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  BFH-Urteil vom 27.7.1994 (II R 122/91) BStBl. 1995 II S. 14

Zur bewertungsrechtlichen Anwendung der auf den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik (§ 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG 1983) beruhenden Richttafeln von Heubeck auf die Teilwertberechnung von Pensionsverpflichtungen für Abschlußzeitpunkte vor dem 1. Juli 1983.

BewG a. F. § 104 Abs. 3; EStG 1983 § 6 a Abs. 3 Satz 3.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Streitig ist die Bewertung von Pensionsverpflichtungen.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Verwaltungsgesellschaft mbH, ermittelt ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni). In ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1984 vom 12. Februar 1985 zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs setzte sie ihre Pensionsverpflichtungen nach dem Stand vom 30. Juni 1983 unter Zugrundelegung der "Richttafeln" von Dr. Klaus Heubeck (Richttafeln von Heubeck) mit einem Wert von 15.980.196 DM an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) übernahm zunächst diesen Wertansatz im Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1984 vom 26. März 1985. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Aufgrund einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte das FA zu der Auffassung, daß die Pensionsverpflichtungen der Klägerin nach den bisherigen "Richttafeln für die Pensionsversicherung" von Dr. Heubeck - Dr. Fischer (Richttafeln von Heubeck/Fischer) lediglich mit 15.219.234 DM zu berechnen seien. Mit entsprechendem Änderungsbescheid vom 9. Juni 1986 setzte das FA unter Vornahme weiterer Korrekturen den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1984 auf 40.839.000 DM fest.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage verfolgte die Klägerin das Ziel, der Bewertung der Pensionsverpflichtungen die neuen Richttafeln von Heubeck zugrunde zu legen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1984 auf 40.078.000 DM herab. Das FA habe zu Unrecht bei der Wertermittlung der Pensionsverpflichtungen der Klägerin die Richttafeln von Heubeck/Fischer verwendet. Für Pensionsverpflichtungen gelte wie für alle Wirtschaftsgüter der Grundsatz, daß die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend seien. Die Verhältnisse des Bilanzstichtages seien so zutreffend wie möglich zu erfassen. Die Klägerin habe daher zutreffend die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden (neuen) Richttafeln von Heubeck verwendet, da diese die biologischen Wahrscheinlichkeiten zum 30. Juni 1983 besser wiedergäben. Die Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 9. April 1984 IV B 1 - S 2176 - 42/84 (BStBl I 1984, 260) und vom 16. Februar 1984 IV C 3 - S 3235 - 5/84 (Der Betrieb - DB - 1984, 588), wonach die neuen Richttafeln von Heubeck erst für Abschlußzeitpunkte nach dem 30. Juni 1983 zuzulassen seien, verstießen gegen das Stichtagsprinzip. Bei den BMF-Schreiben handele es sich um verwaltungsinterne Übergangs- und Billigkeitsregelungen, die das Gericht nicht binden könnten.

Mit der Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des § 104 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes in der am 1. Januar 1984 maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1974 - BewG a. F. - (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862) und des § 6 a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1983. Nach den BMF-Schreiben vom 9. April 1984 (BStBl I 1984, 260) und vom 16. Februar 1984 (DB 1984, 588) dürfe der Übergang von den Richttafeln Heubeck/Fischer auf die Richttafeln von Heubeck frühestens für das Wirtschaftsjahr erfolgen, das nach dem 30. Juni 1983 ende. Der Zeitpunkt des Übergangs von den alten auf die neuen Richttafeln stehe in enger Beziehung zur Ableitung und Veröffentlichung der neuen Rechnungsgrundlagen. Vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der neuen Richttafeln könne sich kein Steuerpflichtiger auf die geänderten Rechnungsgrundlagen berufen, da die neuen Richttafeln von Heubeck vor ihrer Veröffentlichung noch nicht den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik i. S. des § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG 1983 entsprächen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Klägerin zur Wertermittlung ihrer Pensionsverpflichtungen auf den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1984 die neuen Richttafeln von Heubeck verwenden durfte.

1. a) Zur Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens (§ 98 a BewG) sind Pensionsverpflichtungen von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, nach § 104 Abs. 3 Satz 1 BewG a. F. höchstens mit dem Teilwert nach § 6 a Abs. 3 EStG unter Zugrundelegung eines Rechnungszinsfußes von 6 v. H. anzusetzen. Bei der Berechnung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung sind die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden (§ 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG 1983). Die Richttafeln von Heubeck, die in der Praxis üblicherweise als Rechnungsgrundlage der Teilwertermittlung von Pensionsverpflichtungen zugrunde gelegt werden, entsprechen diesen anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik (Ahrend/Förster/Rößler in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 6 a EStG Rdnr. 324, 325; Höfer in Littmann/Bitz/Hellwig, Kommentar zum Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 6 a EStG Rdnr. 115; Seeger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 6 a Tz. 11).

