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  BFH-Beschluß vom 13.7.1994 (I B 53/94) BStBl. 1995 II S. 65

Werden in dem Körperschaftsteuerbescheid des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft keine Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesetzt und deshalb die Anrechnung der auf die Einnahmen entfallenden Körperschaftsteuer verweigert, so ist vorläufiger Rechtsschutz nur durch Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides zu gewähren.

KStG 1984 § 51; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 3; FGO § 69.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine am 7. Mai 1991 errichtete GmbH, deren Satzungszweck das Halten und Verwalten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften ist. Das Stammkapital der Antragstellerin betrug bei Gründung 50.000 DM. Gesellschafter wurden A und B.

Die Antragstellerin erwarb am 16. Juli 1991 sämtliche Geschäftsanteile an der X-GmbH für 1.650.000 DM, die zuvor von A zu 40 v. H., von B zu 25 v. H. und von C zu 35 v. H. gehalten worden waren. Satzungsgegenstand der X-GmbH war die Verpachtung von Wirtschaftsgütern an Dritte. Die X-GmbH hatte im Jahre 1989 wesentliche Teile ihres damaligen Anlagevermögens veräußert. Den dadurch erzielten Gewinn schüttete sie in Höhe von 900.000 DM nach dem 16. Juli 1991 an die Antragstellerin aus. Dadurch wurden folgende Steuerbeträge anrechenbar:

 

Körperschaftsteuer

506.250 DM

Kapitalertragsteuer

225.000 DM

Solidaritätszuschlag

16.875 DM

 

----------------

Summe:

748.125 DM

Die Antragstellerin erfaßte in ihrer Gewinnermittlung 1991 Erträge aus Beteiligungen in Höhe von 1.464.062,50 DM und stellte diesen eine Teilwertabschreibung auf die Anschaffungskosten der Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von 1.406.250 DM gegenüber. Dadurch ergab sich für die Antragstellerin ein zu versteuerndes Einkommen von nur 22.659 DM.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beurteilte den Erwerb der Geschäftsanteile der X-GmbH durch die Antragstellerin als einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Als Rechtsfolge des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) behandelte er A und B so, als hätten nur sie die Dividendeneinkünfte der X-GmbH erzielt. Durch Körperschaftsteuerbescheid 1991 vom 12. Juni 1992 stellte er das Einkommen 1991 mit ./. 4.537 DM und die Tarifbelastung mit 0 DM fest. Die Körperschaftsteuer 1991 wurde auf 0 DM festgesetzt. Im Bescheid des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) zum 31. Dezember 1991 vom 12. Juni 1992 wurde das zu versteuernde Einkommen dem EK 02 zugeordnet.

Die Antragstellerin legte gegen beide Bescheide Einsprüche ein, über die - soweit bekannt - noch nicht entschieden ist.

Mit Schreiben vom 9. Juli 1992 beantragte die Antragstellerin beim FA die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Dies lehnte das FA durch Verfügung vom 19. August 1992 ab. Deshalb stellte die Antragstellerin am 15. März 1993 einen entsprechenden Antrag beim Finanzgericht (FG). Diesen Antrag lehnte das FG durch Beschluß vom 31. Januar 1994 ab. Es ließ jedoch die Beschwerde zu. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am 8. Februar 1994 zugestellt. Sie legte am 21. Februar 1994 Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG Nürnberg vom 31. Januar 1994 I 67/93 aufzuheben und dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattzugeben.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1991 gegen Sicherheitsleistung entsprechend dem Antrag der Antragstellerin. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch des vEK-Bescheides zum 31. Dezember 1991 war allerdings abzulehnen.

A.

(Aussetzung der Vollziehung

des Körperschaftsteuer-Bescheides)

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1991 ist zulässig.

a) Nach § 51 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) setzt die Anrechnung der nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anrechenbaren Körperschaftsteuer bei einer körperschaftsteuerpflichtigen Person voraus, daß die mit der Körperschaftsteueranrechnung korrespondierenden Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 oder Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG bei der Veranlagung der körperschaftsteuerpflichtigen Person erfaßt wurden. Zwar begründet eine entsprechende Erfassung von Einnahmen keine Besteuerungsgrundlage i. S. des § 157 Abs. 2 AO 1977, die mit Rechtsbehelfen selbständig anfechtbar wäre und deren Vollziehung selbständig ausgesetzt werden könnte. Dies bedeutet jedoch nur, daß als Rechtsbehelf gegen die Nichterfassung von Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid gegeben ist. Vor dem FG muß ggf. eine Anfechtungsklage erhoben werden. Gerade deshalb ist vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides zu gewähren, in dem die Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach der Rechtsauffassung des Rechtsbehelfsführers zu Unrecht nicht erfaßt wurden.

