sich jedenfalls die Frage ihrer Abgrenzung zur Einlage.

bb) Auf die Rechtsprechung in BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847, und in BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510 übertragen bedeutet dies, daß im Falle einer bestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Verpflichtung des Gesellschafters die Rückzahlung von Gewinnanteilen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis, sondern durch die auf Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen gerichtete Betätigung veranlaßt ist.

cc) Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann oder ob zurückgewährte Gewinnanteile stets als Einlagen in das Vermögen der Gesellschaft zu behandeln sind, ist nach der gefestigten neueren Rechtsprechung des I. Senats zweifelhaft (vgl. Urteile vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733; vom 14. März 1989 I R 105/88, BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741; vom 13. September 1989 I R 41/86, BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029; Beschluß vom 2. März 1988 I B 58/87, BFH/NV 1989, 460). Sowohl gesetzliche als auch auf einer Satzungsklausel beruhende Rückforderungsansprüche der Gesellschaft haben danach ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis unbeschadet dessen, ob es sich hierbei um die Rückzahlung offener oder verdeckter Gewinnausschüttungen handelt. Die genannten Entscheidungen betreffen die Besteuerung der Kapitalgesellschaft. Der BFH hat es in BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733 offengelassen, ob die Rückzahlung von Gewinnanteilen auch aus der Sicht des Gesellschafters als Einlage zu beurteilen sei.

dd) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob die neuere Rechtsprechung auch auf die Besteuerung des Gesellschafters anzuwenden ist (bejahend: Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 170 f.; ders. in Deutsches Steuerrecht - DStR - 1989, 331, 333; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Anm. C 42 und C 96; ders. in Handbuch der Unternehmensbesteuerung, Kap. G, Rz. 450 ff.; a. A. Scholtz, ebenda, Kap. E Rz. 227; ders. in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 20 Rz. 100 f.; Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 20 Anm. 7), oder ob die Rückgewähr einer Gewinnausschüttung auf der Gesellschaftsebene eine andere steuerliche Würdigung erfahren kann als auf der Gesellschafterebene. Auch nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung in BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847, und in BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510 ist im Streitfall jedenfalls von einer Einlage des Klägers auszugehen.

b) Eine rechtliche Verpflichtung des Klägers gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bzw. § 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zur Rückzahlung der von der W-GmbH gewährten Vorabausschüttung hat nicht bestanden.

aa) Der von der Gesellschafterversammlung gefaßte Vorabausschüttungsbeschluß ist ein Gewinnverteilungsbeschluß. Er schafft die Rechtsgrundlage für die Vorabausschüttung, die als vorweggenommene Gewinnauszahlung mindestens an den Vorbehalt geknüpft ist, daß nach Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres ein verwendbares Eigenkapital in entsprechender Höhe vorhanden ist bzw. die Vorabausschüttung das nach § 30 GmbHG geschützte Stammkapital nicht verletzt. Tritt diese Voraussetzung nicht ein, ist die empfangene Vorabausschüttung von den Gesellschaftern zurückzuzahlen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 31 GmbHG; vgl. Buyer in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Anh. zu § 27 Anm. 97; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 29 Anm. 61; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 29 Anm. 42).

bb) Dieser Vorbehalt, unter dem die Vorabausschüttung für das Wirtschaftsjahr 1984 jedenfalls stand, ist nicht wirksam geworden. Eine Rückzahlungsverpflichtung der Gesellschafter ist nicht entstanden, da die W-GmbH auch nach den im Jahre 1984 erlittenen Verlusten über erhebliche offene Rücklagen verfügte.

cc) Daß der Vorabausschüttungsbeschluß darüber hinaus unter dem Vorbehalt eines entsprechenden steuerlichen Jahresergebnisses gestanden habe, aus dem die Vorabausschüttung ausschließlich zu finanzieren sei, wurde weder vom FG festgestellt noch von den Beteiligten vorgetragen. Ein Verbot der Ausschüttung über den Reingewinn (Jahresgewinn) hinaus sieht das GmbHG nicht vor. Zahlungen an die Gesellschafter können deshalb, soweit wie hier kein entsprechender Vorbehalt wirksam wurde, auch aus anderen Teilen des Eigenkapitals, etwa aus den Rücklagen oder dem Gewinnvortrag, stammen (Gschwendtner, Betriebs-Berater - BB - 1978, 109, 111). Soweit sich bei der Aufstellung des Jahresabschlusses herausstellt, daß das voraussichtliche Ergebnis die Vorabausschüttungen nicht abdeckt, sind in Höhe der Vorabausschüttung freie Rücklagen aufzulösen. Erst wenn sich auf diesem Wege die ausschüttungsbedingte Unterdeckung nicht ausgleichen läßt, müssen die Gesellschafter ihre Vorabdividenden gemäß dem Verteilungsschlüssel zurückzahlen (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., § 29 Anm. 42; Gschwendtner, BB 1978, 113).

