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  BFH-Urteil vom 13.7.1994 (XI R 55/93) BStBl. 1994 II S. 907

1. Läßt eine Personengesellschaft von einem Steuerberater Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung und die Vermögensaufstellungen auf ihre Kosten erstellen, so ist die Gesellschaft nur hinsichtlich der Vermögensaufstellungen zum Abzug der in Rechnung gestellten Vorsteuern berechtigt.

2. Die Kosten für die Vermögensaufstellungen sind im Hinblick auf ihre unentgeltliche Überlassung an die Gesellschafter (zum Zwecke der Erstellung der persönlichen Vermögensteuererklärungen) nicht anteilig als Eigenverbrauch zu erfassen.

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b, § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine KG, an der vier ausschließlich natürliche und persönlich vermögensteuerpflichtige Personen beteiligt sind -, ermittelt ihren Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Aus den auf sie ausgestellten Rechnungen für die Erstellung der Steuererklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns und für die Erstellung von Vermögensaufstellungen zur Feststellung des Einheitswertes ihres Betriebsvermögens zog sie die Vorsteuern ab. Die Erklärungen wurden den Gesellschaftern zur Verwendung für deren persönliche Steuererklärungen (Einkommensteuer, Vermögensteuer) überlassen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Vorsteuerabzug aus den die Feststellungserklärungen betreffenden Rechnungen in voller Höhe und hinsichtlich der Rechnungen für die Vermögensaufstellung zur Hälfte. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zwar seien die Vorsteuern in voller Höhe abziehbar, jedoch sei die Zurverfügungstellung der Steuererklärungen als Eigenverbrauch zu erfassen. Als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch sei jeweils der Teilwert gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 anzusetzen, also die Nettohonorarforderung des Steuerberaters der Klägerin. Es sei davon auszugehen, daß die Gesellschafter der Klägerin, wenn sie persönlich den Steuerberater mit der Erstellung der Erklärungen beauftragt hätten, ein Honorar hätten entrichten müssen, das dem in den streitigen Rechnungen ausgewiesenen entsprochen hätte.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b und des § 3 Abs. 9 UStG 1980 und trägt im wesentlichen vor:

1. Die Auffassung des FG, daß eine vom Willen des Unternehmers gesteuerte Wertabgabe des Unternehmens vorliege, stehe im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Dezember 1985 V R 25/78 (BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216).

2. Die gesetzlich begründete Verpflichtung zur Anfertigung der Steuererklärungen zwecks Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gebe dem Vorgang ein unternehmerisches Gepräge; demgegenüber trete die Auswertung für Personensteuern der Gesellschafter als unbedeutender Reflex nicht in Erscheinung. Der aus dem Grundlagenbescheid übernommene Ergebnisanteil finde von Amts wegen Eingang in die Einkommensteuer- und Vermögensteuererklärung.

3. Spielten sowohl betriebliche als auch außerbetriebliche Gründe eine Rolle, sei entscheidend, welcher Zweck überwiege. Die einheitliche Feststellung und die Vermögensaufstellung seien betrieblich veranlaßt.

4. Die Übernahme der Besteuerungsmerkmale der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung und der Vermögensaufstellung in die Auswertung für Personensteuern der Gesellschafter sei im Hinblick auf den unternehmerischen Zweck der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und der Übernahme dieser Besteuerungsgrundlagen in die betrieblichen Steuererklärungen, z. B. die Gewerbesteuererklärung, nur als unbedeutender Reflex zu werten. Ggf. müßten die Ergebnisanteile wegen der Bindungswirkung der Grundlagenbescheide in den persönlichen Steuererklärungen von Amts wegen angesetzt werden. Die Mitteilung der Ergebnisanteile in den persönlichen Steuererklärungen der Gesellschafter diene nur der Verfahrenserleichterung.

