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  BFH-Urteil vom 8.6.1993 (VII R 125/92) BStBl. 1994 II S. 665

Das in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG als eine (alternative) Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung geforderte abgeschlossene rechtswissenschaftliche Studium muß nicht notwendig an einer deutschen Universität durchgeführt worden oder dem Studium des deutschen Rechts gewidmet gewesen sein. Es ist ausreichend, wenn ein abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium an einer ausländischen Universität nachgewiesen wird und festgestellt werden kann, daß dieses Studium seinem wissenschaftlichen Inhalt und seiner Intensität nach vergleichbare systematisch-rechtswissenschaftliche Befähigungen wie ein in Deutschland abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium vermittelt.

FGO § 33 Abs. 1 Nr. 3, § 40; DRiG §§ 5, 5 a; StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 3 und 4, § 37 a; DVStB § 7.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb nach Studien an der Universität des Oranje-Freistaats, Blomfontein (Südafrika), vom Februar 1977 bis November 1979 und vom Februar 1980 bis November 1981 die akademischen Grade eines Baccalaureus Juris (B Juris) und eines Baccalaureus Legum (LL.B.) und nach einem weiteren Studium an der Universität Virginia (USA) vom August 1984 bis Mai 1985 den Grad eines Magister Legum (LL.M.). Von April 1986 bis Juli 1987 studierte sie drei Semester an der Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg (Grundrechtstheorie, Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie). Im Dezember 1988 beendete sie ihre Doktorarbeit auf den Gebieten Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie an der University of South Africa, Pretoria, und erwarb 1989 den Doktorgrad (LL.D.). Vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes .... wurde ihr die Genehmigung erteilt, die an der University of South Africa und der University of Virginia erworbenen Grade in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) unter Hinweis auf die jeweilige Verleihungsuniversität zu führen.

Das Ministerium für Justiz .... teilte der Klägerin mit, daß die Befähigung zum Richteramt, die in der Bundesrepublik Voraussetzung für den Zugang zu den volljuristischen Berufen sei, durch eine nicht im Geltungsbereich des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) abgelegte juristische Prüfung nicht erworben werde. Solche Prüfungen könnten grundsätzlich auch nicht als der Ersten oder Zweiten juristischen Staatsprüfung gleichwertig anerkannt werden.

Auf eine entsprechende Anfrage teilte der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) der Klägerin die vom Zulassungsausschuß ergangene verbindliche Auskunft mit, daß die Studien in Südafrika und in den USA nicht als rechtswissenschaftliches Studium i. S. von § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anzuerkennen seien; die Vorschrift setze voraus, daß es sich um ein rechtswissenschaftliches Studium deutschen Rechts handele.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob die verbindliche Auskunft des bei dem Beklagten gebildeten Zulassungsausschusses, bekanntgegeben durch den Bescheid des Beklagten, aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 180 veröffentlichten Gründen auf.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er macht u. a. geltend, nach der in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG vom Gesetzgeber getroffenen Begriffswahl ("Universität", "Fachhochschule" und "Abschlußprüfung im steuer- oder wirtschaftsberatenden oder einem kaufmännischen Ausbildungsberuf") sei der Begriff "Universität" ausschließlich im Sinne des deutschen Rechts anzuwenden. Es sei nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber sämtliche Abschlüsse an Universitäten außerhalb der Bundesrepublik als Vorbildungsvoraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung habe anerkennen wollen. Hätte er dies tun wollen, dann wäre dies ausdrücklich in § 36 StBerG geregelt worden. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber die praktische Tätigkeit ausdrücklich nur anerkenne, wenn sie auf dem Gebiet der von Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern stattgefunden habe, könne man nicht schließen, daß das Studium auch an einer ausländischen Universität stattfinden könne. Auch der Hinweis des FG auf §§ 5, 5 a DRiG könne dessen Auffassung nicht stützen, denn auch die dort verwendeten Begriffe "rechtswissenschaftliches Studium", "Universität" und "Erste Staatsprüfung" seien ebenfalls Begriffe aus der deutschen Rechtssystematik. Nur weil der Gesetzgeber die (teilweise) Anrechnung eines an einer ausländischen Universität durchgeführten Studiums gewollt habe, sei die ausdrückliche Regelung in § 5 a DRiG erforderlich gewesen.

Aus den in der Vorentscheidung genannten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH), die darauf abstellten, daß die Vorbildungsvoraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nur das Vorhandensein einer systematisch-wissenschaftlichen Ausbildung des Zulassungsbewerbers sicherstellen solle, lasse sich nicht entnehmen, daß diese Ausbildung auch an einer ausländischen Universität erworben werden könne, denn in den entschiedenen Fällen sei es nur um die an deutschen Einrichtungen erworbene Ausbildung gegangen. Die Entscheidungen könnten nicht ohne weiteres auf ausländische Studiengänge übertragen werden. Die abweichende Praxis des Zulassungsausschusses hinsichtlich der Anerkennung ausländischer wirtschaftswissenschaftlicher Studien als Zugangsvoraussetzung sei für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Der Beklagte halte die vom Zulassungsausschuß insoweit vertretene Auffassung nicht für mit dem StBerG vereinbar.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, daß das in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG als eine (alternative) Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung geforderte abgeschlossene rechtswissenschaftliche Studium weder an einer deutschen Universität durchgeführt noch dem Studium des deutschen Rechts gewidmet gewesen sein muß.

