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  BFH-Urteil vom 25.10.1994 (VIII R 79/91) BStBl. 1995 II S. 121

1. Schadensersatzrenten zum Ausgleich vermehrter Bedürfnisse (sog. Mehrbedarfsrenten nach § 843 Abs. 1, 2. Alternative BGB) sind weder als Leibrente noch als sonstige wiederkehrende Bezüge einkommensteuerbar (Einschränkung der Rechtsprechung).

2. An der ständigen Rechtsprechung wird festgehalten, wonach Prozeß- und Verzugszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem normalen Steuersatz zu besteuern sind.

BGB §§ 249, 251, 389, 843 Abs. 1 und 2, 844 Abs. 2; EStG §§ 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2, 20 Abs. 1 Nr. 7, 22 Nr. 1 Satz 1, 24 Nr. 1 Buchst. a, 33 Abs. 1, 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist infolge fehlerhafter ärztlicher Behandlung 1971 arbeitsunfähig geworden. Das Oberlandesgericht (OLG) ... verpflichtete den behandelnden Arzt, der Klägerin ein Schmerzensgeld gemäß § 847 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), eine Mehrbedarfsrente nach § 843 Abs. 1, 2. Alternative BGB rückwirkend ab 1. Januar 1974 von monatlich 500 DM bis an ihr Lebensende sowie Verzugs- und Prozeßzinsen zu zahlen.

Die Haftpflichtversicherung des Arztes leistete im Streitjahr 1985 der Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 DM, die rückständige Mehrbedarfsrente in Höhe von 66.000 DM, eine laufende Rente von 6.000 DM sowie Zinsen in Höhe von insgesamt 72.338 DM. Die Zinsen umfaßten irrtümlich einen um 21.626,44 DM zu hohen Betrag, der im Jahre 1987 mit den der Klägerin zu erstattenden Prozeßkosten sowie mit der monatlichen Mehrbedarfsrente der Jahre 1986 bis 1988 verrechnet worden ist.

Das OLG berechnete die Mehrbedarfsrente wie folgt:

- DM 300 für Hilfs- und Begleitpersonen

- DM 150 für das Halten eines PKW

- DM 50 für sonstige Bedürfnisse wie erhöhte Körperpflege, Diät, Elektro-Rollstuhl.

Die Einkommensteuerbelastung ist nicht als Schadensposten darin enthalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1985 die Nachzahlung der Mehrbedarfsrente in Höhe von 66.000 DM und laufende Mehrbedarfsrente von 6.000 DM als in vollem Umfang steuerpflichtige wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Prozeß- und Verzugszinsen erfaßte das FA als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die danach festzusetzende Einkommensteuer von 67.415 DM verminderte das FA aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf 30.087 DM, um die durch die hohen Nachzahlungen entstandene Steuerprogression zu mildern.

Für das Streitjahr 1986 setzte das FA die Einkommensteuer unter Ansatz einer Mehrbedarfsrente von 6.000 DM auf 2.958 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos. Der Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 199 veröffentlichten Entscheidung nur in geringem Umfang insofern statt, als im Streitjahr 1986 die Mehrbedarfsrente lediglich in Höhe von 4.500 DM zugeflossen sei.

Mit der Klage hatte die Klägerin u. a. geltend gemacht, sowohl die Mehrbedarfsrente als auch die Prozeß- und Verzugszinsen dürften nicht besteuert werden. Die im Laufe des Klageverfahrens für Anschaffung und Betrieb eines PKW als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen berücksichtigte das FA mit Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 1986 vom 17. April 1991.

Für 1985 sah das FA die Voraussetzungen nicht als gegeben an, da der anzuerkennende Betrag nicht die zumutbare Belastung überschreite.

