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  BFH-Urteil vom 27.7.1993 (VIII R 72/90) BStBl. 1994 II S. 625

Ist eine OHG-Beteiligung aufgrund einer sog. qualifizierten Nachfolgeklausel unmittelbar und ausschließlich auf einen Miterben mit der Maßgabe übergegangen, daß er die übrigen Miterben insoweit abzufinden habe, so bilden ihm für diese - private - Wertausgleichsverbindlichkeit entstandene Schuldzinsen keine Sonderbetriebsausgaben (Anschluß u. a. an BFH-Urteile vom 26. März 1981 IV R 130/77, BFHE 133, 271, BStBl II 1981, 614, und vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512).

EStG § 4 Abs. 1 und 4, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

An der Brauerei A-OHG (OHG) waren bis 29. November 1974 der Vater der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) B und C als Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 31. Oktober 1960, zuletzt geändert am 20./22. Oktober 1969, wird die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters - oder beider Gesellschafter - nicht aufgelöst, sondern mit dem vom verstorbenen Gesellschafter benannten Abkömmling fortgesetzt. B hat gemäß § 14 Nr. 2 des Vertrags - an 1. Stelle - seine Tochter D, die Klägerin, als Nachfolgerin für seine Beteiligung mit dem Recht auf Fortsetzung der Gesellschaft bestimmt. Sie sollte unmittelbar aus diesem Vertrag das Recht zur Fortsetzung der Gesellschaft erwerben. Auf den durch noch zu treffende Verfügung von Todes wegen in Übereinstimmung mit dem vorstehenden Vertrag zugunsten Dritter ernannten Gesellschaftererben sollte der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters allein übergehen (§ 14 Nr. 4 des Vertrages). Ein Abfindungsanspruch der nicht fortsetzungsberechtigten Erben gegenüber der Gesellschaft wurde ausgeschlossen, jedoch die die Gesellschaft fortsetzende Erbin verpflichtet, den oder die übrigen Erben gemäß § 15 des Vertrags abzufinden. Danach ist beim Abfindungsguthaben von 150 v. H. des jeweiligen festen Kapitalkontos zuzüglich dem gleitenden Kapitalkonto auszugehen. Das Abfindungsguthaben ist mit 6 v. H. jährlich zu verzinsen. Dementsprechend ernannte B mit notariellem Erbvertrag vom 4. April 1970 die neben ihren Schwestern als Miterbin berufene Klägerin zur Gesellschaftererbin und wandte ihr vermächtnisweise das Recht zu, seine Kapitalbeteiligung und seine etwaigen gesamten Privatkonten (gleitenden Konten) an der OHG allein zu übernehmen und die übrigen Erben zu gleichen Teilen, mit je 1/4, abzufinden. Die Konten seien mit dem Buchwert der letzten Einkommensteuerbilanz zuzüglich des Gewinnanteils abzüglich der Entnahmen bis zum Tode des Erblassers anzusetzen und mit 6 v. H. zu verzinsen. Ferner hatte die Klägerin den Zins- und Tilgungsdienst von Verbindlichkeiten zu übernehmen, mit denen Privatgrundstücke belastet waren, die anderen Miterbinnen zufielen.

Nachdem B am 29. November 1974 verstorben war, hat die Klägerin entsprechend dem Gesellschaftsvertrag als vollhaftende Gesellschafterin dessen alleinige Rechtsnachfolge noch im Jahre 1974 angetreten. Die OHG behandelte die von der Klägerin wegen ihrer Abfindungs- und Darlehensverbindlichkeiten aufgewandten Schuldzinsen in den Streitjahren 1975 bis 1978 als Sonderbetriebsausgaben und verminderte außerbilanziell den Gewinnanteil der Klägerin in entsprechender Höhe. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem zunächst in jeweils unter Nachprüfungsvorbehalt ergangenen Bescheiden, versagte jedoch im nach Durchführung einer Außenprüfung ergangenen Sammeländerungsbescheid vom 8. Mai 1981 den Betriebsausgabenabzug.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt, nachdem es die inzwischen als KG firmierende Gesellschaft beigeladen hatte.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie macht u. a. geltend, ihre Ausgleichsverpflichtung entspreche der bei einer Erbauseinandersetzung, sei also nicht wie eine bloße Vermächtnisschuld anzusehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat die von der Klägerin entrichteten Schuldzinsen rechtsfehlerhaft als Sonderbetriebsausgaben beurteilt.

