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  BFH-Urteil vom 18.5.1994 (XI R 62/93) BStBl. 1994 II S. 719

1. Wer für private Anleger im Erhebungsgebiet (Inland) Warenterminkontrakte besorgt, die an ausländischen Börsen gehandelt werden und die Geschäfte durch einen im eigenen Namen tätigen, im Außengebiet (Ausland) ansässigen Broker ausführen läßt, kann im Einzelfall eine Besorgungsleistung i. S. von § 3 Abs. 11 UStG 1980 bewirken.

2. Die Leistung des Besorgers ist aber nur dann einheitlich als Besorgungsleistung zu beurteilen, wenn nicht neben der eigentlichen Besorgung weitere (Beratungs-)Leistungen mit eigenem wirtschaftlichen Gewicht erbracht werden.

UStG 1980 § 1 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 11, § 3 a Abs. 1, § 4 Nr. 5 Buchst. c.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bot Interessenten im Zusammenwirken mit einem in London ansässigen Broker die Möglichkeit zu Warentermineinlagen, wobei der Kunde zwischen drei verschiedenen Anlageformen wählen konnte: dem Einzelkonto mit Risikobegrenzung, dem Direktgeschäft mit Risikobegrenzung und dem Handel mit Warenterminoptionen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, die von ihr erbrachten Leistungen unterfielen nicht der Umsatzsteuer. Es handele sich entweder um nicht steuerbare Besorgungsleistungen gemäß § 3 Abs. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 oder aber um die steuerfreie Vermittlung von Umsätzen nach § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG 1980, die ausschließlich im Außengebiet bewirkt worden seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm hingegen an, den von der Klägerin getätigten Geschäften lägen zwei Geschäftsbeziehungen zugrunde. Zum einen handele es sich hierbei um das eigentliche Warentermingeschäft, das als Differenzgeschäft i. S. von § 764 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beurteilen sei. Bei derartigen Geschäften mit Spielcharakter mangele es an einem Leistungsaustausch; sie seien folglich nicht umsatzsteuerbar. Zum anderen habe die Klägerin den Anlegern gegenüber aber auch von den eigentlichen Warentermingeschäften zu unterscheidende (Beratungs-)Leistungen besonderer Art erbracht, die steuerbar und steuerpflichtig seien. Dementsprechend unterwarf das FA die den Managementgebühren einschließlich der Brokerkommissionen zugrundeliegenden Umsätze der Umsatzsteuer und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre (1981 und 1982) fest.

Einsprüche und Klage der Klägerin blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Klägerin habe in dem vom FA angenommenen Umfang im Erhebungsgebiet steuerbare und steuerpflichtige Beratungsleistungen gegenüber den einzelnen Anlegern erbracht, insbesondere hinsichtlich der Art der Ware, der Höhe der Bruttoeinzahlung, der Instruktionen "short" oder "long" und der Anlageform, und zwar nicht nur bei der Erteilung der Order, sondern auch während des jeweils laufenden Vertragsverhältnisses. Diese Leistungen seien unabhängig davon steuerbar, ob es sich hierbei um unselbständige Nebenleistungen zu der jeweiligen Besorgung der Brokerleistung als Hauptleistung handele. § 3 Abs. 11 UStG 1980, wonach auf die Besorgungsleistung die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden seien, sei insoweit nicht anwendbar. Anders als nach dieser Vorschrift erforderlich, sei die Klägerin nämlich nicht für Rechnung eines anderen, sondern auf eigene Rechnung tätig geworden. Denn Börsentermingeschäfte an ausländischen Börsen wie auch die zu ihrer Besorgung erteilten Aufträge seien nach der einschlägigen Zivilrechtslage unverbindlich bzw. unwirksam (vgl. §§ 60, 61, 52, 53 des Börsengesetzes; §§ 764, 762 BGB). Da das wirtschaftliche Ergebnis der getätigten Rechtsgeschäfte gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eingetreten und bestehengeblieben sei, sei der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 zwar dennoch erfüllt. Die Unverbindlichkeit bzw. Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte habe aber zur Folge, daß die Klägerin die Gewinne aus den Börsentermingeschäften habe behalten dürfen; sie habe nach den erwähnten Vorschriften im Börsengesetz und im Bürgerlichen Gesetzbuch dem Herausgabeanspruch der nicht börsentermingeschäftsfähigen Anleger den Termineinwand und dem Herausgabeanspruch der börsentermingeschäftsfähigen Anleger den Differenzeinwand entgegenhalten können. Sie habe auch die Verluste aus den Börsentermingeschäften selbst zu tragen. Eine Verrechnung solcher Verluste mit den Nettoeinschüssen der jeweiligen Anleger sei ausgeschlossen; die Nettoeinschüsse müßten nach § 812 Abs. 1 Satz 1, erste Alternative BGB ungeschmälert herausgegeben werden. Aufgrund dieser Umstände sei die Klägerin im Ergebnis auf eigene Rechnung tätig geworden. Der Ort der erbrachten Leistungen befinde sich deshalb im Erhebungsgebiet und nicht im Ausland wie die besorgten Brokerleistungen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide dahin zu ändern, daß die Umsatzsteuer 1981 auf ./. 14.004,72 DM und die Umsatzsteuer 1982 auf ./. 128.056,61 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis richtig entschieden, daß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 11 UStG 1980 nicht vorliegen, so daß die Leistungen der Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9, § 3 a Abs. 1 UStG 1980 steuerbar sind.

