| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluß vom 21.6.1994 (VIII B 5/93) BStBl. 1994 II S. 681

Lehnt das FG eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 im Endurteil ab, dann besteht bei einem Beteiligten des finanzgerichtlichen Verfahrens, der im Rahmen der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision die Ablehnung der Beiladung als Verfahrensmangel rügen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), für eine gesonderte Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiladung kein Rechtsschutzbedürfnis (Abweichung vom BFH-Beschluß vom 6. Mai 1988 VI B 35/87, BFH/NV 1989, 113).

AO 1977 § 174 Abs. 4 und 5; FGO §§ 60, 128, 155; ZPO §§ 512, 548.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) war - neben Herrn X und Herrn Y - Gesellschafter und Geschäftsführer der R-GmbH in N. Von dem Stammkapital der GmbH - 100.000 DM - hielt der Kläger 33.300 DM. Davon veräußerte er 1988 einen Teil und 1989 den restlichen Anteil an die K AG in E. Zugleich unterwarf er sich einem Wettbewerbsverbot.

Das Entgelt für die Übertragung der Geschäftsanteile sowie für die Vereinbarung des Wettbewerbsverbots wurde gesondert errechnet. Der Kläger faßte die beiden Entgelte jeweils für die Streitjahre 1988 und 1989 zusammen und ermittelte für beide Jahre einen Veräußerungsgewinn, der gemäß § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern sei.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) folgte dem hinsichtlich der auf das Wettbewerbsverbot entfallenden Beträge nicht. Nach Auffassung des FA handle es sich dabei um Entgelte für ein selbständiges Wirtschaftsgut. Diese seien als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen.

Die Einsprüche des Klägers wies das FA zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

In den Entscheidungsgründen lehnte es eine Beiladung der K AG gemäß § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO 1977) ab. Eine Beiladung habe sich nur angeboten, wenn es möglich wäre, daß sich aus der Entscheidung des FG der K AG gegenüber Folgen ergäben. Dafür bestünden jedoch keine konkreten Anhaltspunkte.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat das FA Beschwerde eingelegt, mit der es u. a. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - Unterlassung der Beiladung - rügt.

Gegen die Ablehnung der Beiladung im Urteil des FG hat das FA ferner Beschwerde eingelegt. Es hält die Beschwerde unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Mai 1988 VI B 35/87 (BFH/NV 1989, 113) für zulässig.

Das FA beantragt, die K AG in E gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 zum Verfahren beizuladen.

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Grundsätzlich ist zwar die Entscheidung des FG, einen Dritten gemäß § 174 Abs. 5 AO 1977 nicht beizuladen, mit der Beschwerde angreifbar (vgl. BFH-Beschluß vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539). Im Einzelfall gilt dies jedoch nur, wenn der Beschwerdeführer ein Rechtsschutzbedürfnis für das Beschwerdeverfahren hat (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 14. Januar 1987 II B 108/86, BFHE 148, 444, BStBl II 1987, 267, und vom 28. Juni 1990 X B 163/88, BFH/NV 1991, 325). Daran fehlt es hier.

Das Ziel der Beschwerde ist, die Entscheidung des FG, mit der die Beiladung der K AG abgelehnt wurde, aufzuheben und entweder die Beiladung durch das Beschwerdegericht nachzuholen (§ 132 FGO; BFH-Beschluß vom 18. April 1984 IV B 6/84, nicht veröffentlicht - n. v. -) oder die Sache zur Nachholung der Beiladung an das FG zurückzuverweisen (§§ 132, 155 FGO i. V. m. § 575 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; BFH-Beschlüsse vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657, und in BFH/NV 1989, 113).

