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BFH-Urteil vom
13.7.1994 (XI R 90/92) BStBl. 1995 II S. 84
Die Umsätze einer Personengesellschaft aus einer heilberufsähnlichen Tätigkeit sind auch dann steuerfrei, wenn die Gesellschaft daneben gewerbliche Leistungen erbringt und ihre Einkünfte deshalb einkommensteuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind. UStG 1973/1980 § 4 Nr. 14 Satz 1. Vorinstanz: FG München Sachverhalt Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betrieb eine Massagepraxis in X und einen Saunabetrieb mit Getränke- und Speisenausgabe in Y. Der Saunabetrieb wurde 1980 aufgegeben. Jede der beiden Gesellschafterinnen der Klägerin ist staatlich geprüfte Masseurin und medizinische Bademeisterin. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf die Umsätze der Klägerin in den Streitjahren 1979 und 1980 der Umsatzsteuer. Die Klage, mit der die Klägerin begehrte, Erlöse aus Physiotherapie und Sauna von insgesamt 44.330 DM in 1979 und 98.470 DM in 1980 steuerfrei zu belassen, hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) im Streitjahr 1980 die Umsätze aus der Physiotherapie nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 dem ermäßigten Steuersatz unterwarf und die Umsatzsteuer entsprechend herabsetzte. Das FG führt im wesentlichen aus, maßgebend für die Auslegung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1973/1980 sei die ertragsteuerrechtliche Beurteilung. Danach sei die Tätigkeit der Klägerin in vollem Umfang gewerblich (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), da sie durch den Betrieb der Sauna und die damit verbundene Ausgabe von Speisen und Getränken eine gewerbliche Tätigkeit ausübe. Dies verstehe sich hinsichtlich der Ausgabe von Speisen und Getränken von selbst. Die Verabreichung von Saunabädern, die der Heilung von Krankheiten oder der Gesunderhaltung dienen könne und daher im Einzelfall ärztlich verordnet werde, sei grundsätzlich eine gewerbliche Tätigkeit, da die persönliche Dienstleistung als Voraussetzung für eine freiberufliche Tätigkeit nicht im Mittelpunkt stehe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1970 IV 60/65, BFHE 101, 115, BStBl II 1971, 249). Der Saunabetrieb stelle auch keine Hilfstätigkeit zur Massage dar; allein schon aufgrund der räumlichen Entfernung zwischen X und Y könnten die Saunabäder und die Verköstigung nicht als Vorbereitung oder Nachbehandlung der eigentlichen heilberuflichen Tätigkeit beurteilt werden. Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980. Sie beantragt - zum Teil sinngemäß -, die Vorentscheidung aufzuheben, ihre Umsätze aus der Physiotherapie steuerfrei zu belassen und die Umsatzsteuer für 1979 auf 952,40 DM und für 1980 auf 2.132,40 DM festzusetzen. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es führt im wesentlichen aus, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. u. a. Urteil vom 11. Mai 1989 IV R 43/88, BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797) sei die gesamte Tätigkeit einer Personengesellschaft als Gewerbebetrieb anzusehen, wenn sie neben einer freiberuflichen auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübe. Eine andere Beurteilung wäre nur dann möglich, wenn die verschiedenartigen Tätigkeiten im Rahmen zweier verschiedener Personengesellschaften ausgeübt würden. Dies sei im Streitfall jedoch nicht der Fall. Der Zufluß der Einnahmen im Rahmen des Gewerbebetriebs führe zwingend dazu, daß die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 UStG nicht anwendbar sei.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Nach § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980 sind u. a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit der Umsätze aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt zum einen voraus, daß der Steuerpflichtige die Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen für einen vergleichbaren Beruf erfüllt und diesen ausübt, zum anderen, daß die Umsätze aus der berufstypischen Tätigkeit herrühren (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804; vom 21. Oktober 1971 V R 19/71, BFHE 103, 289, BStBl II 1972, 78, und BFH-Beschluß vom 1. Juni 1987 V B 22/86, BFH/NV 1988, 55). Ist eine GbR der Unternehmer, so kann sie die Steuerfreiheit nur dann beanspruchen, wenn alle Gesellschafter die nach § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980 erforderliche Qualifikation aufweisen (BFH-Urteil vom 26. August 1993 V R 45/89, BFHE 172, 223, BStBl II 1993, 887). Heilmassage, wie sie von der Klägerin unstreitig