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BFH-Urteil vom 8.6.1994 (X R
36/91) BStBl. 1995 II S. 16 Wird ein Darlehen in Teilbeträgen ausbezahlt und von den Teilbeträgen vereinbarungsgemäß jeweils ein Damnum einbehalten, sind nur die vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken einbehaltenen Beträge nach § 10 e Abs. 6 EStG als Vorkosten abziehbar. EStG § 10e Abs. 6. Vorinstanz: Hessisches FG Sachverhalt I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, errichteten ein Einfamilienhaus, das am 15. März 1988 fertiggestellt und von ihnen bezogen wurde. In der Einkommensteuererklärung 1988 machten die Kläger unter anderem ein Damnum in Höhe von 1.003,75 DM als Vorkosten (§ 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1987 - EStG -) geltend, das die Bank bei Auszahlung eines Darlehensteilbetrages in Höhe von 36.500 DM am 22. April 1988 vereinbarungsgemäß einbehalten hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ das Damnum nicht zum Abzug zu. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1988 war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 385 veröffentlicht. Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10 e Abs. 6 EStG. Das Damnum sei vor Bezug der Wohnung entstanden, weil es auf der Darlehensvereinbarung aus dem Jahre 1987 beruhe. Das Darlehen über insgesamt 246.000 DM sei lt. Vertrag für die Bauherstellung zu verwenden gewesen und nur in Teilbeträgen nach Baufortschritt aufgrund Einzelnachweises geleistet worden. Die letzte Darlehensrate habe daher erst ausgezahlt werden können, nachdem die Baufertigstellung dem Darlehensgeber nachgewiesen worden sei. Das gesamte Darlehen beziehe sich somit auf die Bauherstellung (Fertigstellung). Der Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung könne aber niemals vor der Fertigstellung des Baues liegen. Somit entfalle das gesamte Darlehen und daher auch das gesamte in Rechnung gestellte Damnum wirtschaftlich auf die Zeit vor der erstmaligen Nutzung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) sei ein Teil des Damnums zwar grundsätzlich ein laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins; es habe aber auch die üblichen Kosten der Kreditbeschaffung zu decken. Aus dem Hinweis des BGH auf die übliche Höhe der Kreditbeschaffungskosten von 2 bis 3 v. H. könne gefolgert werden, daß bei einem Disagio von 2,75 v. H. keine verdeckte laufzeitabhängige Zinszahlung zu vermuten sei. Die üblichen Kosten für die Kreditbeschaffung entstünden aber nicht erst mit der (Teil-) Auszahlung des Darlehens, sondern mit Abschluß des Darlehensvertrages. Der Darlehensgeber habe stets einen Anspruch auf Erstattung dieses Kostenteils, auch wenn der Darlehensvertrag vorzeitig beendet oder die Darlehenssumme nicht ausgezahlt werde. Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1988 einen weiteren Betrag von 1.003,75 DM nach § 10 e Abs. 6 EStG zu berücksichtigen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Entscheidungsgründe II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG das Damnum nicht zum Abzug als Vorkosten zugelassen. 1. Nach § 10 e Abs. 6 EStG sind nur die Aufwendungen als Vorkosten abziehbar, die vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken "entstanden" sind. 2. Die Auslegung des Merkmals "Entstehen" ist umstritten. Ein Teil der FG hält unter Berufung auf Schmidt/Drenseck (Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 10 e Anm. 9 d) eine Aufwendung für entstanden und damit nach § 10 e Abs. 6 EStG für abziehbar, wenn sie vor Bezug der Wohnung abgeflossen ist (z. B. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 29. September 1993 II 421/93, EFG 1994, 206; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. September 1993 12 K 143/91, EFG 1994, 479). Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abs. 50 ff.) und nach überwiegender Meinung im Schrifttum (z. B. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 e EStG Anm. 518, und Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 10 e EStG Rz. 146, jeweils m. w. N.) sind Aufwendungen vor Bezug der Wohnung entstanden, wenn sie wirtschaftlich einen Zeitraum betreffen, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung noch nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Vorausbezahlte, laufzeitbezogene Schuldzinsen werden daher nur zum Abzug als Vorkosten zugelassen, soweit sie auf die Überlassung des Kapitals in der Zeit vor Bezug der eigengenutzten Wohnung entfallen. Für die Abziehbarkeit eines Damnums soll es dagegen auf den Zeitpunkt der Leistung ankommen. Lediglich wenn das Damnum nach Bezug abfließt, soll zu prüfen sein, welchem Zeitraum es wirtschaftlich zuzuordnen ist mit der Folge, daß der auf die Zeit vor Bezug entfallende Teilbetrag abgezogen werden darf (BMF-Schreiben, a. a. O., BStBl I 1990, 626, Abs. 51; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 10 e EStG Anm. 518; Littmann/Bitz/Meincke, a. a. O., § 10 e EStG Rz. 146, jeweils m. w. N.). 3. Nach den Urteilen des Senats vom 8. Juni 1994 X R 26/92, BFHE 174, 535, BStBl II 1994, 930, und X R 30/92, BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893 kommt es für die Abziehbarkeit von Aufwendungen nach § 10 e Abs. 6 EStG darauf an, wann diese wirtschaftlich entstanden sind. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893 sind laufzeitbezogene Aufwendungen (im entschiedenen Fall vierteljährlich im voraus zu zahlende Darlehenszinsen) daher aufzuteilen und - unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung - als Vorkosten zu berücksichtigen, soweit sie auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfallen. Ein bei Auszahlung der Darlehenssumme einbehaltenes Damnum ist nach dem BFH-Urteil in BFHE 174, 535, BStBl II 1994, 930 - jedenfalls bis zum Veranlagungszeitraum 1989 - entsprechend den Entscheidungen zu § 21 a EStG a. F. wirtschaftlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem es vereinbarungsgemäß getilgt worden ist. Der Rechtsprechung zu § 21 a EStG a. F. lag die Vorstellung zugrunde, daß mit einem Damnum im wesentlichen einmalige Kosten der Kreditbeschaffung und andere Aufwendungen des Kreditgebers abgegolten werden. Der Senat ließ in der letztgenannten Entscheidung offen, ob aufgrund der im Jahr 1990 bekanntgewordenen, geänderten Rechtsprechung des BGH zur Rechtsnatur des Damnums (BGH-Urteile vom 29. Mai 1990 XI ZR 231/89, Der Betrieb - DB - 1990, 1610, und vom 12. Oktober 1993 XI ZR 11/93, DB 1994, 726) dieses künftig den laufzeitabhängigen Schuldzinsen gleichzustellen ist. Der BGH ist der Auffassung, das Damnum habe weitgehend seine "Funktion als Abgeltung" einmaligen Verwaltungsaufwands verloren und diene in der Bankpraxis überwiegend nur noch als "Rechenfaktor" für die Zinsbemessung während des Zinsfestschreibungszeitraums. Eine Gleichstellung mit den laufzeitabhängigen Zinsen hätte zur Folge, daß das Damnum auf den Zinsfestschreibungszeitraum zu verteilen wäre und nur abgezogen werden dürfte, soweit es auf die Zeit vor Bezug entfiele. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ist nach Auffassung des erkennenden Senats aber jedenfalls in Veranlagungszeiträumen vor der Änderung der zivilrechtlichen Rechtsprechung von der bisherigen Beurteilung auszugehen. 4. Im Streitfall wurde das vereinbarte Damnum jeweils anteilig mit Auszahlung der betreffenden Teilsumme des Darlehens einbehalten. Mit dem Einbehalt war das Damnum geleistet (BFH-Beschluß vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144). Der streitige Damnumsbetrag war somit erst nach Bezug der Wohnung entstanden. Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob ein Damnum - entsprechend der Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben, a. a. O., BStBl I 1990, 626 Abs. 51 Satz 2) - auch dann zu berücksichtigen ist, wenn es zwar nach Bezug der eigengenutzten Wohnung geleistet worden ist, aber wirtschaftlich auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfällt. Denn ein Damnum, das in Teilbeträgen von den ausgezahlten Darlehensraten einbehalten wird, entfällt wirtschaftlich auf den Zeitpunkt der Auszahlung des jeweiligen Darlehensbetrages. Das Entstehen der zivilrechtlichen Verpflichtung zur Zahlung des Damnums ist nicht entscheidend. Wird nach der vertraglichen Vereinbarung das Damnum nicht in einem Betrag bei der ersten Auszahlungsrate, sondern anteilig bei den einzelnen Darlehensraten einbehalten, ist davon auszugehen, daß damit die jeweiligen, mit der Kreditbeschaffung der Teilbeträge zusammenhängenden Kosten abgegolten werden sollen. |