Sonderbetriebsausgaben setzen entsprechend der Definition der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen voraus, die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlaßt sind. Bei Schuldzinsen kommt ein Abzug als Sonderbetriebsausgaben in Betracht, wenn sie für eine zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Verbindlichkeit geleistet werden. Das ist bei der Finanzierung von Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter anzunehmen, die zur Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer genutzt werden sollen. Wie die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung seit dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) geklärt hat, führt die Erfüllung von Vermächtnissen als Erbfallschulden nicht zu Anschaffungskosten, weil es an einem entgeltlichen Erwerbsvorgang fehlt. Daher können Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Vermächtnissen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden (vgl. schon BFH-Urteil vom 15. Mai 1986 IV R 119/84, BFHE 146, 438, BStBl II 1986, 609, und Senatsurteil vom 14. April 1992 VIII R 6/87, BFHE 169, 511, BStBl II 1993, 275). Ferner hat der erkennende Senat mit Urteil vom 2. März 1993 VIII R 47/90 (BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619) entschieden, daß die Tilgung einer Pflichtteilsschuld nicht zu betrieblichen Anschaffungskosten führt, weil die Pflichtteilsverbindlichkeit eine private Schuld darstellt. Infolgedessen sind auch Schuldzinsen für die Stundung einer Pflichtteilsverbindlichkeit, die vom in eine KG eingetretenen Erben eines Kommanditanteils aufgewendet werden, nicht als Sonderbetriebsausgaben abziehbar. Die hiervon abweichende BFH-Rechtsprechung ist durch die Entscheidungen des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) und in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 überholt.

Die in diesem Senatsurteil ausgesprochenen Grundsätze kommen gleichermaßen für die vorliegende Fallgestaltung zum Tragen. Denn auch der Klägerin sind keine Anschaffungskosten dadurch entstanden, daß sie im Zusammenhang mit ihrer Sondererbfolge in die OHGBeteiligung erbrechtlich zum Wertausgleich gegenüber ihren Miterbinnen verpflichtet war.

Nach dem Senatsurteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84 (BFHE 166, 431, 437, BStBl II 1992, 512, 514, Ziff. II.2.b der Gründe) geht der Gesellschaftsanteil im Falle der sog. qualifizierten Nachfolgeklausel im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar und in vollem Umfang auf den Begünstigten über, ohne daß die anderen Erben oder die Erbengemeinschaft Mitunternehmer des Betriebs werden. Dieser Erwerb ist unentgeltlich, so daß der die Gesellschaftsbeteiligung übernehmende Erbe die Buchwerte fortzuführen hat (§ 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -). Es handelt sich entgegen der Vorentscheidung und der Ansicht der Klägerin um keinen Fall einer entgeltlichen Erbauseinandersetzung; denn die Abfindung dient nicht dem Erwerb einer zusätzlichen Beteiligung. Der Vorgang ist auch einer Erbauseinandersetzung nicht gleichzuerachten. An dieser Auffassung hält der Senat im Einklang mit der herrschenden Meinung im Schrifttum fest (ebenso L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 16 Anm. 131 m. w. N., und Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 16 EStG Rdnr. 234; a. A. Groh, Der Betrieb - DB - 1990, 2135, 2140, und DB 1991, 724, 726 sowie DB 1992, 1312, 1315; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. B 122).

Dieselbe einkommensteuerrechtliche Beurteilung greift Platz, wenn der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Eintrittsklausel enthält, nach der nur einer von mehreren Miterben zum Eintritt in die Gesellschaft und zur vollständigen Übernahme der Beteiligung des verstorbenen Gesellschafters berechtigt ist. Macht der durch eine solche Eintrittsklausel begünstigte Miterbe von seinem Eintrittsrecht alsbald Gebrauch, so gilt nichts anderes als für den Fall der qualifizierten Nachfolgeklausel (BFH-Urteil vom 26. März 1981 IV R 130/77, BFHE 133, 271, BStBl II 1981, 614, Ziff. 4 der Gründe; ebenso Bundesminister der Finanzen - BMF -, Schreiben vom 11. Januar 1993 IV B 2 - S 2242 - 86/92, BStBl I 1993, 62, Tz. 79 Satz 4 i. V. m. Tz. 83).