Das Gesetz geht in § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG 1983 von den jeweils anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik aus. Es überläßt damit der Fachwelt herauszufinden, welche Methoden der Wertberechnung von Pensionsverpflichtungen nach den vorliegenden Gegebenheiten allgemein zugrunde gelegt werden sollen.

Durch die Einbeziehung statistisch gewonnener biometrischer Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt die Versicherungsmathematik, daß der Wert einer Pensionsverpflichtung nur annähernd bestimmt werden kann, da Beginn und Wegfall von Versorgungen in der Regel vom Eintritt biologischer Ereignisse (etwa Tod oder Invalidität) abhängen (vgl. Höfer, a. a. O., § 6 a EStG Rdnr. 104; Ahrend/Förster/Rößler, a. a. O., § 6 a EStG Rdnr. 300). Je nachdem, welche biometrischen Wahrscheinlichkeiten Berücksichtigung finden, können die versicherungsmathematischen Berechnungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl. Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 a Rdnr. 88). Neue Erkenntnisse über die Entwicklungen der einzelnen biometrischen Wahrscheinlichkeiten machen entsprechende Änderungen und Anpassungen der Rechnungsgrundlagen mit der Folge notwendig, daß an die Stelle der bisher gültigen neue, den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entsprechende Rechnungsgrundlagen treten, die von diesem Zeitpunkt an nach § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG 1983 der Teilwertberechnung der Pensionsverpflichtungen zugrunde zu legen sind. Denn die Beachtung einer Übergangszeit beim Wechsel auf neue anerkannte Rechnungsgrundlagen ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dies gilt für alle noch offenen Fälle der Wertberechnung von Pensionsverpflichtungen auch auf bereits zurückliegende Bilanzstichtage und Feststellungszeitpunkte, soweit die Gegebenheiten der Vergangenheit in den neuen Rechnungsgrundlagen berücksichtigt wurden.

b) Die Richttafeln von Heubeck haben die bisher in der Praxis gültigen Richttafeln von Heubeck/Fischer abgelöst. Beruhte die Herleitung der biometrischen Grundwahrscheinlichkeiten in den Richttafeln von Heubeck/Fischer noch auf statistischem Material aus den Jahren von 1920 bis 1940 und teilweise aus noch weiter zurückliegenden Jahren (vgl. Höfer/Pisters, Betriebs-Berater - BB - 1983, 2044), berücksichtigen die Richttafeln von Heubeck die seit 1949 veränderten biometrischen Grunddaten (vgl. Schreiben des BMF vom 16. Februar 1984, a. a. O.).

Die neuen Richttafeln von Heubeck erfassen daher die Gegebenheiten zu dem im Streitfall maßgebenden Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1983 (§ 106 Abs. 1 und 3 Satz 1 BewG) zutreffender und ermöglichen es, den Wert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Pensionsverpflichtungen genauer zu berechnen als die bisherigen Richttafeln von Heubeck/Fischer.

Der Anwendung der Richttafeln von Heubeck zum Abschlußzeitpunkt 30. Juni 1983 steht nicht entgegen, daß die neuen Richttafeln erstmals im Juli 1983 vollständig veröffentlicht wurden. Entscheidend ist, daß sie - was in der Praxis unstreitig ist - den tatsächlichen Verhältnissen zum Abschlußzeitpunkt entsprechen und nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik erstellt worden sind. So geht auch die Finanzverwaltung davon aus, daß die Richttafeln von Heubeck als Rechnungsgrundlagen für die Teilwertermittlung nach § 6 a Abs. 3 EStG 1983 an die Stelle der bisherigen Richttafeln von Heubeck/Fischer getreten sind (vgl. BMF-Schreiben vom 16. Februar 1984, a. a. O.).

Die Klägerin konnte daher bei ihrer Vermögensaufstellung im Februar 1985 die Richttafeln von Heubeck der Wertermittlung ihrer Pensionsverpflichtungen zugrunde legen.

Dabei handelt es sich - entgegen der Auffassung der Vorentscheidung - nicht um die Berücksichtigung sog. wertaufhellender Umstände bei Bilanzaufstellung der Klägerin. Denn die gesetzlich vorgesehenen Bewertungsvorschriften, zu denen die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik gehören, betreffen nicht die betrieblichen Verhältnisse des Unternehmens der Klägerin am Bilanzstichtag 30. Juni 1983. Zwar beeinflussen die jeweils gültigen Bewertungsvorschriften den Wert der bestehenden Pensionsverpflichtungen der Klägerin, der Bestand und der Umfang ihrer Verpflichtungen werden aber dadurch nicht berührt.