1. Besorgt ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung, so sind gemäß § 3 Abs. 11 UStG 1980 die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden. Diese Regelung soll nach der Begründung zum Gesetzentwurf sicherstellen, daß Steuerbefreiungen auch für die Besorgung steuerfreier Leistungen gelten, ohne daß dies in der Befreiungsvorschrift ausdrücklich erwähnt wird (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 30; s. auch Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 656).

Eine Besorgung liegt vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen, die er selbst nicht schuldet, durch einen Dritten erbringen läßt ("verdeckte Vermittlung"). Der Besorgungsunternehmer schuldet seinem Auftraggeber nicht die besorgte Leistung; er schuldet und erfüllt nur eine Geschäftsbesorgung i. S. von § 675 BGB (vgl. Birkenfeld in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 7. Aufl., § 3 Abs. 11 Rdnrn. 17 ff.; Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a. a. O., § 3 Rdnr. 656; ferner Abschn. 32 Abs. 1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1992). Wer für private Anleger im Erhebungsgebiet den Abschluß von Warenterminverträgen besorgt, die an ausländischen Börsen gehandelt werden und die Geschäfte durch einen im eigenen Namen tätigen, im Außengebiet ansässigen Broker ausführen läßt, kann im Einzelfall eine Besorgungsleistung bewirken. Die Leistung des Besorgers ist aber nur dann einheitlich als Besorgungsleistung zu beurteilen, wenn nicht neben der eigentlichen Besorgung weitere Leistungen mit eigenem wirtschaftlichen Gewicht erbracht werden (Birkenfeld in Hartmann/Metzenmacher, a. a. O., § 3 Rdnr. 42; Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a. a. O., § 3 Rdnr. 672; vgl. auch Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 12. Juli 1989 IV A 2 - S 7110 - 40/89, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Umsatzsteuergesetz 1980, § 3 Abs. 11 Nr. 3). In diesem Fall ist die Besorgungsleistung nur unselbständiger Teil einer einheitlichen sonstigen Leistung. Eine zusätzliche Beratungstätigkeit, die über eine Inkasso- und Auskunftstätigkeit hinausgeht (vgl. dazu Urteil des FG Köln vom 15. Dezember 1988 5 K 440/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 257), kann den Charakter der Leistung in der Weise verändern, daß die Beratungsleistung nicht lediglich im Gefolge der Besorgungsleistung erbracht wird, sondern Beratung und Besorgung zu einer eigenständigen sonstigen Leistung zusammenzufassen sind.