Das FA erklärte die Einkommensteuerfestsetzungen für 1985 mit Änderungsbescheid vom 10. April 1991 und für 1986 mit Änderungsbescheid vom 17. April 1991 im Hinblick auf den Grundfreibetrag für vorläufig. Beide Bescheide hat die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Mit der Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. November 1987 aufzuheben und unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide für 1985 vom 10. April 1991 und für 1986 vom 17. April 1991 die Einkommensteuer in der Weise festzusetzen, daß die Einnahmen aus der Mehrbedarfsrente sowie den Verzugs- und Prozeßzinsen insgesamt als nichtsteuerbar behandelt werden, hilfsweise, die Zinsen gemäß § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG nur ermäßigt zu besteuern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das zum Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich wie folgt geäußert:

Nach dem Wortlaut "wiederkehrende Bezüge" knüpfe § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG allein an die äußere Form der Zahlung an. Die Art des Rechtsgrundes sei unerheblich. Die Auslegung werde durch die Entstehungsgeschichte und den Sinnzusammenhang gestützt. Die Anknüpfung der Besteuerung an wirtschaftliche Vorgänge von gewisser Dauer und Regelmäßigkeit des Zuflusses entspreche dem System aller Einkunftstatbestände in § 2 Abs. 1 EStG. Die erforderliche Gewinnerzielung verwirkliche sich durch auf Wiederholung angelegtes Verhalten.

Schon der Reichsfinanzhof (RFH) habe sich auf die die Besteuerung begründende äußere Form gestützt (Urteile vom 7. Mai 1930 VI A 827/27, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1930, 975; vom 14. Oktober 1936 VI A 82/36, RStBl 1937, 110). Die äußere Form sei auch späterhin als maßgebend betrachtet worden (vgl. Begründung zum Gesetz zur Neuordnung von Steuern, BTDrucks II/481 S. 85). Der Gesetzgeber habe sich mit Einführung der Besteuerung nur des Ertragsanteils von Leibrenten ausschließlich insoweit bei der Besteuerung wiederkehrender Bezüge von der äußeren Form lösen wollen.

Ein Verstoß gegen den der Einkommensbesteuerung zugrundeliegenden Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei nicht gegeben; denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit werde schon allein durch den wiederholten Zufluß gestärkt. Zudem gleiche die Mehrbedarfsrente die verminderte Leistungsfähigkeit aus. Dies sei einer Stärkung der Leistungsfähigkeit gleichzustellen.

Die Einordnung von Unterhaltszuwendungen unter die wiederkehrenden Bezüge bestätige diesen Sinngehalt der Norm.

Dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung würde Genüge getan. Der Besteuerung unterliegende Leistungen seien wegen der Maßgeblichkeit der äußeren Form hinreichend abgrenzbar; damit werde die Vorhersehbarkeit der steuerlichen Behandlung hinreichend gewährleistet. Werde die Erfassung bestimmter wiederkehrend geleisteter Zahlungen als politisch unerwünscht erachtet, so biete sich eine ausdrückliche Steuerfreistellung im Rahmen des § 3 EStG an.

Bei der Beurteilung gewinne das vom FG betonte Argument der Rechtssicherheit besonderes Gewicht.

Das BMF hat keinen Antrag gestellt.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat sich ergänzend zu den zivilrechtlichen Fragen geäußert. Es sieht sich außerstande, bei einer Änderung der Rechtsprechung zur Besteuerung von Schadensersatzrenten den Anpassungsbedarf titulierter Altfälle zu quantifizieren, befürchtet jedoch keine übermäßige Mehrbelastung der Zivilgerichte.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben. Der spruchreifen Klage war hinsichtlich der Mehrbedarfsrente stattzugeben, im übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.

1. Die Mehrbedarfsrente ist nicht nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbar.

a) Die Mehrbedarfsrente erfüllt begrifflich nicht die Merkmale einer Leibrente, sondern die der sonstigen wiederkehrenden Bezüge.

Die Annahme einer nur mit dem Ertragsanteil zu versteuernden Leibrente scheitert bereits an der fehlenden Gleichmäßigkeit der Leistungen. Höhe und Dauer der Geldrente hängen von der Bedürftigkeit des Verletzten ab (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. April 1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809; vom 25. August 1987 IX R 98/82, BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344, 346, und vom 19. Oktober 1978 VIII R 9/77, BFHE 126, 405, BStBl II 1979, 133; Biergans, Renten und Raten, 4. Aufl., S. 82 m. w. N.).