Allerdings wird im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten, daß bei Vereinbarung einer Eintrittsklausel mit der im Zivilrecht herrschenden Meinung kein Erwerb kraft Erbrechts, sondern aufgrund Vertrags zugunsten Dritter vorliege (so Groh, DB 1990, 2135, 2140; Hörger, a. a. O., § 16 EStG Rdnr. 236, und Wacker/Franz, Beil. 5 zu Betriebs-Berater - BB - 1993 Heft 8, 26 m. w. N.). Im vorliegenden Fall erübrigt sich eine Entscheidung dieser Frage. Zwar bestehen Bedenken gegen das FG-Urteil insoweit, als es ohne weiteres vom Vorliegen einer qualifizierten Nachfolgeklausel ausgeht, obwohl der Gesellschaftsvertrag nach seinem Wortlaut eine Eintrittsklausel und der Erbvertrag ein Vorausvermächtnis enthalten könnte. Jedoch tritt der Senat dem FG deshalb bei, weil diese Vereinbarungen nach ihrem Zweck im Sinne einer Nachfolgeklausel auszulegen sind, die den Gesellschaftsanteil vererblich stellen sollten. Wie bereits der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 10. Februar 1977 II ZR 120/75 (BGHZ 68, 225, 231, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1977, 1339) ausgesprochen hat, ermöglicht eine solche Auslegung den von den Beteiligten erstrebten sofortigen Anteilsübergang und beugt der Gefahr eines planwidrigen Kapitalabflusses vor; der Wortlaut der Vereinbarungen ist demgegenüber unerheblich (herrschende Meinung, vgl. P. Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 727 Tz. 42 f., und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 V 5, 1108 f. m. w. N.).

Hiermit steht die tatsächliche Handhabung der Vereinbarungen durch die Beteiligten im Einklang. Die Klägerin ist unmittelbar nach dem Tod des B in dessen Mitunternehmerstellung eingetreten, so daß ihr ab diesem Zeitpunkt auch die laufenden Einkünfte - jedenfalls als wirtschaftliche Eigentümerin - zuzurechnen waren (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1991 VIII R 349/83, BFHE 166, 124, BStBl II 1992, 330). Ihr sind denn auch die Einkünfte durch die Betriebsprüfung ab 30. November 1974 zugerechnet worden.

Die der Klägerin obliegende Wertausgleichsverbindlichkeit gegenüber ihren Miterbinnen ist eine Privatschuld, die ebensowenig wie eine Vermächtnis- oder Pflichtteilsverbindlichkeit ganz oder teilweise zum Sonderbetriebsvermögen gezogen werden kann. Soweit die BFH-Urteile vom 19. Mai 1983 IV R 138/79 (BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380), vom 2. April 1987 IV R 92/85 (BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621), vom 28. April 1989 III R 4/87 (BFHE 156, 497, BStBl II 1989, 618) und vom 17. April 1985 I R 101/81 (BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510) zur Pflichtteilsschuld anders entschieden haben, sind sie durch die genannten Entscheidungen des Großen Senats des BFH überholt. Für die im Schrifttum vertretene These (insbesondere L. Schmidt, a. a. O., § 1 Anm. 120 d, 130 a, 131), daß eine erfolgsneutrale Einbuchung ins Betriebsvermögen möglich sei, fehlt es nach Ansicht des Senats an einer gesetzlichen Grundlage.

Mithin sind die von der Klägerin für den Kredit zur Abfindung der Miterbinnen aufgewandten Schuldzinsen keine Sonderbetriebsausgaben. Auch soweit die Klägerin Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten zu entrichten hatte, die an den Miterbinnen vermachten Privatgrundstücken dinglich gesichert waren, entfällt ein Abzug als Sonderbetriebsausgaben. Denn es handelt sich insoweit lediglich um einen Bestandteil der privaten Wertausgleichsschuld. Wenn nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 332, 348 f., BStBl II 1990, 837, 845 (Ziff. C.II.2. a und 3. der Gründe) von einem Miterben übernommene Privatschulden zu Betriebsschulden werden können, so betrifft dies eine wesentlich anders gelagerte Fallgestaltung, nämlich eine Modalität der entgeltlichen Erbauseinandersetzung (vgl. auch das vom Großen Senat, a. a. O. in Bezug genommene BFH-Urteil vom 6. Februar 1987 III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl II 1987, 423). Diese ist hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht gegeben.

Das mit vorstehenden Ausführungen unvereinbare FG-Urteil kann keinen Bestand haben. Da die Sache spruchreif ist, war die Klage abzuweisen.