dd) Eine rechtliche Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der Vorabausschüttung sowie der weiteren Gewinnausschüttungen der W-GmbH und der S-GmbH wurde erst durch die Gesellschafterbeschlüsse vom 9. August bzw. 14. August 1985 begründet, nach denen die Ausschüttungen rückgängig zu machen waren. Diese Beschlüsse konnten jedoch nur mit Zustimmung aller Gesellschafter gefaßt werden, da durch die früheren Gewinnverteilungsbeschlüsse in Verbindung mit der Feststellung der Bilanzen für das Wirtschaftsjahr 1984 ein unentziehbarer Gläubigeranspruch der Gesellschafter entstanden war (BFH-Urteil in BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510, m. w. N.; Baumbach/Hueck, a. a. O., § 29 Anm. 49 f.). Die Gesellschafter waren rechtlich nicht verpflichtet, einem solchen Beschluß zuzustimmen.

c) Das FG hat die Klage im Ergebnis zutreffend auch im Hinblick auf eine tatsächliche Verpflichtung des Klägers für unbegründet gehalten. Zwar ist das FG, nachdem es das Vorliegen einer rechtlichen Verpflichtung zu Recht verneint hatte, in seiner Entscheidung entgegen der bisherigen Rechtsprechung in BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847, und in BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510 davon ausgegangen, daß eine tatsächliche Verpflichtung zur Rückzahlung allein nicht zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen bzw. zu Werbungskosten führen könne. Eine tatsächliche Verpflichtung im Sinne dieser Rechtsprechung hat im Streitfall jedoch nicht bestanden.

aa) Soweit bei der Prüfung des Veranlassungszusammenhangs der tatsächlichen Verpflichtung gegenüber der rechtlichen Verpflichtung eigenständige Bedeutung zukommt, muß diese tatsächliche Verpflichtung einer rechtlichen wenigstens angenähert sein. Die "rechtliche oder tatsächliche Verpflichtung" ist als ein Merkmal aufzufassen, das der steuerlichen Einordnung der Rückzahlungen und damit der Abgrenzung zwischen einkünftebezogener und gesellschaftsbezogener Veranlassung dient. Negative Einnahmen oder Werbungskosten sind in diesem Zusammenhang - wenn überhaupt, vgl. oben 2.a) cc) - nur denkbar, wenn die Rückzahlung der Gewinnausschüttungen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist.

bb) So verhält es sich jedoch im Streitfall. Zwar haben die Gläubigerbanken nach den Feststellungen des FG erheblichen Druck auf die Gesellschafter ausgeübt, das durch Verluste geschwächte Eigenkapital der Gesellschaften zu stärken. Der hierdurch entstandene tatsächliche Zwang erzeugte aber keine tatsächliche Verpflichtung zur Rückzahlung der vollzogenen Gewinnausschüttungen. Vielmehr waren die Gesellschafter auf Geheiß der Gläubigerbanken gehalten - auf welchem Wege auch immer -, dem Gesellschaftsvermögen mindestens so viel an Barmitteln zuzuführen, wie an die Gesellschafter im Verlustjahr ausgeschüttet worden war. Die Aufhebung der vollzogenen Gewinnverwendungsbeschlüsse, die nur mit der Zustimmung aller Gesellschafter möglich war, ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, da die Zuführung entsprechenden Eigenkapitals auch im Wege der Einlage möglich war.

d) Das FA war auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, die Rückzahlung der Gewinnausschüttungen als negative Einnahmen oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen.

Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben regelmäßig voraus, daß sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstehen (BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, m. w. N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 4 AO 1977 Anm. 60 b). Der Grundsatz von Treu und Glauben bindet danach nur den einzelnen Steuerpflichtigen und die in der zuständigen Behörde tätigen Personen.

Adressatin der vom FA A erteilten schriftlichen Auskunft war die W-GmbH. Das nach § 16 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) für die Veranlagung der Kläger allein zuständige FA hat keine Auskunft erteilt, auf die sich der Kläger berufen könnte.

Ergeben sich zwischen Kapitalgesellschaft, Anteilseigner und den zuständigen Finanzämtern Meinungsverschiedenheiten über die steuerliche Behandlung einzelner Vorgänge, so ist darüber in dem jeweiligen Besteuerungsverfahren selbständig zu entscheiden (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569).

Auch aus einer etwaigen von der OFD erteilten mündlichen Auskunft kann der Kläger für seine Rechtsposition nichts herleiten. Nach § 8 Abs. 1 FVG obliegt der OFD die Leitung der Finanzverwaltung in ihrem Bezirk, woraus eine Zuständigkeit für die unmittelbare Verwaltung von Steuern nicht zu entnehmen ist.

Darüber hinaus ist nicht erkennbar, daß eine etwaige mündliche Auskunft der OFD oder die - unzutreffende - schriftliche Auskunft des Finanzamts A für Dispositionen des Klägers ursächlich gewesen sein könnten. Jedenfalls ist dem Kläger aber kein Schaden entstanden, der nach dem Gerechtigkeits- und Billigkeitsgedanken auszugleichen wäre. Selbst wenn der Kläger nämlich die Gesellschafterbeschlüsse über die Rückzahlung der Gewinnausschüttungen nur im Vertrauen auf eine Zusage mitgetragen hätte, wovon im übrigen nach den Feststellungen des FG nicht auszugehen ist, hätte sich ihm ohne eine solche Zusage als Alternative zur Rückzahlung nur eine offene Einlage in das Gesellschaftsvermögen geboten.