5. Wegen der Einheitlichkeit der Leistung sei auch keine Aufteilung in einen unternehmerischen und in einen außerunternehmerischen Teil möglich (Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 1 Bem. 177). Eine Aufteilung könne allenfalls in Betracht kommen, sofern objektive Umstände gegeben seien, anhand derer eine leicht nachprüfbare Trennung in einen unternehmerischen und einen außerunternehmerischen Teil möglich sei. Solche Umstände seien nach dem vorliegenden Sachverhalt aber nicht ersichtlich. Überwögen die betrieblichen Gründe, sei Eigenverbrauch nicht gegeben (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1987 V R 154/78, BFHE 150, 178, BStBl II 1987, 688); eine Geringfügigkeitsgrenze - wie sie das FA postuliere - gebe es nicht.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Berücksichtigung der für die Steuererklärungen in Rechnung gestellten Vorsteuern die festgesetzte Umsatzsteuer entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, und trägt vor:

1. Als Leistungseigenverbrauch würden nicht nur sonstige Leistungen an Dritte, die aus nichtunternehmerischen Gründen erfolgten, erfaßt, sondern auch der Art nach sonstige Leistungen für den außerunternehmerischen Bereich des Unternehmens selbst (BFH-Urteil vom 5. April 1984 V R 51/82, BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499).

2. Die Werte für die persönlichen Steuererklärungen würden ebenfalls aufgrund gesetzlicher Abgabeverpflichtung benötigt. Die Folgen der Gewinnfeststellung berührten nicht den Vermögensbereich der Gesellschaft; sie beträfen vielmehr die Gesellschafter persönlich (BFHBeschluß vom 12. November 1992 IV B 83/91, BFHE 169, 490, BStBl II 1993, 265). Gleiches gelte für die Vermögensaufstellung. Damit liege eine Wertabgabe für Zwecke vor, die außerhalb des Unternehmens lägen.

3. Das angefochtene Urteil stehe nicht im Widerspruch zu dem BFH-Urteil in BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei bei betrieblichen bzw. außerbetrieblichen Vorgängen für § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 nicht entscheidend, welcher Zweck überwiege. In dem vorgenannten BFH-Urteil werde Eigenverbrauch bejaht, obwohl die betrieblichen Gründe überwögen. Eine Besteuerung des Eigenverbrauchs sei nur wegen Geringfügigkeit des privaten Verbrauchs unterblieben. Diese Geringfügigkeitsgrenze sei im Streitfall weit überschritten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst.

1. Entgegen der Auffassung des FG war die Klägerin hinsichtlich der in Rechnung gestellten Steuern nicht in vollem Umfang zum Abzug berechtigt. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Das Merkmal "für das Unternehmen" dient der Abgrenzung zum außerunternehmerischen Bereich, in dem ein Vorsteuerabzug nicht zulässig ist.

2. Im Streitfall diente der Leistungsbezug in Gestalt der Feststellungserklärungen nicht dem unternehmerischen Bereich. Zu unterscheiden ist zwischen den Aufwendungen, die auf die Ermittlung des Gewinns entfallen, und denen, die für die Erstellung der Steuererklärung in Rechnung gestellt werden. Die zum Zweck der zutreffenden Ermittlung des Gewinns aufgewendeten Steuerberaterkosten sind betrieblich veranlaßt (BFH-Urteil vom 22. Mai 1987 III R 220/83, BFHE 150, 148, BStBl II 1987, 711; Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. E 1200 "Steuerberatungskosten"). In vergleichbarer Weise erkennt der BFH die Kosten für die gesetzliche Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses in ständiger Rechtsprechung als betrieblich veranlaßte Verpflichtung an (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 1980 IV R 89/89, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297; vom 23. Juli 1980 I R 28/77, BFHE 131, 463, BStBl II 1981, 62). Dagegen sind Kosten, die in Zusammenhang mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung und auch mit der Erstellung der Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von gewerblichen Einkünften entstehen, nicht dem betrieblichen Bereich zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1983 IV R 22/81, BFHE 139, 544, BStBl II 1984, 301). Da die Einkommensteuer keine Betriebssteuer ist, muß auch die Verpflichtung zur Erstellung der Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von gewerblichen Einkünften (vgl. § 58 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -; aufgehoben durch die Verordnung vom 19. Dezember 1988, BGBl I, 2301, BStBl I 1988, 550, und § 181 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1985, BGBl I, 2436, 2440, BStBl I 1985, 735) als eine den persönlichen Bereich betreffende Verpflichtung angesehen werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin bezieht sich der BFH-Beschluß in BFHE 169, 490, BStBl II 1993, 265 nicht nur auf "den nach Konkursrecht abzuwickelnden Vermögensbereich". Diese Grundsätze haben auch für die Umsatzsteuer Bedeutung. Die Gewinnfeststellungserklärungen sind weder ganz noch teilweise für das Unternehmen der Klägerin erstellt worden; ein Vorsteuerabzug kommt insoweit nicht in Betracht.

3. Anders verhält es sich hinsichtlich der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens, die ausschließlich für steuerliche Zwecke vorzunehmen ist. § 28 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) schreibt die Abgabe von Erklärungen zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens vor, wenn das Gewerbekapital i. S. des § 12 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) den Freibetrag nach § 13 Abs. 1 GewStG übersteigt oder wenn der Betriebsinhaber eine Vermögensteuererklärung abzugeben hat. Zwar kann der auf der Grundlage einer solchen Erklärung festgestellte Einheitswert hiernach sowohl für die als Betriebssteuer anzusehende Gewerbekapitalsteuer als auch für die dem nichtbetrieblichen Bereich zuzuordnende Vermögensteuer von Bedeutung sein. Im Streitfall diente der Leistungsbezug jedoch ausschließlich dem Unternehmen der Klägerin. Die Klägerin hat in Erfüllung ihrer eigenen gesetzlichen Verpflichtung ihren Steuerberater mit der Erstellung der Vermögensaufstellung für Zwecke der Gewerbekapitalermittlung beauftragt. Die Überlassung der Vermögensaufstellungen seitens der Gesellschaft an die Gesellschafter zur Verwendung für deren persönliche Vermögensteuererklärungen kam den Gesellschaftern nur reflexartig zugute; sie ermöglichte den Gesellschaftern die faktische Übernahme der Aufstellungen, ohne sich der Mühe unterziehen zu müssen, das Zahlenwerk der Buchführung der Gesellschaft zu entnehmen. Der - unternehmerische - Zweck der von dem Steuerberater gegenüber der Gesellschaft erbrachten sonstigen Leistung wurde dadurch nicht berührt.

4. Dementsprechend kann die Überlassung der Vermögensaufstellungen an die Gesellschafter entgegen der Auffassung des FG auch nicht als Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 erfaßt werden (zum Eigenverbrauch bei Personengesellschaften vgl. BFH-Urteil vom 3. November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169; Mößlang in Sölch/Ringleb/List, a. a. O., § 1, Bem. 227 f.). Nach dieser Regelung ist Eigenverbrauch gegeben, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs. 9 bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 erfaßt unentgeltliche Wertabgaben an Dritte, aber auch Wertabgaben an den Unternehmer selbst (BFH-Urteil in BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499). Leistungsentnahmen sind nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt Dienstleistungen des Unternehmens an den Unternehmer als Privatperson (vgl. Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1986, 83, 95). Die Klägerin ist durch die Überlassung der Vermögensaufstellungen nicht "entreichert worden", da sie selbst verpflichtet war, die Vermögensaufstellungen anzufertigen. Andererseits sind die Gesellschafter nicht bereichert worden. Wie dargestellt, führte die Überlassung der Vermögensaufstellungen nur zu einer minimalen, in ihrer finanziellen Auswirkung nicht meßbaren, Arbeitserleichterung der Gesellschafter. Ebensogut hätte das FA die Werte der Vermögensaufstellungen von Amts wegen (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG; § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) in die Vermögensteuerbescheide der Gesellschafter übernehmen können, ohne daß es einer Überlassung der Vermögensaufstellungen an die Gesellschafter bedurft hätte.

In vergleichbarer Weise hat der V. Senat des BFH in dem Urteil in BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216 (Aufwendungen anläßlich des 65. Geburtstags eines Unternehmers) keine Wertabgabe aus dem unternehmerischen Bereich angenommen und die zwangsläufig damit verbundene Selbstversorgung als umsatzsteuerrechtlich irrelevant beurteilt. Ebenso hat der V. Senat in dem Urteil vom 30. April 1987 V R 154/78 (BFHE 150, 178, BStBl II 1987, 688 - unentgeltliche Überlassung eines mit dem Namen des Firmengründers versehenen Brunnens an eine Gemeinde aus überwiegend betrieblichen Gründen -) in der Ehrung des Firmengründers nur einen Reflex gesehen, der nicht zu einem anteiligen Eigenverbrauch durch Entnahme führte.

5. Die Sache ist entscheidungsreif. Die für die Erstellung der Vermögensaufstellungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ist in den Streitjahren als Vorsteuer abziehbar. Im übrigen ist die Klage abzuweisen. Die Berechnung der Steuer wird nach § 100 Abs. 2 FGO dem FA übertragen.