In voller Höhe steuerbare sonstige wiederkehrende Bezüge i. S. des § 22 Nr. 1 EStG liegen vor, wenn sie sich aufgrund eines einheitlichen Rechtsgrundes mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht immer in gleicher Höhe, wiederholen (Urteile in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809, ständige Rechtsprechung, und in BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344, 346 m. w. N.). Das hat der Senat im Urteil in BFHE 126, 405, BStBl II 1979, 133 auch für sog. Unterhaltsrenten nach § 844 Abs. 2 BGB entschieden.

Das überwiegend folgende Schrifttum (Heinicke/Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 22 Anm. 14; Jakob, Lehrbuch zum Einkommensteuerrecht, Rdnr. 58 unter dem Gesichtspunkt eines Transfers von Leistungsfähigkeit; Biergans, a. a. O., S. 83; Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 22 Anm. 6; Jansen/Wrede, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 10. Aufl., Tz. 505; von Bornhaupt in Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 3, 6197, 6204; Bilsdorfer, Anmerkung in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1979, 2423; Schellenberger, Anmerkung in Deutsche Steuerzeitung - DStZ - 1979, 175; Littmann/Bitz/Hellwig, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 22 Tz. 80 ohne nähere Begründung; Steinle, Diss., Schadensersatz und Ertragsteuerrecht 1982, 50, 63) ordnet als Geldrente geleisteten Schadensersatz unterschiedslos den in voller Höhe zu versteuernden sonstigen wiederkehrenden Bezügen zu. Dem sind für Mehrbedarfsrenten nach § 843 Abs. 1, 2. Alternative BGB das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 25. August 1992 13 K 115/90, EFG 1993, 81 - Revision anhängig unter X R 106/92) und das FG Köln (Urteil vom 5. September 1991 7 K 4586/87, EFG 1992, 199, das diesem Revisionsverfahren zugrunde liegt) gefolgt.

b) aa) Der erkennende Senat hatte es bereits in seinem Urteil vom 26. April 1977 VIII R 2/75 (BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631, 632) als fraglich beurteilt, ob es dem Sinn und Zweck des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG entsprechen könne, eine Leistung, die bei einmaliger Zahlung nicht steuerbar wäre, nur deshalb zur Besteuerung heranzuziehen, weil sie - mehr oder weniger zufällig - wiederholt erbracht werde. Der Senat hat diese Bedenken im Falle einer Unterhaltsrente allein deshalb nicht für durchgreifend erachtet, weil diese kraft Gesetzes im Regelfall als Geldrente zu entrichten sei (BFHE 126, 405, BStBl II 1979, 133; ablehnend Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 22 Anm. 10 a), indessen den aufgezeigten Widerspruch zwischen Steuerfreiheit des als Einmalbetrag geleisteten Schadensersatzes und der vollen Steuerbarkeit der Geldrente nicht aufgegriffen.

bb) Die - volle - steuerliche Erfassung wiederkehrender Bezüge, die Schäden im Bereich der privaten Lebensführung abgelten, ist im Schrifttum auf grundlegende Kritik gestoßen (vgl. Grube in Littmann/Bitz/Meincke, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 22 Rdnr. 78; Fischer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 22 B 446 m. w. N.; derselbe, Wiederkehrende Bezüge und Leistungen, 1994 Rz. 456 f. und Beihefter zu Heft 17 Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 7; Seeger in Schmidt, a. a. O., § 24 Anm. 5 c; Scholtz, a. a. O., § 22 Anm. 10 a; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 20. Aufl., - 1992 -, § 22 EStG Anm. 94, 95 - "Unterhaltsleistung" -; Loritz, Steuerliche Vierteljahresschrift - StVj - 1991, 195, 197, 205, 209, 232; Schick, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 22 Nr. 1, Rechtsspruch 123, und NJW 1967, 962, 963; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, 265, 266; derselbe in StuW 1983, 103, 111 - Besteuerung ist Relikt der Quellentheorie -; ferner "Niedergang oder Neuordnung des deutschen Einkommensteuerrechts", herausgegeben von Raupach/Tipke/Uelner, 1985, 116).

c) Der erkennende Senat schränkt seine zur Steuerbarkeit von Schadensersatzrenten vertretene Rechtsprechung nach erneuter Überprüfung auf die Fälle ein, in denen Ersatz für andere, bereits steuerbare Einkünfte geleistet wird, z. B. wegen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (§ 843 Abs. 1, 1. Alternative BGB; § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG; vgl. BFH-Urteil vom 12. September 1985 VIII R 306/81, BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252, 254 m. w. N.; Seeger/Schmidt, a. a. O., § 24 Anm. 1 und 5 c m. w. N.). Die Mehrbedarfsrente ist danach nicht einkommensteuerbar.

aa) Nach § 843 Abs. 1 BGB ist dem Verletzten, wenn u. a. infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eintritt, Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten (sog. Mehrbedarfsrente). Dies gilt gleichermaßen bei Tötung eines unterhaltspflichtigen Dritten (§ 844 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Geldrente ist ihrer Natur nach kein Unterhalt, sondern Schadensersatz. Die für Unterhaltsansprüche geltenden Vorschriften finden auf die Mehrbedarfsrente keine Anwendung (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 52. Aufl., § 843 Rdnr. 4). Der Rechtsanspruch entsteht zivilrechtlich als Ganzes bereits mit der den Mehrbedarf verursachenden Schädigung. Nur die Fälligkeit der einzelnen Rentenbeträge ist hinausgeschoben (vgl. Palandt, a. a. O., 52. Aufl., § 843 Rdnr. 4). Abweichend von §§ 249, 251 BGB wird durch § 843 Abs. 1 BGB der Schadensersatz jedoch nicht in der Form eines Kapitalbetrages, sondern von vornherein als Geldrente geschuldet. Nur aus wichtigem Grund (§ 843 Abs. 3 BGB) kann der Geschädigte ausnahmsweise eine Abfindung in Kapital verlangen.

Werden die Ersatzleistungen als Einmalbetrag erbracht, sind sie nicht steuerbar. Derartige Zahlungen sind keiner der sieben Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG zuzuordnen (BFH-Urteile vom 22. April 1982 III R 135/79, BFHE 135, 512, BStBl II 1982, 496; in BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631; vom 29. Oktober 1963 VI 290/62 U, BFHE 78, 32, BStBl III 1964, 12 - Schmerzensgeld -; vom 21. Februar 1957 IV 630/55 U, BFHE 64, 437, BStBl III 1957, 164; vom 29. Oktober 1959 IV 235/58 U, BFHE 70, 234, BStBl III 1960, 87; BMF-Schreiben vom 26. Oktober 1959 S 2210, Der Betrieb - DB - 1959, 1269).

Der durch die Verletzung höchstpersönlicher Güter eintretende Schaden und der dafür zufließende Ersatz betreffen Vorgänge der nichteinkommensteuerbaren Vermögenssphäre (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 2 EStG Anm. 80).

In gleicher Weise wird die Steuerbarkeit verneint, wenn eine Schadensersatzrente durch eine Kapitalabfindung abgelöst wird (BFH-Urteil vom 23. April 1958 VI 176/57 U, BFHE 67, 10, BStBl III 1958, 277, 278; Urteil des RFH vom 14. Oktober 1936 VI A 82/36, RStBl 1937, 110, der die Unbilligkeit einer Besteuerung hervorhebt; Richter, Handbuch der Rentenbesteuerung, Fach 5.2, S. 19). Mit der Kapitalabfindung fällt die die Steuerbarkeit allein begründende Form der Leistung weg (Urteil des RFH in RStBl 1937, 110; Krebs, Diss. Köln, 1956, Die Grundsätze der Besteuerung des Schadensersatzes im Haftpflichtrecht nach dem Einkommensteuergesetz, S. 40).

Es wird darüber hinaus als zulässig angesehen, die volle Versteuerung der Geldrente durch Umwandlung der Anspruchsgrundlage (Novation) oder durch Ablösung und Verrentung dieses Betrags eine nur mit dem Ertragsanteil zu versteuernde Leibrente zu begründen (Oberfinanzdirektion - OFD - München vom 10. September 1979, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, § 22, Einkommensteuergesetz, Nr. 72, Tz. 3.3; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 22 EStG Anm. 94, 98, 145, 168; Biergans, a. a. O., S. 82; Bilsdorfer, a. a. O., 2423; Jansen/Wrede, a. a. O., Tz. 36, 507; Steinle, Betriebs-Berater - BB - 1981, 359, 361; RFH in RStBl 1937, 110).

