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  BFH-Urteil vom 16.11.1993 (VIII R 33/92) BStBl. 1994 II S. 632

Zinsen aus kapitalersetzenden Darlehen gelten beim beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft so lange nicht als zugeflossen, als der Gesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.

EStG 1981 §§ 11 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 8.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1982 als beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer an mehreren GmbH beteiligt, u. a. auch mit 80 v. H. an der T-GmbH (GmbH), der er seit 1979 Darlehen gewährt hat, um den von ihr erwirtschafteten Verlust abzudecken und - i. V. m. einem vereinbarten Rangrücktritt - dadurch einen Konkurs zu vermeiden.

Die zur Vermeidung der Überschuldung erforderlichen weiteren Geldmittel erhielt die GmbH von den anderen vom Kläger beherrschten Gesellschaften. Der Kläger führte diese Gesellschaften in der Weise, daß jede Gesellschaft, die nach mehrjährigen Bilanzverlusten eine Unterbilanz auswies, nach Maßgabe ihrer jeweiligen finanziellen Bedürfnisse beim Kläger oder bei anderen Gesellschaften Kredite aufnahm.

Die vom Kläger gewährten Darlehen sollten verzinst werden. Wegen der jeweils zum Jahresende fälligen Darlehenszinsen erteilte ihm die GmbH jährlich "Steuerbescheinigungen zur Vorlage beim zuständigen Finanzamt zur Durchführung der Veranlagung". Die Zinsen wurden jährlich den Darlehen zugeschlagen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erhielt von diesem Sachverhalt im Jahre 1986 durch verschiedene Kontrollmitteilungen und im Jahre 1987 durch ein bestätigendes Schreiben des Steuerberaters des Klägers Kenntnis. Demgemäß erfaßte das FA die bei der GmbH passivierten Zinsbeträge beim Kläger als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und erließ u. a. auch für das Streitjahr 1982 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid. Gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1982 war ein Klageverfahren anhängig. Der Änderungsbescheid wurde gemäß § 68 FGO Gegenstand dieses Verfahrens. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und in Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1982 vom 27. September 1989 die Einkommensteuer 1982 ohne Berücksichtigung von Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.276 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Darlehenszinsen sind dem Kläger nicht bereits im Streitjahr als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeflossen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 Abs. 1 Nr. 8, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 EStG 1981).

1. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, daß sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Unter besonderen Umständen genügt auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. a, und vom 2. März 1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, 52, BStBl II 1993, 602). Beides liegt hier nicht vor.

2. Der Kläger konnte auch nicht deshalb über die Zinsbeträge verfügen, weil er beherrschender Gesellschafter der GmbH war und es deshalb in der Hand hatte, sich fällige Beträge auszahlen zu lassen (s. dazu BFH in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. b der Gründe, m. w. N.). Selbst wenn man mit dem FG davon ausgeht, daß die Zinsforderung nicht wertlos und der Zufluß nicht schon aus diesem Grunde auszuschließen war (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224), setzte diese Annahme nicht nur voraus, daß die Gesellschaft hinreichende Geldmittel hatte oder sich diese beschaffen konnte, sondern - wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480 ausgeführt hat - auch, daß eine eindeutige und unbestrittene Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft vorliegt und diese fällig ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Mai 1989 I R 159/85, BFH/NV 1990, 635, unter 5. der Gründe).

Daran fehlt es im Streitfall. Die GmbH war überschuldet; zumindest aber war - unter Berücksichtigung des vorgetragenen Rangrücktritts - das Stammkapital durch die Aktiva nicht mehr gedeckt. Damit liegen die Voraussetzungen des § 30 des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vor. Ob das dazu führt, daß die Fälligkeit der Zinsschuld hinausgeschoben wird (vgl. - für Gewinnausschüttungen - BFH-Urteil vom 21. Oktober 1981 I R 230/78, BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139), kann hier offenbleiben. Der GmbH steht insoweit jedenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht zu (vgl. BFH-Urteile vom 5. Februar 1992 I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532, und vom 5. Februar 1992 I R 79/89, BFH/NV 1992, 629, sowie Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., 1988, § 30 Rdnr. 21, m. w. N.). Auch ein Leistungsverweigerungsrecht schließt die Annahme eines Zuflusses wegen bestehender wirtschaftlicher Verfügungsmöglichkeit über die Zinsbeträge aus.

Anhaltspunkte für einen Zufluß der Zinsen kraft Vereinbarung enthält der vom FG festgestellte Sachverhalt nicht.