Im Streitfall war die Leistung der Klägerin nicht auf die Besorgung der Brokerdienste zugunsten ihrer Klienten und auch nicht auf die damit verbundenen allgemeinen Aufklärungspflichten über die Risiken von Warentermingeschäften (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. März 1992 XI ZR 204/91, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1992, 1879; BGH-Beschluß vom 22. Juni 1993 XI ZR 215/92, NJW 1993, 2434) beschränkt. Wie sich aus den Feststellungen des FG (insbesondere zu der von der Klägerin herausgegebenen Werbe- und Informationsbroschüre sowie zu den hierauf aufbauenden tatsächlichen Abläufen ergibt, erbrachte die Klägerin vielmehr ein eigenes Leistungsangebot, so die Auswahl der gehandelten Waren, die künftig stärkere Kursschwankungen und damit einen Gewinn des Anlegers erwarten lassen, die Beratung, in welcher Anlageform das Direktgeschäft (ob als Long- oder Short-Kontrakt) durchgeführt werden soll, die selbständige Festlegung des Zeitpunktes zum Einstieg in das Geschäft bzw. zum späteren Ausstieg. Bei der Anlageform "Einzelkonto mit Risikobegrenzung" wurde der Klägerin von den Anlegern Generalvollmacht erteilt, aufgrund derer sie "nach bestem Wissen und Empfehlungen" tätig werden konnte, vorzugsweise dadurch, "jeweils entsprechend der Marktlage .... unverzüglich reagieren zu können". Diesen - fortlaufenden und nicht nur einmalig bei Vertragsschluß geleisteten - Anlageberatungs- und -betreuungsaktivitäten kam nach Lage der Dinge ein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zu. Sie dienten nicht lediglich dazu, die Anleger zu akquirieren und den Kontakt zu den Brokerhäusern herzustellen, sondern die Anleger darüber hinausgehend zu unterstützen und ihren Anlageerfolg sicherzustellen. Die Leistungen wurden - wie der Urteilsfall zeigt, in nicht unbeträchtlicher Höhe - gesondert entgolten. Die Klägerin trat damit als Berater auf und vermittelte nicht nur die Leistungen des Brokers (vgl. zu alledem Werner/Machunsky, Rechte und Ansprüche geschädigter Kapitalanleger, 3. Aufl., 1991, S. 82 f.). Daß die Brokerleistungen dennoch das eigentliche Ziel der Anleger waren und daß sie sich - möglicherweise - außerstande sahen, auf andere Weise als durch Vermittlung von Unternehmen wie jenes der Klägerin zu den Brokern in Kontakt zu treten, ändert hieran nichts. Ausschlaggebend ist, daß es der besonderen Leistungen der Klägerin nicht bedurfte, um den Einsatz der Anleger an der ausländischen Warenterminbörse zu plazieren (s. Werner/Machunsky, a. a. O., S. 82). Sie lassen sich deshalb nicht als (unselbständige) Nebenleistungen zu den Besorgungsleistungen als Hauptleistungen ansehen (ebenso zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt Senatsurteil vom 18. Mai 1994 XI R 107/92; anders Urteil des FG Düsseldorf vom 7. Juli 1993 5 K 68/90 U, nicht veröffentlicht - n. v. -).

2. Auf die von der Vorinstanz erörterten Fragen, ob Börsentermingeschäfte an ausländischen Börsen nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen im Börsengesetz (§§ 60, 61, 52, 53) sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 764, 762) unverbindlich bzw. unwirksam sind und welche Folgen sich hieraus für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ergeben, kam es hiernach nicht mehr an. Im Ergebnis aus dem gleichen Grund brauchte der erkennende Senat auch nicht der von der Klägerin geltend gemachten Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das FG nachzugehen. Selbst wenn das FG insoweit gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen verstoßen haben sollte, käme eine Aufhebung seines Urteils nicht in Betracht. Nach den Ausführungen unter 1. steht fest, daß es für die im Urteilsfall zu treffende Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt darauf ankommen kann, ob die Klägerin für fremde Rechnung, wie nach § 3 Abs. 11 UStG 1980 erforderlich, oder aber auf eigene Rechnung tätig geworden ist. Die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs würde sich also nicht auswirken (vgl. im einzelnen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 14 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

3. Die steuerbaren sonstigen Leistungen der Klägerin sind nicht gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG 1980 steuerbefreit. § 4 Nr. 5 UStG 1980 erfaßt nur die sog. offene Vermittlung; der Vermittler muß in fremdem Namen handeln (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 4 Nr. 5 Bem. 3). Im Streitfall handelte die Klägerin im eigenen Namen, so daß die genannte Steuerbefreiung bereits deshalb ausscheidet.