b) Eine entsprechende Aussetzung der Vollziehung des gegen die Antragstellerin gerichteten Körperschaftsteuerbescheides 1991 führt nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Aussetzung der Vollziehung sog. negativer Gewinnfeststellungsbescheide (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637) zu einer vorläufigen Erfassung der Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 oder Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG mit der weiteren Folge, daß die auf die Einnahmen entfallende Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag gemäß § 49 Abs. 1 KStG 1984, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG vorläufig anzurechnen sind.

2. Der Antrag ist auch begründet.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u. a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken. Derartige Umstände sind im Streitfall gegeben.

b) Die von der Antragstellerin und ihren Gesellschaftern gewählte Gestaltung hatte einerseits zum Ziel, der Antragstellerin die Möglichkeit einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung zu eröffnen (vgl. aa), die die Gesellschafter der X-GmbH in Ermangelung entsprechender Anschaffungskosten nicht gehabt hätten, zumal sie ihre Beteiligungen an der X-GmbH vermutlich im Privatvermögen hielten. Außerdem wollten die Gesellschafter der X-GmbH anstelle von Gewinnanteilen einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn versteuern (vgl. bb).

aa) Was die Vornahme einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung durch die Antragstellerin anbelangt, so ergeben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides aus § 50 c EStG. Nach dieser Vorschrift ist eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung steuerlich nur dann nicht anzuerkennen, wenn die Anteile von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben wurden. Ein solcher Erwerb steht im Streitfall nicht zur Diskussion. Dann aber könnte aus § 50 c EStG im Umkehrschluß folgen, daß bei einem Erwerb der Geschäftsanteile von einem anrechnungsberechtigten Anteilseigner die sich anschließende ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung als im System des Körperschaftsteuerrechts liegend anzusehen und deshalb nicht mißbräuchlich ist.

bb) Was die Umqualifizierung von laufenden Dividendeneinkünften in einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn der Gesellschafter anbelangt, so handelt es sich an sich um eine Möglichkeit, die jedem Gesellschafter zusteht, wenn er seine Beteiligung veräußern will und kann. Er kann dann durch die Thesaurierung von Gewinnen innerhalb seiner Kapitalgesellschaft bzw. durch den Verzicht auf bestimmte, eigene Forderungen gegen die Kapitalgesellschaft laufende Einkünfte vermeiden und sie statt dessen als Teil seines Veräußerungsgewinnes vereinnahmen. Man kann der Auffassung sein, daß diese Möglichkeit im System des deutschen Steuerrechts verankert und als solche kein Mißbrauch ist.

cc) Im übrigen nimmt der Senat auf seinen Beschluß vom 3. Februar 1993 I B 90/92 (BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426) Bezug. Die dort genannten Aussetzungsgründe greifen auch im Streitfall durch.

3. Der Senat hält eine Aussetzung der Vollziehung allerdings nur gegen Sicherheitsleistung für geboten. FA und FG haben die Aussetzung der Vollziehung bisher nur aus Zulässigkeitsgründen abgelehnt. Es fehlt deshalb an einer materiell-rechtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuerbescheides 1991. Zudem ist die Antragstellerin eine Kapitalgesellschaft. Sollte der Betrag von knapp 750.000 DM ohne Sicherheitsleistung ausbezahlt werden, so ist nicht sichergestellt, daß ausreichende Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen, wenn es im Hauptsacheverfahren zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage kommen sollte.

B.

(Aussetzung der Vollziehung des vEK-Bescheides)

Der Antrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat kein Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende Aussetzung der Vollziehung dargelegt. Sie ist durch die Zuordnung eines negativen Einkommens zum EK 02 nicht belastet. Über die Frage, ob sich für 1991 ein positives Einkommen ergibt, das im EK 50 zu gliedern wäre, kann wegen § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1984 nur im Körperschaftsteuerbescheid 1991 entschieden werden.