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  BFH-Urteil vom 8.9.1994 (V R 46/92) BStBl. 1994 II S. 957

Erbringt ein Haus- und Grundbesitzerverein steuerpflichtige Leistungen durch Rechtsberatung und Prozeßvertretung seiner Mitglieder gegen ein nicht kostendeckendes Sonderentgelt, so ist der zur Kostendeckung erforderliche Teil der Mitgliedsbeiträge kein weiteres Entgelt i. S. des § 10 Abs. 1 UStG 1973/1980. Seit Inkrafttreten des § 10 Abs. 4 und 5 UStG 1980 werden die Umsätze in diesem Fall aber nach den Kosten bemessen.

UStG 1973/1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1; UStG 1980 § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vertritt - in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins - die Interessen von Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümern. Er hat die Aufgabe, seine Mitglieder über ihre Rechte und Pflichten zu unterrichten und sie bei der Wahrung ihrer Interessen zu unterstützen. Er erzielt Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, aus Rechtsberatung und Prozeßvertretung (Rechtsabteilung), aus dem Verkauf von Vordrucken, aus der Vermietung eines Grundstücks und aus Kapitalvermögen.

In seinen Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 1978 bis 1983 ermittelte er die Einkünfte aus der Rechtsabteilung, indem er - entsprechend Abschn. 39 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) - neben den für die Tätigkeit dieser Abteilung gesondert erhobenen Entgelten 20 v. H. der bei ihm verbliebenen Mitgliedsbeiträge als steuerpflichtige Einnahmen ansetzte. Die Ausgaben der Rechtsabteilung ermittelte er im Wege der Schätzung. Dabei ergab sich für jedes Jahr ein Verlust, den der Kläger mit den gesondert ermittelten positiven Einkünften aus dem Verkauf von Vordrucken, aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen verrechnete.

In seinen Umsatzsteuererklärungen für den genannten Zeitraum behandelte der Kläger - entsprechend den Körperschaftsteuererklärungen - neben den gesondert erhobenen Entgelten für die Tätigkeit der Rechtsabteilung 20 v. H. der bei ihm verbliebenen Mitgliedsbeiträge als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Körperschaftsteuer 1978 bis 1981 erklärungsgemäß durch endgültigen Steuerbescheid fest. Die Umsatzsteuerfestsetzungen bzw. Steueranmeldungen standen hingegen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung erachtete das FA den vom Kläger als steuerpflichtige Einnahmen angesetzten Anteil der Mitgliedsbeiträge wegen des sich über Jahre ergebenden Verlustes aus der Tätigkeit der Rechtsabteilung als zu niedrig. Es meinte, dieser Anteil sei auf 32,5 v. H. der beim Kläger verbliebenen Mitgliedsbeiträge zu erhöhen, so daß sich die Einnahmen und Ausgaben der Rechtsabteilung für die Jahre 1978 bis 1983 per Saldo nahezu ausglichen. Bei der Umsatzsteuer seien - entsprechend der körperschaftsteuerlichen Behandlung - 32,5 v. H. der beim Kläger verbliebenen Mitgliedsbeiträge als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze zu behandeln. Das FA setzte die Körperschaftsteuer 1982 und 1983 und die Umsatzsteuer 1983 dementsprechend durch erstmaligen Steuerbescheid fest und erließ entsprechende Umsatzsteueränderungsbescheide für die Jahre 1978 bis 1982.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) teilte die rechtliche Beurteilung des FA. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die vom Kläger erhobenen Mitgliedsbeiträge enthielten Entgelte für die Gewährung besonderer wirtschaftlicher Vorteile in Form von Rechtsberatung und Prozeßvertretung für einzelne Mitglieder. Das FA habe zu Recht 32,5 v. H. der Mitgliedsbeiträge als steuerpflichtige Einnahmen der Körperschaftsteuer und als steuerpflichtiges Entgelt für Sonderleistungen des Klägers an seine Mitglieder der Umsatzsteuer unterworfen, da hierdurch über einen Zeitraum von sechs Jahren ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis von steuerpflichtigen Einnahmen und Ausgaben erreicht werde. Die Höhe der in den Mitgliedsbeiträgen enthaltenen Leistungsentgelte richte sich für die Umsatzsteuer nach den gleichen Kriterien wie für die Körperschaftsteuer.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt Verletzung materiellen Rechts. Eine Erhöhung des steuerpflichtigen Anteils der Mitgliedsbeiträge sei nicht zulässig, da er, der Kläger, insgesamt keinen Gewinn erzielt habe. Weil der Anteil der Beitragseinnahmen, der der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei, von der Berechnung der Körperschaftsteuer abhänge, seien die Umsatzsteuerbescheide ebenfalls zu ändern.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, die Umsatzsteueränderungsbescheide 1978 bis 1982 und den Umsatzsteuerbescheid 1983 sowie die Körperschaftsteuerbescheide 1982 und 1983 aufzuheben.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1982 und 1983 ist abzutrennen, da der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hierfür nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 1994 (Teil A. Sachliche Zuständigkeit der Senate, Ergänzende Regelungen, I. Übergreifende Zuständigkeiten, Nrn. 1, 3 und 4, BStBl II 1994, 68 ff.) nicht zuständig ist. In der Körperschaftsteuersache sind gegenüber der Umsatzsteuer materiell unterschiedliche Rechtsfragen streitig. Zuständig ist insoweit der I. Senat des BFH (Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 1994, Teil A. Sachliche Zuständigkeit der Senate, I. Senat, Nr. 1), an den das abgetrennte Verfahren daher abzugeben war.

