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  BFH-Urteil vom 15.3.1994 (XI R 83/92) BStBl. 1994 II S. 956

Ausfuhrlieferungen im Rahmen eines Reihengeschäfts setzen voraus, daß der Gegenstand der Lieferung unmittelbar in das Außengebiet befördert oder versendet wird.

UStG 1980 § 3 Abs. 2, § 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) verkaufte der Fa. G in der Schweiz zwei Offsetdruckmaschinen und eine Papierschneidemaschine zu einem Preis von insgesamt 271.300 DM und stellte diesen Betrag im Mai 1985 in Rechnung. Während sich die Maschinen noch beim Kläger befanden, verkaufte G die Maschinen an das deutsche Unternehmen A-KG in Bad L, die ihrerseits die Maschinen an das US-amerikanische Unternehmen U und das schweizerische Unternehmen L veräußerte. Die A-KG beauftragte zwei Spediteure mit der Versendung der Maschinen, die - unbeschadet teilweiser Zwischenlagerung - unmittelbar aus dem Gewahrsam des Klägers mit dessen Wissen und Erlaubnis in den Gewahrsam der A-KG, die von G zur Abholung ermächtigt war, übergingen. Der Geschehensablauf stellte sich also wie folgt dar:

Kläger

I

G (Schweiz)

I

A-KG (Abholung durch Spediteure; Gewahrsam der A-KG)

I I

U, USA + L, Schweiz

Der Kläger beurteilte den Verkauf der Maschinen an G als steuerfreie Ausfuhrlieferung gemäß § 4 Nr. 1 und § 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß eine Ausfuhrlieferung des Klägers an G nicht vorliege; auch ein Reihengeschäft sei nicht gegeben, da der Kläger U und L nicht unmittelbar Verfügungsmacht verschafft habe. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus:

Ein Reihengeschäft nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980 liege vor, wenn man nur auf die Reihe Kläger - G - A-KG abstelle. Dann sei die A-KG, die die Maschinen in das Außengebiet verbracht habe, letzter Abnehmer in der Reihe gewesen. Diese Fallgestaltung entspreche Abschn. 128 Abs. 4 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 1985. Danach komme eine Steuerbefreiung in der Reihe für diejenigen Lieferungen in Betracht, bei denen der Abnehmer - wie G - ein außengebietlicher Abnehmer ist. Der letzte Abnehmer müsse nicht ein außengebietlicher Abnehmer sein. Die Versendung des Gegenstandes in das Außengebiet durch den letzten Abnehmer gelte als Versendung eines jeden Abnehmers in der Reihe; zusätzlich müsse für die Steuerbefreiung allerdings das persönliche Merkmal eines außengebietlichen Abnehmers (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980) hinzutreten. Der Einwand des FA, daß dem Reihengeschäft nachfolgende Geschäfte nicht erfaßt würden, verkenne die Besonderheiten eines sog. Abholfalls nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und trägt vor:

Das FG verkenne die Wirkung der sich an das Reihengeschäft anschließenden Lieferungen der A-KG an U und L auf die Lieferungen innerhalb des Reihengeschäfts. Die Versendung der Liefergegenstände in das Ausland durch die A-KG habe ihren alleinigen Rechtsgrund in den Lieferverträgen zwischen dieser und ihren außengebietlichen Abnehmern. Diese Lieferverträge würden nach den Grundsätzen des § 3 Abs. 2 UStG 1980 von dem vorhergehenden Reihengeschäft (Kläger - G - A-KG) nicht mehr erfaßt und dürften demnach nicht für die Beurteilung der Liefervorgänge innerhalb dieses Reihengeschäfts herangezogen werden.

Nach den für ein Reihengeschäft i. S. des § 3 Abs. 2 UStG 1980 geltenden Grundsätzen habe die A-KG durch die Übergabe der Liefergegenstände seitens des Klägers an die von der A-KG beauftragten Spediteure infolge der dem Reihengeschäft eigentümlichen einen Warenbewegung die Verfügungsmacht über die Liefergegenstände erlangt. Die A-KG sei der letzte Abnehmer in der Reihe. Mit der Übergabe der Liefergegenstände an die Beauftragten dieses letzten Abnehmers in der Reihe seien somit nach § 3 Abs. 2 UStG 1980 die Lieferungen innerhalb der Reihe erfüllt.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Lieferung der Maschinen an G ist keine steuerfreie Ausfuhrlieferung i. S. des § 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980.

Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UStG 1980 in Verbindung mit den Grundsätzen des Reihengeschäfts i. S. von § 3 Abs. 2 UStG 1980 liegen nicht vor.

Gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1980 gilt die Lieferung an den letzten Abnehmer gleichzeitig als Lieferung eines jeden Unternehmers in der Reihe, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und die Geschäfte dadurch erfüllen, daß der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. FA und FG gehen übereinstimmend zu Recht davon aus, daß im Streitfall ein Reihengeschäft nur hinsichtlich der Lieferung des Klägers an G und des G an die A-KG anzunehmen ist; denn der Kläger hat nur der A-KG, nicht aber U und L unmittelbar Verfügungsmacht an den Maschinen verschafft. Beim Reihengeschäft gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1980 ist die Lieferung an einen inländischen Abnehmer dann nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 befreit, wenn der erste Unternehmer den Lieferungsgegenstand in das Außengebiet befördert oder versendet; befördert oder versendet der Abnehmer den Lieferungsgegenstand in das Außengebiet, so befreit § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980 die Lieferung an außengebietliche Abnehmer. In jedem dieser Fälle muß sich die Versendung oder Beförderung in das Außengebiet innerhalb des Reihengeschäfts vollziehen; es genügt nicht, daß die Ausfuhrlieferung dem Reihengeschäft nachfolgt. Dieser Auffassung entspricht Abschn. 128 Abs. 4 UStR 1985/1988, der in Satz 1 die weiteren Aussagen ausdrücklich davon abhängig macht, daß ein Reihengeschäft i. S. des § 3 Abs. 2 UStG 1980 vorliegt. Es ist erforderlich, daß der Gegenstand der Lieferung unmittelbar in das Außengebiet befördert oder versendet wird (so auch R. Schwarz in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., März 1992, § 6 Rz. 88). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Letzter Abnehmer der Reihe war die A-KG, die die Gegenstände nicht unmittelbar in das Außengebiet versenden ließ, sondern - nach den Feststellungen des FG - zunächst eigenen Gewahrsam und damit eigene Verfügungsmacht begründete; erst durch ein Geschäft außerhalb des Reihengeschäfts versendete sie den Gegenstand der Lieferung in das Außengebiet.

Das FA hat die streitigen Lieferungen daher zu Recht nicht als steuerfreie Ausfuhrlieferungen erfaßt. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen.