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  BFH-Urteil vom 3.8.1993 (VIII R 40/92) BStBl. 1994 II S. 664

Bei einem Kontokorrentverhältnis oder einem kontokorrentähnlichen Verhältnis ist ein Kredit bei nachweisbarer Beziehung zu den laufenden Geschäften nicht als Dauerschuld anzusehen. Zum Nachweis dieser Beziehung im Kfz-Handel.

GewStG §§ 8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb bis zum 31. Dezember 1980 eine Kfz-Werkstatt und einen Kfz-Handel. Ab 1. Januar 1981 wurde der Betrieb im Rahmen einer Betriebsaufspaltung von einer GmbH fortgeführt. Die Klägerin ist Besitzunternehmerin.

Die Klägerin finanzierte ihren Handel mit Neuwagen ab September 1978 über eine Sparkasse, die ihr zu diesem Zweck einen Kredit bis zu einem Höchstbetrag von 1,5 Mio. DM einräumte. In diesem Rahmen sollte jeweils das einzelne Kfz finanziert und der Kredit nach Vereinnahmung des Kaufpreises unverzüglich zurückgezahlt werden.

Der Kredit wurde in der Weise abgewickelt, daß die beim Ankauf des jeweiligen Kfz entstandene Kaufpreisforderung von der Herstellerfirma im Lastschriftverfahren eingezogen wurde. Die jeweilige Lastschrift wies unter Bezugnahme auf die Fahrgestellnummer den Kaufpreis des Kfz aus. Bei Verkauf des Kfz reichte die Klägerin bei der Sparkasse einen Scheck in Höhe des Einkaufspreises ein; auf dem Scheck war die Fahrgestellnummer des veräußerten Kfz vermerkt.

Die Sparkasse erstellte Kontoauszüge in laufender Rechnung, auf denen nur der jeweilige Saldobetrag angegeben war. Das Konto wies in den Jahren 1979 und 1980 ständig Kontokorrentschulden aus. Der Mindestkredit betrug im Jahre 1979 548.947 DM und im Jahre 1980 1.264.561 DM, die Zinsen betrugen 29.643 DM (1979) und 121.714 DM (1980).

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) diese Beträge dem Gewerbekapital bzw. dem Gewerbeertrag als Dauerschulden bzw. Dauerschuldzinsen hinzu und erließ für die Streitjahre 1979, 1980 und 1981 entsprechend geänderte Gewerbesteuermeßbescheide. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§§ 8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheide 1979, 1980 und 1981 vom 9. März 1987 bzw. 24. Juni 1985, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 1987, die Gewerbesteuermeßbeträge mit 17.076 DM (1979), 10.366 DM (1980) und 1.452 DM (1981) festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Es liegen weder Dauerschulden noch Dauerschuldzinsen vor (§§ 8 Nr. 1, 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG).

1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden in vollem Umfang wieder hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen - erste Tatbestandsgruppe - oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen - zweite Tatbestandsgruppe -. Die Verbindlichkeiten, für die die bezeichneten Schuldzinsen zu zahlen sind, sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Gewerbebetriebs wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind.

2. Eine Hinzurechnung nach der ersten Tatbestandsgruppe scheidet schon deshalb aus, weil die erworbenen und weiterveräußerten Kfz nicht zum Anlagevermögen der KG gehörten (zu dieser Voraussetzung vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1983 VIII R 179/83, BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213, und vom 7. August 1990 VIII R 423/83, BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23).

Dem Vortrag des FA im Revisionsverfahren, daß außer den zum Umlaufvermögen gehörenden Kfz auch die zum Anlagevermögen gehörenden Vorführwagen im Rahmen dieses Kredits fremdfinanziert worden seien, kann der Senat als neuen tatsächlichen Vortrag mangels einer hinreichenden Verfahrensrüge nicht berücksichtigen (zu den Voraussetzungen einer Gegenrüge vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Anm. 42 m. w. N.).

3. Es kommt aber auch eine Hinzurechnung nach der zweiten Tatbestandsgruppe nicht in Betracht.

a) Ein Kredit hat nur dann Dauerschuldcharakter, wenn die Valuta zur Beschaffung des eigentlichen Dauerkapitals dient, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß. Demzufolge sind vorübergehende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr des Unternehmens regelmäßig eingegangen und aus den laufenden Geschäftseinnahmen abgedeckt zu werden pflegen, keine Dauerschulden, sondern laufende Schulden, die nicht dem Gewerbekapital und deren Zinsen nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH in BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23, und vom 31. Januar 1991 IV R 84/89, BFH/NV 1991, 821).

Zu den laufenden Schulden gehört auch ein Kredit, den ein Unternehmer zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und der aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen ist. Denn ein solcher Kredit kann infolge seiner Objektgebundenheit nicht als Dauerkapital dienen, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 18. April 1991 IV R 6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584, und in BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23). Eindeutig mit dem laufenden Geschäftsverkehr zusammenhängende Verbindlichkeiten sind auch nicht bereits deshalb Dauerschulden, weil ihre Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt (BFH-Urteile vom 7. August 1990 VIII R 6/90, BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246, und vom 12. September 1990 I R 107/87, BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, m. w. N.).

b) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die einzelnen Kredite in ein Kontokorrentverhältnis eingestellt werden. Bei einem Kontokorrentverhältnis oder einem kontokorrentähnlichen Verhältnis ist ein Kredit bei nachweisbarer Beziehung zu den laufenden Geschäften nicht als Dauerschuld anzusehen (BFH-Urteile vom 23. Februar 1967 IV 344/65, BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322; vom 8. Februar 1984 I R 15/80, BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379; in BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, unter 5 c; vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081, unter 3 b, und vom 7. August 1990 VIII R 40/87, BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077, unter 2 a).

4. Dieser Nachweis ist hier erbracht.

a) Die Auflösung eines einheitlich gewährten Kredits in einzelne, steuerlich für sich zu beurteilende Kreditgeschäfte ist nach ständiger Rechtsprechung nur zulässig, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kreditgewährungen, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung festgestellt werden kann (BFH in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246, unter 2, m. w. N.). Der Zusammenhang muß von den Beteiligten vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Geschäfts auch tatsächlich gewahrt werden.

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

- Der wirtschaftliche Zusammenhang bestand schon bei Aufnahme des Kredits. Dessen Höhe war im Rahmen des Höchstbetrages von den jeweils zum Ankauf des Kfz erforderlichen Mitteln abhängig. Entsprechend wurden auch die Zinsen nur von dem jeweils in Anspruch genommenen Betrag berechnet.

- Der wirtschaftliche Zusammenhang bestand auch während des Kreditverhältnisses. Eine Verwendung der Kreditmittel zu anderen Zwecken war infolge ihrer ausschließlichen Objektgebundenheit nicht möglich. Insoweit unterscheidet sich der hier gewährte Kredit von dem Globalkredit, den der erkennende Senat in seiner Entscheidung in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246 zu beurteilen hatte.

- Der wirtschaftliche Zusammenhang bestand schließlich auch bei der Abwicklung des Kredits. Die Rechtsprechung hat einen solchen Zusammenhang stets dann angenommen, wenn die Erlöse aus den kreditfinanzierten Geschäften zur Abdeckung des Kredits zu verwenden sind (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BFHE 149, 248, 252, BStBl II 1987, 443; in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246, und in BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584, m. w. N.). Das ist hier durch die Zahlung unter Angabe der Fahrgestellnummer der Kfz gewährleistet. Damit kann der Rückzahlungsbetrag dem einzelnen Kreditgeschäft zugerechnet und der Kredit mit dem für dieses Geschäft aufgenommenen Betrag zurückgeführt werden.

Der enge wirtschaftliche Zusammenhang wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Klägerin den Einzelkredit vereinbarungsgemäß durch Scheck getilgt hat. Es ist nicht erforderlich, daß der Gläubiger des Kredits die Forderung selbst einziehen kann. Es genügt eine vertragliche Verpflichtung des Kreditschuldners, die eingehenden Zahlungen aus den Kfz-Verkäufen unmittelbar zur Abdeckung des Kredits zu verwenden (vgl. etwa BFH in BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322; in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246; in BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081). Eine solche Auflage durch die Sparkasse lag hier vor und wurde auch tatsächlich durchgeführt.