2. Die Revision wegen Umsatzsteuer 1978 bis 1983 führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

a) Das FG hat die Umsätze des Klägers aus der Rechtsberatung für die Jahre 1978 und 1979 unzutreffend bemessen und dabei § 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 fehlerhaft angewendet. Im übrigen kann der Senat dem Urteil des FG nicht entnehmen, ob der Kläger neben den Umsätzen aus der Rechtsberatung und dem Verkauf der Vordrucke noch weitere steuerpflichtige Umsätze bewirkt hat und wie diese ggf. gemäß § 10 UStG 1973/1980 zu bemessen sind.

b) Der Kläger hat durch Rechtsberatung gegenüber seinen Mitgliedern steuerbare Leistungen erbracht. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) führt ein Unternehmer steuerbare Umsätze i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 aus, wenn sich seine Leistung auf den Erhalt einer (möglichen) - in der Regel vereinbarten - Gegenleistung richtet. Dem steht nicht entgegen, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153).

Die Leistungen einer Personenvereinigung an ihre Mitglieder sind jedenfalls dann auf den Erhalt einer Gegenleistung gerichtet, wenn sie gegen ein sog. Sonderentgelt erbracht werden (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76 unter B.3.c der Entscheidungsgründe, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176). Ein derartiges - neben den Mitgliedsbeiträgen zu zahlendes - Sonderentgelt war im Streitfall vereinbart worden. Die Rechtsberatungsleistungen des Klägers sind deshalb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 gegen Entgelt ausgeführt worden.

c) Diesen steuerbaren Leistungen des Klägers standen als Entgelt lediglich die hierfür gesondert erhobenen Zahlungen gegenüber.

Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973/1980 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Hierzu zählt im Streitfall das vom Kläger neben den Mitgliedsbeiträgen gesondert erhobene Entgelt für seine Leistungen in der Rechtsabteilung. Die Mitgliedsbeiträge selbst stehen hingegen nicht in der erforderlichen Wechselbeziehung zu diesen Leistungen. Nach der zwischen dem Kläger und seinen Mitgliedern getroffenen, für die Beurteilung des Leistungsaustausches maßgebenden Vereinbarung sollten diese Leistungen durch das gesondert erhobene Entgelt abgegolten sein. Ein Anteil des Mitgliedsbeitrags als Entgelt war daneben weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart, noch ergibt sich eine solche Vereinbarung aus den vom FG festgestellten Umständen. Allein die Tatsache, daß der Kläger tatsächlich einen Teil der Mitgliedsbeiträge dazu verwendet hat, seine Kosten in der Rechtsabteilung zu decken, reicht nicht aus, um die Mitgliedsbeiträge in dieser Höhe als Entgelt ansehen zu können.

Damit mindert sich das vom FG angesetzte Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG 1973/1980); es besteht nur in dem von den Leistungsempfängern aufgewandten Sonderentgelt. Für die Streitjahre 1980 bis 1983 sind die Rechtsberatungsumsätze vom FG aber gleichwohl im Ergebnis zutreffend bemessen worden, da die Vorschriften des § 10 Abs. 4 und 5 UStG 1980 Anwendung finden.

d) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 sind sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ausführen, nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten zu bemessen, wenn diese das Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG 1980 übersteigen. So ist es auch im Streitfall. Da das von den Leistungsempfängern entrichtete Entgelt geringer war als die Kosten des Klägers in der Rechtsabteilung, sind die vom Kläger in dieser Abteilung erbrachten Leistungen für die Streitjahre 1980 bis 1983 nach den dem Kläger bei der Ausführung dieser Leistungen entstandenen - um ca. 32,5 v. H. der Mitgliedsbeiträge höheren - Kosten zu bemessen.

e) Der Senat kann nicht erkennen, ob - und ggf. in welchem Umfang - der Kläger in den Streitjahren neben den Leistungen in der Rechtsabteilung und dem Verkauf der Vordrucke weitere steuerpflichtige Leistungen an seine Mitglieder erbracht hat und inwieweit ihm Vorsteuern aus Leistungsbezügen hierfür zustehen. Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen. Der Vorentscheidung ist auch nicht zu entnehmen, ob die Vordrucke zu einem Preis verkauft wurden, der die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 und 5 UStG 1980 erreichte.

f) Das Urteil des FG war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit das FG die fehlenden tatsächlichen Feststellungen treffen kann. Dabei wird das FG auch prüfen müssen, inwieweit sich mit der Bemessungsgrundlage für die Rechtsberatungsumsätze der Jahre 1978 und 1979 (vgl. oben c) der entsprechende Vorsteuerabzug ändert.