Wird anstelle einer Einmalzahlung Schadensersatz in Form einer Geldrente geleistet, so wird diese hingegen als in voller Höhe steuerbar angesehen (vgl. Nachweis oben Ziff. II.1.a).

Eine Besteuerung nur wegen der Form von Bezügen, also allein wegen der Wiederholung, steht jedoch in Widerspruch zu dem das Einkommensteuerrecht rechtfertigenden und zugleich von Verfassungs wegen begrenzenden Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BFH-Urteile vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, 299; vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BFHE 156, 543, BStBl II 1989, 836, 837 m. w. N.). Eine zeitlich gestreckte Auszahlung einer Schadensersatzrente kann grundsätzlich nicht anders besteuert werden als der in einer Summe ausbezahlte Betrag, soweit nicht - was allerdings für die Mehrbedarfsrente zu verneinen ist - in den einzelnen Zahlungen Zinsanteile als Erträge enthalten sind (vgl. Lang, StuW 1983, 103, 111; Fischer in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 22 A 22, 23 B 446).

bb) Bei der Anwendung und Auslegung des § 22 Nr. 1 EStG sind die normativen Grundaussagen des § 2 Abs. 1 EStG zu beachten (BFH in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, 299). Die Einkommensteuer erfaßt grundsätzlich nur die erwirtschaftete objektive Leistungsfähigkeit (Fischer, a. a. O., Rz. 25; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 2 EStG Anm. 62, 68; Tipke/Lang, Lehrbuch vom Steuerrecht, 13. Aufl., S. 366; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, 50; derselbe, Reformentwurf zu Grundvorschriften des Einkommensteuergesetzes, 1985, 41; ferner Jakob, a. a. O., Rdnr. 58, der ebenfalls Bedenken im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit äußert).

Eine bloße Umschichtung von Privatvermögen steigert die finanzielle Leistungsfähigkeit ebensowenig wie die lediglich zum Ausgleich für verletzungsbedingt entstandene zusätzliche Bedürfnisse gezahlten Ersatzleistungen.

cc) Die Besteuerung von Schadensersatzleistungen aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff. BGB) richtet sich nach der bisherigen Betrachtung allein nach der äußeren Form.

Nicht ersichtlich ist, wodurch allein die Wiederkehr von Leistungen eine erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indizieren soll, insbesondere im Vergleich zur nichtsteuerbaren Einmalzahlung (so aber noch das BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 180/72, BFHE 12, 146, BStBl II 1974, 423, 424 zu einem allerdings nicht mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt - Tilgung von Steuerschulden durch einen Nießbraucher -; ferner RFH-Urteile vom 27. Januar 1944 IV 157/43, RStBl 1944, 363; vom 10. Februar 1939 IV 262/38, RStBl 1939, 907, und vom 7. Mai 1930 VI A 827/27, RStBl 1930, 578).

Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich bei der Abgeltung vermehrter Bedürfnisse in Gestalt des auf den konkreten, durch den Schädiger auszugleichenden Mehrbedarfs (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 25. September 1973 VI ZR 49/72, NJW 1974, 41, 42) um lediglich "durchlaufendes Geld" (vgl. RFH in RStBl 1939, 907, 908; Schick, NJW 1967, 962, 963). Der Begriff "Vermehrung der Bedürfnisse" in § 843 Abs. 1, 2. Alternative BGB umfaßt alle unfallbedingten Mehraufwendungen. Sie sollen die Nachteile ausgleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Störungen seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (BGH in NJW 1974, 41, 42; BGH-Urteil vom 11. Februar 1992 VI ZR 103/91, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1992, 791).