Dieses Ziel kann das FA auch mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 115 FGO) erreichen, denn im Rahmen dieser Beschwerde kann auch die Ablehnung der Beiladung als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht werden (vgl. zur unterlassenen notwendigen Beiladung Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 14. Aufl., § 60 FGO, Rdnr. 18; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 3. Aufl., § 60 Rdnr. 73). Das gilt jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall, daß die Beschwerde von einem bereits am Verfahren Beteiligten, der auch Nichtzulassungsbeschwerde einlegen kann, eingelegt wird. Das Revisionsgericht wäre hier an einer Beurteilung der unterlassenen Beiladung nicht gemäß § 155 FGO i. V. m. § 512 ZPO gehindert (dazu Beschluß des Großen Senats des BFH vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, 530, BStBl II 1982, 217), weil die Entscheidung über die Beiladung im Endurteil getroffen wurde. Im Streitfall ist ein besonderes Interesse an einer weiteren Beschwerdemöglichkeit nicht ersichtlich. Vielmehr wären bei einem Nebeneinander beider Beschwerden widersprüchliche Entscheidungen nicht auszuschließen. Würde ferner das finanzgerichtliche Urteil rechtskräftig, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht oder ohne Erfolg eingelegt worden ist, könnte sich die Stattgabe der Beschwerde nicht mehr auswirken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. September 1987 VIII B 93/85, BFH/NV 1988, 574, und vom 26. Januar 1993 VI B 112/92, BFH/NV 1993, 672: Kein Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen den Beiladungsbeschluß nach Erledigung der Hauptsache; vgl. ferner BFH-Beschlüsse vom 30. November 1992 X B 147/92, BFH/NV 1993, 665 zu II. 2. b, und in BFH/NV 1991, 325). Unberührt bleibt die Zulässigkeit der Beschwerde eines Dritten, der als am finanzgerichtlichen Verfahren (noch) nicht Beteiligter zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berechtigt ist (§ 115 Abs. 1 i. V. m. § 57 FGO), gegen die Ablehnung seiner Beiladung (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 28. August 1990 VIII B 25/90, BFHE 161, 429, BStBl II 1990, 1072; vom 18. April 1984 IV B 6/84, n. v., und vom 17. Juni 1993 VIII B 111/92, n. v.).

Der VI. Senat ist in seinem Beschluß in BFH/NV 1989, 113 davon ausgegangen, daß die Beschwerde (§ 128 Abs. 1 FGO) des am finanzgerichtlichen Verfahren beteiligten FA gegen die Ablehnung der Beiladung neben der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 FGO), mit der ebenfalls die unterlassene Beiladung als Verfahrensmangel gerügt wird, zulässig sei. Über die Ablehnung der Beiladung hatte das FG im Endurteil entschieden. Die Beschwerde gegen die Ablehnung war nach der Zustellung des Urteils eingelegt worden.

Der erkennende Senat hat keine Bedenken gegen die Aussage des VI. Senats, wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiladung ggf. auch nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils bis zu seiner Rechtskraft eingelegt werden kann. Die Bedenken des Senats richten sich gegen die Befugnis des am erstinstanzlichen Verfahren beteiligten FA zur Einlegung der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 1 FGO.

Der VI. Senat verweist in seinem Beschluß in BFH/NV 1989, 113 auf den Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, wonach eine Beschwerde gegen einen Richterablehnungsbeschluß auch dann noch zulässig bleibt, wenn das FG die Entscheidung zur Hauptsache unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten Richters erlassen hat. Das gilt aber ausdrücklich nur mit Rücksicht darauf, daß das Richterablehnungsverfahren ein selbständiges Verfahren ist und die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht an Stelle der Beschwerde mit der Revision gerügt werden kann (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, zu C II. 3.); die §§ 116 Abs. 1 Nr. 2 und 119 Nr. 2 FGO setzen eine erfolgreiche Richterablehnung voraus. Für die Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiladung gilt Entsprechendes nicht. Jedenfalls die unterlassene Beiladung (zum zu Unrecht ergangenen Beiladungsbeschluß vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1981 I R 112/79, BFHE 133, 526, 529, BStBl II 1982, 192) kann auch im Rahmen der Revision als Verfahrensmangel und damit im Rahmen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 FGO mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision geltend gemacht werden (vgl. oben). So ist es im Streitfall auch geschehen; mit der Nichtzulassungsbeschwerde (VIII B 4/93) rügt das FA u. a. die unterlassene Beiladung als Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

Auf Anfrage hat der VI. Senat mitgeteilt, daß er insoweit an seiner Entscheidung nicht festhält.