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  BFH-Urteil vom 12.10.1994 (XI R 78/93) BStBl. 1995 II S. 33

Die Voraussetzungen für den Anspruch des FA auf Berichtigung der Vorsteuer gegen den Leistungsempfänger sind gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 UStG 1980 - auch wirtschaftlich - erst erfüllt, wenn der Unternehmer den gesondert (zu hoch) ausgewiesenen Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt hat.

UStG 1980 § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 2 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3; KO § 3 Abs. 1, § 57, § 58, § 59.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der Z-KG (Gemeinschuldnerin).

Im Jahr 1985 lieferte die Fa. L-KG mehrfach Metall direkt an Kunden der Gemeinschuldnerin und stellte dieser 3.504.121,12 DM zzgl. 490.576,96 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Die Umsatzsteuer zog die Gemeinschuldnerin in ihren Voranmeldungen als Vorsteuer ab. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens am 24. Februar 1986 berichtigte die L-KG die zurückgegebenen Originalrechnungen gemäß § 17 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980, weil die zugrundeliegenden (Ausfuhr-)Lieferungen von Anfang an steuerfrei gewesen seien. Der Kläger kam der Aufforderung zur Berichtigung der Vorsteuer nicht nach. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) korrigierte mit Bescheid vom 30. Oktober 1987 die Vorsteuer entsprechend. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Der Vorsteuerrückforderungsanspruch sei keine Masseschuld, sondern eine Konkursforderung; der Anspruch des FA sei zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung gemäß § 3 Abs. 1 der Konkursordnung (KO) bereits begründet gewesen. Die Rückgabe und die Berichtigung der Rechnung seien unerheblich.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 14 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980 sowie der §§ 57, 58, 59 KO.

Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, und trägt vor:

Entgegen der Auffassung des FA sei der Anspruch auf Vorsteuerberichtigung vor Konkurseröffnung begründet worden. Die relevanten Warenumsätze hätten sich vor Konkurseröffnung ereignet. Es sei erst durch eine Betriebsprüfung aufgedeckt worden, daß die Steuern zu Unrecht in Rechnung gestellt worden seien. Die Rückforderung des FA gehe eindeutig auf vorkonkursliche Handlungen der Gemeinschuldnerin zurück. Es reiche aus, daß die Forderung "begründet" gewesen sei, möge sie auch noch nicht vollständig entstanden sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Februar 1993 VII R 12/92, BFHE 170, 300, BStBl II 1994, 207, und vom 21. September 1993 VII R 119/91, BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83). Die mißverständlichen Äußerungen in dem Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79 (BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226) seien durch die neueste Rechtsprechung klargestellt worden, die eindeutig der konkursrechtlichen Betrachtungsweise zuneige.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG war das FA berechtigt, die Vorsteuer in dem Bescheid vom 30. Oktober 1987 zu berichtigen.

1. Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er auch den Mehrbetrag. Der Empfänger der Leistung ist seinerseits berechtigt, die zu Unrecht ausgewiesene Steuer als Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 abzuziehen (BFH-Urteil vom 23. Januar 1992 V R 66/85, BFHE 167, 221, 227). Berichtigt der leistende Unternehmer den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, so ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 § 17 Abs. 1 UStG 1980 entsprechend anzuwenden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 hat der Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen.

Die Berichtigung ist bei Änderung der Bemessungsgrundlage für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980). In vergleichbarer Weise ist in den Fällen eines zunächst zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags die Korrektur für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Rechnung berichtigt wird. Während der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (allgemein) in § 13 Abs. 1 UStG 1980 geregelt ist, trifft § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 für den Fall der Änderung der Bemessungsgrundlage und - über § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 - für den Fall der Berichtigung eines zu Unrecht ausgewiesenen höheren Steuerbetrags eine eigenständige Regelung, nach der die Voraussetzungen für die Ansprüche aus den Berichtigungen (erst) mit den Berichtigungen erfüllt sind und verfahrensrechtlich für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen sind, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten bzw. die Berichtigung der Rechnung vorgenommen worden ist (dazu vgl. BFH-Urteile vom 12. Juni 1975 V R 42/74, BFHE 116, 201, BStBl II 1975, 755; vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226). In dem letztgenannten Urteil hat der BFH für den Vorsteuerberichtigungsanspruch im vergleichbaren Fall der Uneinbringlichkeit ausgeführt, daß der Tatbestand, aus dem sich dieser Anspruch ergebe, nicht bereits mit dem Abzug der Vorsteuer durch den (späteren) Gemeinschuldner, sondern erst mit der Uneinbringlichkeit der dem Vorsteuerabzug zugrundeliegenden Entgelte verwirklicht werde.

Angesichts dieser Rechtslage ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Vorsteuerberichtigungsanspruch zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits begründet gewesen sei. Der Anspruch ist vielmehr erst mit der Berichtigung der Rechnung der L-KG begründet worden. Hätte die L-KG die Rechnung nicht berichtigt, hätte sie weiterhin die ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet, und wäre die Gemeinschuldnerin weiterhin zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Daß die Grundlagen für die Vorsteuerberichtigung bereits mit den entsprechenden Warenlieferungen gelegt worden waren, steht dem nicht entgegen. Die Berichtigung der Rechnung ist insoweit ein neues Ereignis, dem selbständige Bedeutung als Besteuerungstatbestand zukommt und das den Anspruch auf Vorsteuerberichtigung originär entstehen läßt; nicht nur formal-rechtlich, sondern auch wirtschaftlich wird der Anspruch auf Korrektur der Vorsteuer erst mit der Berichtigung der Rechnung begründet; die von dem Kläger angeführten BFH-Urteile in BFHE 170, 300, BStBl II 1994, 207 und in BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83 stehen der hier vertretenen Auffassung daher nicht entgegen. Der Anspruch ist somit erst nach Konkurseröffnung entstanden und demzufolge keine Konkursforderung i. S. des § 3 Abs. 1 KO (zur Geltendmachung von Steueransprüchen im Konkursverfahren vgl. BFH-Urteil in BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226).