in der Massagepraxis in X betrieben wird, ist eine den in § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980 genannten heilberuflichen Tätigkeiten ähnliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (BFH-Urteil in BFHE 103, 289, BStBl II 1972, 78). Die Gesellschafterinnen der Klägerin erfüllten als staatlich geprüfte Masseurinnen die Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen für diese von ihnen ausgeübte Tätigkeit. Das FG hat mit zutreffender Begründung den Betrieb der Sauna in Y nicht als heilberufsähnliche, sondern als gewerbliche Tätigkeit der Klägerin beurteilt. Die Annahme einer bloßen Hilfstätigkeit zur heilberufsähnlichen Massagetätigkeit scheitert bereits an der räumlichen Entfernung. Einkommensteuerrechtlich sind die Einkünfte der Klägerin wegen des gewerblichen Betriebs der Sauna insgesamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beurteilen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - i. d. F. vor dem Steuerbereinigungsgesetz - StBereinG 1986 -; vgl. BFH-Urteil in BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797). Eine Bindung an die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte läßt sich jedoch der Regelung in § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980 nicht entnehmen. Die Regelung knüpft für die Beurteilung der Tätigkeit an § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG an. Es muß sich um eine Tätigkeit als Angehöriger eines bestimmten Berufs im Sinne dieser Vorschrift handeln (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1977 V R 144/74, BFHE 122, 181, BStBl II 1977, 579). Das bedeutet, daß die Merkmale des Berufs und die Art der ausgeübten Tätigkeit den Erfordernissen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG entsprechen müssen. Es besagt jedoch nicht, daß die Einkünfte aus dieser Tätigkeit einkommensteuerrechtlich als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu qualifizieren sein müssen. Die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte einer Personengesellschaft, die neben einer freiberuflichen eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, beruht auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG a. F. bzw. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1973/1980 verweist jedoch nur - für die Beurteilung der Tätigkeit - auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Gegen eine über diese gesetzlich vorgeschriebene Anknüpfung hinausgehende Bindung der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung an die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte spricht auch die unterschiedliche Zielsetzung des UStG und EStG. Das UStG besteuert tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge als solche, während das EStG den wirtschaftlichen Erfolg aus der Teilnahme am wirtschaftlichen Geschehen und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfaßt, weshalb die Zuordnung eines solchen Vorgangs zu einer Einkunftsart von weiteren über den eigentlichen Vorgang hinausgehenden Kriterien abhängig sein kann. Zweck der Befreiung heilberuflicher Umsätze ist es, die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten. Diesem Zweck entspricht es, auch bei einer Personengesellschaft, die die Voraussetzungen einer heilberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, die berufseigentümlichen Leistungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Die Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980, wonach Umsätze einer Personengesellschaft aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit unabhängig davon steuerfrei sind, ob einkommensteuerrechtlich wegen daneben ausgeführter gewerblicher Umsätze die Einkünfte insgesamt als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind, steht schließlich auch in Einklang mit der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Nach Art. 13 Abschn. A Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie sind von der Steuer zu befreien die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden. Danach enthält Abschn. 93 der Umsatzsteuer-Richtlinien keine zutreffende Auslegung der Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb der Massagepraxis in X sind nach § 4 Nr. 14 UStG 1973/1980 steuerfrei. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann wegen Differenzen in den dem Revisionsantrag zugrundeliegenden Berechnungen der Klägerin mit der Steuerberechnung des FG die Steuer nicht selbst festsetzen. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.
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