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  BFH-Urteil vom 1.6.1994 (X R 40/91) BStBl. 1994 II S. 752

Dem Miteigentümer eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses steht nur der seinem Miteigentumsanteil entsprechende Teil des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG zu, auch wenn er das Gebäude in vollem Umfang auf eigene Kosten errichtet hat. Desgleichen ist der Abzug der vom Miteigentümer allein getragenen Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG auf einen dem Miteigentumsanteil entsprechenden Teil beschränkt.

EStG § 10 e Abs. 1, Abs. 6.

Vorinstanz: FG München (EFG 1991, 607)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) ist die Mutter der im August 1983 geborenen Klägerin und Revisionsklägerin zu 2 (Klägerin zu 2).

Die Klägerinnen sind je zur ideellen Hälfte Miteigentümerinnen eines Grundstücks, auf dem die Klägerin zu 1 auf ihre Kosten ein Einfamilienhaus errichtete. Das Haus wurde im Jahre 1988 bezugsfertig und wird von den Klägerinnen gemeinsam bewohnt.

Für die Streitjahre 1988 und 1989 beanspruchte die Klägerin zu 1 die Steuerbegünstigung zur Förderung des Wohneigentums nach § 10 e des Einkommensteuergesetzes (EStG) in voller Höhe für sich. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und verteilte den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG sowie die nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbaren Vorkosten je zur Hälfte auf die Klägerinnen. Hierbei berücksichtigte das FA für das Jahr 1988 Aufwendungen vor Bezug in Höhe von 4.322 DM (§ 10 e Abs. 6 EStG); den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG ermittelte es auf der Grundlage von 50 v. H. der Anschaffungskosten des Grundstücks in Höhe von 3.228 DM sowie der Herstellungskosten des Gebäudes in Höhe von 209.444 DM. Unter Einbeziehung nachträglicher Herstellungskosten in Höhe von 12.844 DM betrug die Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrages gemäß § 10 e Abs. 1 EStG für das Jahr 1989 insgesamt 225.516 DM.

Der Einspruch, mit dem die Klägerinnen geltend machten, die Steuerbegünstigung des § 10 e EStG sei in voller Höhe der Klägerin zu 1 zuzurechnen, blieb ohne Erfolg. Nach vorheriger Ankündigung gewährte das FA in der Einspruchsentscheidung der Klägerin zu 2 keine Steuerbegünstigung mehr, da diese keine Kosten getragen habe. Der Abzugsbetrag sowie der Abzug der Vorkosten wurden der Klägerin zu 1 nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil von 50 v. H. zugerechnet.

Die Klagen hatten ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin zu 2 mangels Behauptung einer Rechtsverletzung (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin zu 2 nicht für sich, sondern lediglich für die Klägerin zu 1 eine Steuerbegünstigung begehrt habe.

Die Klage der Klägerin zu 1 wurde als unbegründet abgewiesen. Das finanzgerichtliche Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 607 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung des § 10 e EStG. Der Abzugsbetrag könne nach dieser Vorschrift auch abweichend vom Miteigentumsanteil aufgeteilt werden (Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abs. 28). In der Literatur werde darüber hinaus die Auffassung vertreten, die Abzugsbeträge könnten auch dann abweichend zugerechnet werden, wenn wie im Streitfall vernünftige wirtschaftliche Gründe vorlägen. Die Klägerin zu 1 habe die Herstellungskosten des Einfamilienhauses alleine getragen. Die minderjährige Klägerin zu 2 sei nicht in der Lage gewesen, sich als Miteigentümerin zu betätigen. Die Rechtsprechung zu § 7 b EStG müsse auch für § 10 e EStG gelten.

Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Feststellungsbescheide 1988 und 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung die nach § 10 e EStG abziehbaren Beträge für 1988 mit 14.956 DM und für 1989 mit 11.918 DM festzustellen und diese Beträge der Klägerin zu 1 in voller Höhe zuzurechnen.

