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BFH-Urteil vom
29.9.1994 (III R 80/92) BStBl. 1995 II S. 72
1. Dient ein Gebäude (Gebäudeteil) ausschließlich eigenbetrieblichen Zwecken, so ist eine weitere Aufteilung auch dann nicht vorzunehmen, wenn es (er) im Rahmen mehrerer selbständiger (eigener) Betriebe genutzt wird. Von selbständigen Wirtschaftsgütern ist bei gleichen Nutzungsverhältnissen jedoch dann auszugehen, wenn das Gebäude (der Gebäudeteil) nach dem WEG in Teileigentum aufgeteilt wurde. 2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob ein Gebäude (Gebäudeteil) gemäß § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 rechtzeitig fertiggestellt worden ist. InvZulG 1982 § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 5, § 5 Abs. 3; WEG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1. Vorinstanz: FG Baden-Württemberg Sachverhalt Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Apotheker. Er errichtete zusammen mit einem Partner in X einen größeren Gebäudekomplex. Dieser umfaßte nach einer 1982 entwickelten Konzeption Räumlichkeiten für eine Apotheke, verschiedene Arztpraxen, einen Supermarkt, eine Buchhandlung, ein Sanitätshaus, einen Drogeriemarkt (D-Markt), ein Hörstudio sowie eine Rechtsanwaltspraxis. Die Apotheke, das Sanitätshaus, die Buchhandlung sowie der D-Markt sollten nach ihrer Fertigstellung den verschiedenen Unternehmen des Klägers und seiner Ehefrau (Buchhandlung) dienen. Am 27. September 1985 beantragte der Kläger für diese Gebäudeteile eine Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für das Kalenderjahr 1984. In dem Zulagenantrag vom 24. September 1985 sind die betreffenden Wirtschaftsgüter als "Marktzentrum X: Apotheke, Sanitätshaus, Buchhandlung, Laden D-Markt, Parkplätze" bezeichnet; das Begünstigungsvolumen ist mit "anteilig aus ... DM" angegeben. Wegen weiterer Einzelheiten wurde auf das "Baukonto Buchhandlung" sowie einen "Bericht über USt Außenprüfung v. 12. 7. 1984" hingewiesen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die Gewährung der beantragten Investitionszulage mit der Begründung, die strittigen Einheiten in dem Gebäudekomplex seien am 31. Dezember 1984 lediglich als sog. veredelter Rohbau fertiggestellt gewesen. Das FA berief sich hierzu auf die im Rahmen einer Außenprüfung getroffenen Feststellungen. Einspruchs- und Klageverfahren hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Eine Entscheidung der Frage, ob die Bezeichnung der Wirtschaftsgüter in dem Investitionszulagenantrag vom 24. September 1985 den in § 5 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1982 gestellten Anforderungen genüge, erübrige sich. Denn der Kläger habe die in § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982 festgelegte Fertigstellungsfrist nicht eingehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Hinweise auf Urteile vom 16. Dezember 1988 III R 186/83, BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203, und vom 21. Juli 1989 III R 89/85, BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906) sei ein Betriebsgebäude dann fertiggestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen seien und der Bau so weit gefördert sei, daß das Gebäude für den Betrieb genutzt werden könne. Entscheidend komme es darauf an, ob das Gebäude in allen seinen wesentlichen Bereichen für den Betrieb nutzbar sei. Ein Stand der Bauarbeiten, bei dem lediglich ein Teil des Gebäudes der betrieblichen Nutzung zur Verfügung stehe, reiche für die Fertigstellung nicht aus. Die dem Kläger zuzurechnenden Gebäudeteile seien schon deshalb nicht rechtzeitig fertiggestellt gewesen, weil die Sozialräume, die Sanitäreinrichtungen sowie die Putzarbeiten im Flur, in den Treppenaufgängen und Lagerräumen unstreitig am 31. Dezember 1984 gefehlt hätten. Im übrigen verkenne der Kläger bei seinem den Bauzustand der Ladenbereiche hervorhebenden Klagevortrag, daß die Fertigstellung eines Betriebsgebäudes bzw. eines betrieblich genutzten selbständigen Gebäudeteils nicht davon beeinflußt werden könne, daß Ladeneinbauten unter Umständen Betriebsvorrichtungen und damit selbständig bewertbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien. Denn die Frage, ob ein Gebäude fertiggestellt sei, beantworte sich für das Investitionszulagenrecht allein nach dem Baufortschritt und dem bautechnischen Zustand des Gebäudes. Auf die steuerrechtliche Bewertung der einzelnen Gebäudeteile komme es nicht an. Wenn ein Gebäude wegen des Einbaus von Betriebsvorrichtungen bautechnisch erst nach Ablauf der Frist fertiggestellt werde, könne die Investitionszulage nicht gewährt werden. Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 4 b InvZulG 1982. Er trägt im wesentlichen vor: Das FG verkenne den Begriff der Fertigstellung im InvZulG 1982, wenn es die Gebäudeteile als nicht fertiggestellt ansehe, weil die Sozialräume, die Sanitäreinrichtungen (Naßzelle und Toilette) sowie die Putzarbeiten im Flur, in den Treppenaufgängen und Lagerräumen fehlten. Es gehe in seiner Entscheidung rechtsirrig davon aus, daß es sich bei den nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) selbständigen Ladengeschäften um eine Einheit handele. Die Ladengeschäfte dienten vielmehr verschiedenen Zwecken und ständen in keinem Nutzungs- und Funktionszusammenhang zueinander. So werde die Buchhandlung von der Ehefrau als Pächterin selbständig betrieben. Die Apotheke und der Sanitätsmarkt (D-Markt/Sanitätshaus) seien selbständige Ladengeschäfte. Dies komme schon darin zum Ausdruck, daß es sich hierbei um abgeschlossene Einheiten i. S. des WEG handele. In seiner Entscheidung vom 9. August 1989 X R 77/87 (BFHE 158, 51, BStBl II 1991, 132) habe der BFH ausdrücklich hervorgehoben, daß Teile eines Gebäudes mit eigenständiger Nutzung und Funktion nicht im Zusammenhang mit den übrigen Gebäudeteilen gesehen werden könnten. Für jedes der Ladengeschäfte hätte die Fertigstellung daher selbständig geprüft werden müssen. Wenn das FG darauf abstelle, daß die Sozialräume, die Sanitäreinrichtungen sowie die Putzarbeiten fehlten, so habe es übersehen, daß sowohl für die Buchhandlung als auch für den D-Markt keine Sozialräume, Sanitäreinrichtungen und Innenputzarbeiten geplant oder beabsichtigt gewesen seien. Diese seien für die Nutzung auch nicht notwendig und bis heute nicht vorhanden. In der Apotheke seien nur geringe Beiputzarbeiten vorgenommen worden. Sämtliche Wände und Decken seien einheitlich durch Schrank- und Beleuchtungselemente durchgehend gestaltet worden, die nach den Grundsätzen rationaler und verkaufspsychologischer Gestaltung aufeinander abgestimmt worden seien. Dies gelte auch für die zusammen mit dem Ladenausbau verlegten Fußböden. Das FG hätte mithin die drei selbständigen Ladengeschäfte nicht als Einheit behandeln dürfen. Für die selbständigen Gebäudeeinheiten Buchhandlung und D-Markt hätte die Investitionszulage schon deshalb gewährt werden müssen, weil sich die beanstandeten Restfertigstellungsarbeiten nur auf die Einheit Apotheke bezogen hätten. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und die Investitionszulage wie beantragt festzusetzen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). 1. Zu Unrecht hat das FG Zweifel an der Wirksamkeit des Zulagenantrags des Klägers geäußert. Der vom Kläger am 27. September 1985 eingereichte Antrag auf Gewährung der sog. Beschäftigungszulage entspricht den Anforderungen des § 5 Abs. 3 InvZulG 1982. Nach dieser Vorschrift muß auch der Antrag auf Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1982 innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung der begünstigten Anlagegüter endet, gestellt werden. Da Objekt der Förderung das einzelne Wirtschaftsgut ist, müssen die Wirtschaftsgüter in dem Antrag so genau bezeichnet werden, daß ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist (§ 5 Abs. 3 Satz 4 InvZulG 1982). Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Angabe der Höhe der Investitionssumme für die Wirksamkeit des Antrags nicht erforderlich (Beschluß vom 17. März 1989 III B 136/87, BFHE 156, 539, BStBl II 1989, 630). Der Kläger hat in seinem Antrag als Investitionsgüter die in X vorgenommene Herstellung einer Apotheke, eines Sanitätshauses, einer Buchhandlung, eines Ladens D-Markt sowie von Parkplätzen angegeben. Er hat damit die Investitionsgüter in einer Art und Weise bezeichnet, wie sie auch später als selbständige Wirtschaftsgüter oder unselbständige, aber näher umrissene, Teile eines einheitlichen Wirtschaftsguts in den Bilanzen in Erscheinung treten und mithin einer Nachprüfung zugänglich sind. 2. Rechtsfehlerhaft hat das FG nicht geprüft, ob es sich bei den einzelnen "Gebäudeteilen" um selbständige Wirtschaftsgüter (aufgrund Teileigentums oder unterschiedlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhänge) handelte und diese oder einzelne von ihnen möglicherweise am 31. Dezember 1984 bereits fertiggestellt waren. Nach § 4 b Abs. 2 InvZulG 1982 wird für die Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bei Vorliegen weiterer hier nicht streitiger Voraussetzungen eine Zulage gewährt, wenn die Wirtschaftsgüter vor dem 1. Januar 1985 fertiggestellt worden sind (§ 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1982). Wie der erkennende Senat in dem zu § 4 b InvZulG 1975 ergangenen Urteil in BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203 entschieden hat, ist der Begriff der Fertigstellung im Investitionszulagenrecht, wie andere aus dem Einkommensteuerrecht entnommene Begriffe, entsprechend den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, es sei denn, aus dem Sinn und Zweck des InvZulG ergebe sich etwas anderes (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906). Dies gilt für die Zulage nach § 4 b InvZulG 1982 gleichermaßen. Ein Betriebsgebäude ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH her- bzw. fertiggestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und das Gebäude in vollem Umfang dem Betrieb zur Verfügung steht (vgl. Urteil vom 10. April 1987 III R 104/82, BFH/NV 1987, 601 m. w. N.). a) Nach den auch im Investitionszulagenrecht anwendbaren Grundsätzen des Großen Senats des BFH (Entscheidung vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) kann ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden, wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen (Senatsurteil vom 14. Juli 1989 III R 29/88, BFHE 157, 472, BStBl II 1989, 903). Von den vom Großen Senat genannten vier Kategorien unterschiedlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhänge kommen im Streitfall die der eigenbetrieblichen und der fremdbetrieblichen Nutzung in Betracht. Einer der zu beurteilenden "Gebäudeteile" war unstreitig dazu bestimmt, der Ehefrau des Klägers als Laden zum Betrieb einer Buchhandlung zu dienen. Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze handelt es sich bei diesem fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteil um ein selbständiges Wirtschaftsgut, dessen Fertigstellung im Rahmen der Gewährung der Investitionszulage gesondert zu würdigen ist. Die übrigen "Gebäudeteile", die vom Kläger zum Betrieb einer Apotheke, eines Sanitätshauses sowie eines D-Marktes genutzt werden sollten, stehen in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang (eigenbetriebliche Nutzung) und stellen somit nur ein Wirtschaftsgut dar, sofern nicht jeweils oder teilweise Teileigentum vorlag (s. hierzu unten, Buchst. b). Eine weitere Differenzierung danach, ob die Nutzung durch mehrere selbständige eigene Betriebe geschieht, mit der Folge einer weiteren Aufteilung des Gebäudes (Gebäudeteils), ist nicht zulässig (vgl. BFH-Urteile in BFHE 157, 472, BStBl II 1989, 903, und vom 18. Februar 1987 X R 21/81, BFHE 149, 88, BStBl II 1987, 463). Soweit ersichtlich, geht - ebenso wie die Finanzverwaltung in Abschn. 13 Abs. 4 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1993 - auch das Schrifttum übereinstimmend davon aus, daß eine weitere Aufteilung innerhalb der maßgebenden Nutzungs- und Funktionszusammenhänge nicht vorzunehmen ist (vgl. z. B. Nieland in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 EStG Rdnr. 186 - Gebäude und Gebäudeteile -; Plückebaum in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. B 82; Blümich/Schreiber, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. 426 ff.; Budde, Die Information 1981, 149; Söffing, Finanz-Rundschau - FR - 1979, 25; Richter, FR 1979, 428; a. A. Wichmann, Betriebs-Berater 1990, 975, der allerdings die Aufteilung eines Gebäudes überhaupt ablehnt). b) Die vom Kläger für seine selbständigen Betriebe genutzten einzelnen "Gebäudeteile" (Läden) stellen jedoch dann selbständige Wirtschaftsgüter dar, wenn es sich hierbei - wie der Kläger nunmehr vorträgt - jeweils um Teileigentum i. S. der §§ 1 Abs. 3 und 7 Abs. 1 WEG handelte. Für die Qualifizierung von im Teileigentum stehenden Räumen als selbständige Wirtschaftsgüter sprechen § 14 Abs. 2 Nr. 2 und § 19 Abs. 2 Nr. 3 des Berlinförderungsgesetzes 1990 (vgl. z. B. Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, § 14 Rdnr. 80 a, § 19 a. F. Rdnr. 154 ff.) sowie § 93 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes und § 7 Abs. 5 a des Einkommensteuergesetzes, der hinsichtlich der juristisch selbständigen Gebäudeeinheiten von selbständigen Wirtschaftsgütern (Abschreibungsobjekten) ausgeht, auch wenn sie in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (vgl. Werndl in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 7 Rdnr. G 13). So werden z. B. von der Rechtsprechung Eigentumswohnungen als selbständige Wirtschaftsgüter beurteilt (vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1991 XI R 22/90, BFH/NV 1992, 238; vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20; vom 13. März 1984 IX R 8/79, BFHE 141, 193, BStBl II 1984, 578, und vom 18. März 1994 III R 6/92, nicht veröffentlicht). Auch die Verwaltung geht offenbar bei im Teileigentum stehenden Räumen von selbständigen Wirtschaftsgütern aus (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1986 IV B 2 - InvZ 1010 - 66/86, Tz. 32, BStBl I 1987, 51, 56). 3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, hat es keine Feststellungen dahin gehend getroffen, ob es sich bei den Läden, die der Kläger für seine verschiedenen Unternehmen nutzt, um Teileigentum i. S. der §§ 1 Abs. 3 und 7 Abs. 1 Satz 1 WEG handelt. Das FG wird diese Feststellungen nachzuholen und im Anschluß daran die Fertigstellung jedes einzelnen Wirtschaftsguts - ggf. auf die Buchhandlung und den übrigen, für die eigenbetrieblichen Zwecke des Klägers genutzten Gesamtkomplex beschränkt - zu prüfen haben.
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