Der Geschädigte erlangt kein - zusätzliches - disponibles Einkommen. Ein Transfer von Markteinkommen auf den Bezugsberechtigten (so aber Jakob, a. a. O., Rdnr. 58) - wie er bei den privaten Versorgungsrenten im Rahmen von Vermögensübergaben aus dem Rechtsgedanken der "vorbehaltenen Vermögenserträge" angenommen wird (BFH in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, 299 m. w. N.; BFH-Urteile vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499; vom 25. November 1992 X R 34/89, BFHE 170, 76; Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1993, 264) - findet in den hier zu beurteilenden Schadensfällen gerade nicht statt. Vielmehr wird lediglich eine Minderung ausgeglichen.

dd) Die Steuerbarkeit der Mehrbedarfsrente gebietet auch nicht das sog. Korrespondenzprinzip. Die Rechtsprechung meinte, die Schadensersatzrente sei, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen gemindert werde, als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG abzugsfähig (BFH-Urteil vom 5. April 1965 VI 330/63 U, BFHE 82, 312, BStBl III 1965, 359). Der Tatbestand sei aber auf beiden Seiten grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Deshalb müßten die Bezüge beim Empfänger grundsätzlich entsprechend erfaßt werden (BFH-Urteile in BFHE 126, 405, BStBl II 1979, 133; vom 27. September 1973 VIII R 71/69, BFHE 111, 33, BStBl II 1974, 101, und vom 20. Juli 1971 VIII R 24/65, BFHE 103, 410, BStBl II 1972, 170).

Dem EStG läßt sich indessen die generelle Geltung eines solchen Prinzips für die wiederkehrenden Bezüge nicht entnehmen (Ausnahmen gelten für die Unterhaltsrenten in § 22 Nr. 1 Satz 2 und das Realsplitting in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG; grundlegend BFH-Urteil vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779, 781 m. w. N.; Fischer, a. a. O., Rz. 26; Schick, StRK, Einkommensteuergesetz, § 22 Ziff. 1, Rechtsspruch 123; Tipke/Lang, a. a. O., S. 363: Verletzung des Prinzips der Individualbesteuerung; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 2 EStG Anm. 63; anderer Ansicht wohl Meincke, a. a. O., § 2 Tz. 41).

ee) Der Steuertatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG läuft bei einer systemgerechten und verfassungskonform eingeschränkten Auslegung gleichwohl nicht leer (BFH in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, 299 m. w. N.; Fischer, a. a. O., Rz. 48). Insbesondere die Versorgungsrenten im Rahmen von Vermögensübergabeverträgen fallen unter dem Gesichtspunkt des Transfers wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unverändert unter diese Vorschrift.

ff) Den Befreiungsvorschriften in § 3 EStG läßt sich nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber damit die Steuerbarkeit wiederkehrender Bezüge generell voraussetzte. § 3 EStG erklärt zum Teil Einnahmen für steuerfrei, die nicht steuerbar sind (vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 3 Anm. A 171).

gg) Einer sowohl systemgerechten als auch verfassungskonformen steuerrechtlichen Beurteilung der Schadensersatzrenten steht schließlich nicht das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Rechtssicherheit entgegen.

Die Änderung einer stetigen Rechtsprechung ist zwar grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu würdigen (vgl. Beschlüsse des BFH vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, 83; vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 845, und vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 764 C III 5).

Soweit die Zivil-Rechtsprechung die auf Schadensersatzrenten anfallende Einkommensteuer als weiteren Schadensberechnungsposten berücksichtigt (vgl. Urteile des BGH vom 30. Juni 1964 VI ZR 81/63, BGHZ 42, 76, 82; vom 10. April 1979 VI ZR 151/75, NJW 1979, 1501; vom 23. Mai 1985 III ZR 69/84, NJW 1985, 3011, und vom 6. November 1986 III ZR 193/85, NJW-RR 1987, 604, ständige Rechtsprechung), knüpfen die Zivilgerichte erkennbar an die bisherige steuergerichtliche Rechtsprechung und das zitierte steuerrechtliche Schrifttum - als Vorfrage (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 6. August 1985 VII B 3/85, BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672, 673) - an. Die Rechtssicherheit kann jedoch nicht - wie das FG meint - die für die steuerrechtliche Beurteilung originär zuständigen FG an einer sowohl vom System des Einkommensteuerrechts als auch von den verfassungsrechtlichen Vorgaben geforderten Änderung ihrer Rechtsprechung hindern.

Zudem dürfte nach Einschätzung des BMJ keine übermäßige Mehrbelastung auf die Zivilgerichte infolge einer erforderlich werdenden Anpassung titulierter Altfälle zukommen.