Das FA beantragt, die Revisionen als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision der Klägerin zu 1 als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision der Klägerin zu 1 ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Klage gegen die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abgewiesen, mit denen der Klägerin zu 1 die Steuerbegünstigung des § 10 e EStG nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil am Hausgrundstück gewährt wurde.

a) Die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG steht Steuerpflichtigen zu, die eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine eigene Eigentumswohnung hergestellt oder angeschafft haben. Bei einem Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung kann der Steuerpflichtige nach § 10 e Abs. 1 Satz 5 in der für die Streitjahre geltenden Fassung des EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990) den entsprechenden Teil des Abzugsbetrages wie Sonderausgaben abziehen. Der Begriff "eigen" bedeutet, daß der Steuerpflichtige Eigentümer des von ihm errichteten oder angeschafften Objekts sein muß. In Fällen, in denen zivilrechtliches und "wirtschaftliches Eigentum" nicht übereinstimmen, ist der wirtschaftliche Eigentümer zur Inanspruchnahme des Abzugsbetrags nach § 10 e Abs. 1 EStG berechtigt (BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 X R 61/91, BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944). Eine vom bürgerlichen Recht abweichende Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums kommt nur in Betracht, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -), so daß der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder kein Herausgabeanspruch besteht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1978 III R 20/77, BFHE 127, 423, BStBl II 1979, 466; vom 27. Februar 1991 XI R 14/87, BFHE 163, 571, BStBl II 1991, 628, und vom 12. September 1991 III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182, jeweils m. w. N.).

Die Klägerin zu 1 hat über ihren hälftigen Miteigentumsanteil hinaus weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum am Einfamilienhaus erworben. Sie und ihre Tochter, die Klägerin zu 2, sind je zur ideellen Hälfte Miteigentümerinnen des Grundstücks. Da die Klägerin zu 1 das Einfamilienhaus nicht aufgrund eines dinglichen Rechts oder nur zu einem vorübergehenden Zweck (§ 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) auf dem Grundstück errichtet hat, wurden die Klägerinnen entsprechend den Eigentumsverhältnissen am Grundstück Miteigentümerinnen des Gebäudes (§§ 93, 94, 946 BGB).

Nur durch die Tatsache, daß die Klägerin zu 1 den Bau des Einfamilienhauses allein finanziert hat, wird die Klägerin zu 2 nicht an der Verfügung über ihren Anteil am gemeinschaftlichen Grundstück gehindert. Ihre Rechtsposition ist auch nicht aufgrund etwaiger Ansprüche der Klägerin zu 1 auf Aufwendungsersatz wirtschaftlich wertlos geworden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944).

b) Die Klägerin zu 1 kann die Wohnungsbauförderung nach § 10 e EStG nur für ihren Miteigentumsanteil beanspruchen. § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990) bestimmt, daß bei einem Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung der Steuerpflichtige nur den entsprechenden Teil der Abzugsbeträge nach Satz 1 wie Sonderausgaben abziehen kann. Die insoweit eindeutige Regelung begrenzt die Bemessungsgrundlage für die Wohnungsbauförderung bei einem Anteil an dem begünstigten Objekt zwingend auf den diesem Anteil entsprechenden Teil der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen.

Für ihre Auffassung, eine von den Anteilen der Miteigentümer abweichende Beteiligung an der Baufinanzierung ermögliche auch eine abweichende Aufteilung des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG, können sich die Klägerinnen nicht auf das BFH-Urteil vom 24. Juni 1966 VI 249/65, BFHE 86, 550, BStBl III 1966, 580 stützen. Diese Entscheidung, nach der innerhalb einer Grundstücksgemeinschaft die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG a. F. abweichend von den Eigentumsanteilen verteilt werden können, wenn wirtschaftlich vernünftige Gründe dafür vorliegen, ist seit der Änderung des § 7 b EStG durch das Gesetz über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude vom 11. Juli 1977 (BGBl I 1977, 1213, BStBl I 1977, 360) überholt. Der BFH hat deshalb mit Urteil vom 25. August 1992 IX R 320/87 (BFHE 169, 95, BStBl II 1993, 105) entschieden, daß nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 b Abs. 1 Satz 3 EStG eine von den Miteigentumsanteilen abweichende Verteilung der erhöhten Absetzungen nicht mehr möglich ist.