1. Die vom Zulassungsausschuß nach § 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) erteilte und der Klägerin vom Beklagten mitgeteilte verbindliche Auskunft kann gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 40 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Anfechtungsklage angefochten werden.

2. Die Auskunft verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), weil die Auskunft zu Unrecht davon ausgeht, daß § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ein rechtswissenschaftliches Studium deutschen Rechts verlangt.

a) Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, daß der Wortlaut der Vorschrift keinen Hinweis darauf gibt, daß der Gesetzgeber mit den in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG genannten Studiengängen nur solche an deutschen Universitäten gemeint hat. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des FG an.

Aus den Begriffen "rechtswissenschaftliches Studium", "Universitätsstudium" oder "Fachhochschulstudium" läßt sich - auch im Zusammenhang mit den sonst verwendeten Begriffen - nicht entnehmen, daß die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG speziell auf deutsche Verhältnisse abstellt und deshalb nur in der Bundesrepublik durchgeführte Studien gemeint sein können. Es ist zwar richtig, daß diese Begriffe nach deutschem Recht bestimmte Bildungswege mit bestimmter fachlich-wissenschaftlicher Qualifikation beschreiben. Damit ist aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß diese Bildungswege nur an Einrichtungen in der Bundesrepublik beschritten werden könnten. Sie sind vielmehr grundsätzlich auch an vergleichbaren Einrichtungen im Ausland möglich. Soweit der Gesetzgeber bei der Formulierung von Zulassungsvoraussetzungen die Möglichkeit, ein Studium grundsätzlich auch im Ausland abzuleisten, ausschließen oder beschränken wollte, hat er das in den betreffenden Vorschriften ausdrücklich geregelt. Dies ergibt sich insbesondere aus den vom FG zum Vergleich herangezogenen Vorschriften des DRiG. Denn aus der Systematik dieses Gesetzes folgt insoweit, daß § 5 a Abs. 1 Satz 2 DRiG nicht als Ausnahme von einer Voraussetzung, wonach das Rechtsstudium grundsätzlich im Inland durchzuführen ist, sondern vielmehr als Einschränkung der nach § 5 DRiG gegebenen Möglichkeit, das Studium grundsätzlich auch im Ausland durchzuführen, zu verstehen ist. Auch aus der Formulierung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Bundesärzteordnung (BGBl I 1987, 1219) läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber den Begriff "Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule" ohne weiteren Zusatz dahin verstanden wissen will, daß das Studium grundsätzlich auch im Ausland stattfinden kann. Denn sonst wäre die dort weiter festgelegte Voraussetzung, daß die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich des Gesetzes bestanden sein muß, überflüssig.

Auch aus einem Vergleich des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG (entspricht insoweit § 5 StBerG 1961 - BGBl I 1961, 1301 -) mit dem die Zulassungsvoraussetzungen für Steuerberater davor, bis zu seiner Ablösung durch entsprechende Vorschriften der Länder, regelnden Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 18. Februar 1941 (RStBl 1941, 143) ergibt sich, daß § 36 Abs. 1 Satz 1 nicht das Rechtsstudium an einer deutschen Universität verlangt. Während nämlich Abschnitt II Nr. 1 Buchst. a des genannten Erlasses ausdrücklich vorschrieb, daß der zukünftige Steuerberater ein Rechtsstudium im Inland betrieben und eine staatliche oder akademische Fachprüfung abgelegt haben muß, enthält § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG keine ausdrückliche Festlegung auf ein Inlandsstudium. In Kenntnis dieses Erlasses hätte es aber für den Gesetzgeber naheliegen müssen, hierüber eine ausdrückliche Regelung in das StBerG aufzunehmen, wenn er nur ein im Inland durchgeführtes Rechtsstudium als Voraussetzung für die Prüfungszulassung hätte anerkennen wollen. Dies liegt um so näher, als selbst nach § 5 a DRiG ein teilweise im Ausland durchgeführtes Rechtsstudium als eine der Voraussetzungen für die Befähigung zum Richteramt anerkannt wird.

Aus § 36 Abs. 3 und 4 StBerG über die Voraussetzungen für die Zulassung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ergibt sich nichts Gegenteiliges. Insbesondere läßt sich daraus, daß für diese Personen eine besondere Regelung getroffen werden mußte, nicht schließen, ohne eine solche Regelung hätten u. a. die von ihnen im Ausland abgeschlossenen rechtswissenschaftlichen Studien nicht anerkannt werden können. Denn die genannten Vorschriften regeln nicht die Zulassungsvoraussetzungen für eine Steuerberaterprüfung. Sie regeln vielmehr insgesamt die Voraussetzungen für die Zulassung als Steuerberater abweichend von den für sonstige Bewerber geltenden Vorschriften.

b) Der in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG verwendete Begriff "rechtswissenschaftliches Studium" verlangt ferner nicht, daß sich das Studium speziell mit dem Studium der deutschen Rechtsordnung hätte befassen müssen, um als Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung anerkannt werden zu können. Wie oben (Buchst. a) bereits ausgeführt, könnte davon nur ausgegangen werden, wenn der Gesetzgeber dazu eine ausdrückliche einschränkende Regelung getroffen hätte, wie er dies z. B. in § 5 a Abs. 2 DRiG getan hat, indem er einen Fächerkanon festgelegt hat, mit dem sich der Bewerber während des Studiums befassen muß.