Entsprechendes gilt nach § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990) auch für den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG. Eine Verteilung des Abzugsbetrages abweichend von den Miteigentumsanteilen ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht möglich. Allein die Tatsache, daß die Klägerin zu 1 die Herstellungskosten des Gebäudes alleine getragen hat, berechtigt sie nicht zur Inanspruchnahme der Grundförderung über den Anteil hinaus, der ihr am gemeinschaftlichen Eigentum zivilrechtlich oder wirtschaftlich zuzurechnen ist. Eine vom Wortlaut des § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG abweichende Auslegung des Begriffs "eigenes Haus" im Sinne von "auf eigene Kosten errichtetes Haus" läßt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte oder dem Zweck der Vorschrift herleiten (BFH-Urteil in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944).

Die Berufung der Klägerinnen auf Abs. 28 des BMF-Schreibens (a. a. O.) geht ebenfalls fehl. Diese Passage bezieht sich auf die zulässigen Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 EStG für Miteigentümer von Mehrfamilienhäusern (Abs. 27). Für den Streitfall ist die Regelung in Abs. 26 des BMF-Schreibens (a. a. O.) einschlägig.

c) Auch die vor Bezug entstandenen Aufwendungen kann die Klägerin zu 1 nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil abziehen.

Der Vorkostenabzug nach § 10 e Abs. 6 EStG setzt unter anderem voraus, daß die Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung "einer Wohnung im Sinne des Absatzes 1" entstanden sind und unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes, der Eigentumswohnung oder des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen. "Wohnung im Sinne des Absatzes 1" ist bei Miteigentum an eigengenutzten Einfamilienhäusern nur der Miteigentumsanteil i. S. des § 10 e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG i. d. F. ab 1990). Daher sind nur die mit dem Miteigentumsanteil zusammenhängenden Aufwendungen abziehbar. Da die Klägerin zu 1 das Einfamilienhaus lediglich zur Hälfte auf Grund eigenen Rechts nutzt, sind die für das gesamte Grundstück vor Bezug angefallenen Aufwendungen nur zur Hälfte entsprechend ihrem Miteigentumsanteil abziehbar (gleicher Ansicht z. B. BMF-Schreiben, a. a. O., Abs. 58; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 e EStG Anm. 533).

2. Die Revision der Klägerin zu 2 ist unzulässig. Sie wurde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ordnungsgemäß begründet.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. In der Revisionsbegründung muß dargelegt werden, weshalb dem angefochtenen Urteil nicht zugestimmt wird. Dazu bedarf es wenigstens einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (BFH-Beschluß vom 16. September 1987 IV R 63/85, BFH/NV 1988, 714).

Daran fehlt es hier. Die Klägerin zu 2 hat in der Begründungsschrift lediglich materiell-rechtliche Rügen erhoben, obwohl das FG ihre Klage als unzulässig abgewiesen hat. Dies läßt nicht erkennen, daß die Klägerin zu 2 ihr bisheriges Vorbringen anhand des finanzgerichtlichen Urteils überprüft hat.

Nach § 126 Abs. 1 FGO hat der BFH eine unzulässige Revision durch Beschluß in der Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 FGO) zu verwerfen. Da aber im Streitfall von mehreren Beteiligten Revision eingelegt wurde, von denen die eine unbegründet, die andere unzulässig ist, hat der Senat insgesamt über beide Revisionen durch Urteil in der Besetzung von fünf Richtern zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1971 I R 148/68, BFHE 101, 509, BStBl II 1971, 411; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 10 Rz. 3, § 126 Rz. 3 a. E.).