Die durch ein Studium gerade des deutschen Rechts erworbenen Rechtskenntnisse können aber auch deshalb nicht entscheidend für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung sein, weil außer einem abgeschlossenen Rechtsstudium auch ein abgeschlossenes wirtschaftswissenschaftliches oder ein Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung ausreicht und die für den Steuerberater erforderlichen Kenntnisse des deutschen Rechts erst in der Steuerberaterprüfung nachgewiesen werden müssen (§ 37 a Abs. 3 StBerG). Außerdem zeigt die in § 36 Abs. 3 und 4 StBerG getroffene Regelung, daß die in einem deutschen Rechtsstudium erworbenen Kenntnisse des deutschen Rechts nicht unerläßlich für die Ausübung der Tätigkeit eines Steuerberaters in der Bundesrepublik sind, sondern daß auch die in einem anderen Rechtskreis erworbenen Fähigkeiten in der wissenschaftlichen Durchdringung rechtlicher Materien die sinnvolle Ausübung der Tätigkeit eines Steuerberaters in der Bundesrepublik ermöglichen.

c) Die Voraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG hinsichtlich eines abgeschlossenen rechtswissenschaftlichen Studiums ist somit grundsätzlich auch dann erfüllt, wenn der Abschluß eines rechtswissenschaftlichen Studiums an einer ausländischen Einrichtung nachgewiesen wird (vgl. auch Gehre, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl., § 36 Rz. 5; Foerster in Der Betrieb, Beilage Nr. 11/84 S. 3). Voraussetzung ist nur, daß es sich um ein rechtswissenschaftliches Studium handelt, das seinem wissenschaftlichen Inhalt und seiner Intensität nach vergleichbare systematisch-rechtswissenschaftliche Befähigungen wie ein in der Bundesrepublik abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium vermittelt, ohne daß es dabei auf spezielle Kenntnisse des deutschen Rechts ankommen darf. Die Vergleichbarkeit des an einer ausländischen Universität erworbenen Abschlusses im einzelnen festzustellen, ist ggf. Aufgabe des Zulassungsausschusses, der sich dabei des sachverständigen Rates z. B. der Justizministerien oder der Kultusministerkonferenz zu bedienen hat. Die bisher vorliegende Auskunft des Ministeriums für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Baden-Württemberg besagt dazu nichts, weil sie sich nur mit der Frage befaßt, inwieweit die Abschlüsse der Klägerin als mit der für die Befähigung zum Richteramt erforderlichen Ersten und Zweiten Staatsprüfung gleichwertig anerkannt werden können.

d) Diese Auslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG entspricht auch allein dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat. Als eine der alternativen Zulassungsvoraussetzungen soll das abgeschlossene rechtswissenschaftliche Universitätsstudium nur gewährleisten, daß der Bewerber gelernt hat, sich systematisch-wissenschaftlich mit schwierigen Problemen auseinanderzusetzen und sich rasch in neue Rechtsgebiete einzuarbeiten. Das rechtswissenschaftliche Studium ist aber nicht dazu gedacht, dem Bewerber die Spezialkenntnisse zu vermitteln, die er für seine spätere Tätigkeit als Steuerberater benötigt. Denn diese Kenntnisse werden ohnehin nicht in einem rechtswissenschaftlichen Studium erworben; sie muß sich der künftige Steuerberater danach aneignen und in einer besonderen Prüfung als vorhanden nachweisen (§ 37 a StBerG). Die geforderte systematisch-rechtswissenschaftliche Befähigung kann auch ein im Ausland durchgeführtes Studium vermitteln, das sich mit einem anderen als dem deutschen Rechtskreis befaßt hat. Entscheidend ist allein die durch das rechtswissenschaftliche Studium vermittelte vergleichbare Befähigung zu rechtswissenschaftlichem Arbeiten und die damit gewonnene Fähigkeit für die spätere Aneignung der theoretischen und praktischen steuerlichen Fachkenntnisse (BFH, Urteil vom 28. August 1990 VII R 25/89, BFHE 162, 159, 162, BStBl II 1991, 154).

e) Da bereits die Auslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ergibt, daß es weder darauf ankommt, ob die Klägerin ihr rechtswissenschaftliches Studium im Ausland oder im Inland abgeschlossen hat, noch entscheidend ist, ob das Rechtsstudium primär dem deutschen Recht galt, braucht der Senat nicht auf die Frage einzugehen, inwieweit eine engere Auslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar wäre.