Soweit Geschädigte versäumt hatten, die Einkommensteuerbelastung als zusätzlichen Schadensposten geltend zu machen und sie durch die Rechtskraft gehindert sind, nachträglich die Einkommensteuer und Kirchensteuer einzuklagen (vgl. BGH-Urteil in NJW 1985, 3011, 3013), werden die Steuerpflichtigen - wie im Streitfall - ohnehin begünstigt.

2. In den einzelnen Rentenleistungen ist auch kein steuerpflichtiger Zinsanteil enthalten. Wird ein Vermögensanspruch in wiederkehrenden Leistungen erfüllt, umfassen diese zwar grundsätzlich von Beginn an einen - steuerbaren - Zinsanteil (BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, 299). Insoweit sind dieselben Grundsätze wie bei langfristiger Stundung eines Zahlungsanspruchs anwendbar. Dort beinhaltet die jeweilige Teilleistung einen Zinsanteil (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173, 174). Das ist indessen nicht auf Mehrbedarfsrenten übertragbar.

Die einzelne Rentenleistung wird konkret nach dem unfallbedingt dauerhaft vermehrten Bedarf des Geschädigten berechnet und geleistet (vgl. Palandt, a. a. O., § 843 Rdnr. 3; Mertens in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKomm -, 2. Aufl., § 843 Rdnr. 34, 37; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 20. Aufl., S. 84; BGH in NJW-RR 1992, 791; BGH-Urteil vom 6. Juni 1989 VI ZR 66/88, NJW 1989, 2539). Der Schadensersatz wird danach von Anfang an als Geldrente geschuldet, nicht etwa ein zunächst einheitlicher Anspruch anschließend verrentet (vgl. auch zu dieser für die Besteuerung maßgeblichen Unterscheidung Fischer, a. a. O., Rz. 201). Die Ausnahmeregelungen zur Kapitalisierung bestätigen dieses Ergebnis. Der Anspruchsberechtigte kann anstelle der Rente eine Abfindung in Kapital (nur) verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 843 Abs. 3, § 844 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB).

3. Das FG hat rechtsfehlerfrei die Verzugs- und Prozeßzinsen im Jahr des Zuflusses (1985) als Einkünfte aus Kapitalvermögen dem normalen Steuersatz unterworfen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 11 Abs. 1 EStG).

a) Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung bezieht Einnahmen aus Kapitalvermögen, wer es gegen Entgelt zur Nutzung überläßt. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist es, ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegt. Auch eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1989 VIII R 210/83, BFHE 160, 11, BStBl II 1990, 532, 533 m. w. N.; in BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252, und vom 8. April 1986 VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557; vom 22. April 1966 VI 142/65, BFHE 85, 453, BStBl III 1966, 462; Schmidt, a. a. O., § 2 Anm. 9 a).

Der erkennende Senat hat sich wiederholt mit den gegen die steuerrechtliche Erfassung von Prozeß- und Verzugszinsen vorgebrachten Einwänden auseinandergesetzt (vgl. Beschluß vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165, 166; Urteil vom 9. Mai 1989 VIII R 184/82, BFH/NV 1990, 283, 284 m. w. N.). Es besteht keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern. Sie findet im Schrifttum ganz überwiegend Zustimmung (vgl. Schmidt, a. a. O., § 20 Anm. 41 a, b und § 2 Anm. 9 a zum Ausnahmetatbestand der gesetzlichen Schuldverhältnisse; Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Kommentar, 14. Aufl., § 20 EStG Tz. 304, 305; Littmann/Bitz/Hellwig, a. a. O., § 20 Tz. 241; Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 I 13, 11; ferner Kirchhof, a. a. O., § 2 B 326 und B 400 "Verzugszinsen"; Bordewin in Lademann/Söffing/Brockhoff, a. a. O., § 20 Rdnr. 261; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 20 EStG Anm. 500 "Verzugszinsen", die jedoch, vgl. "Erstattungszinsen", Bedenken hinsichtlich der steuerlichen Erfassung von Erstattungszinsen äußern; Kruse, FR 1988, 1, 11, weil die Steuerpflicht unabhängig vom Rechtsgrund des Zinsertrages entstehe).

Diese Zinsen stellen keinen Ersatz für die Verletzung privater Güter, nämlich der Körperintegrität dar, sondern sind Entgelt für die im Streitfall unfreiwillige Vorenthaltung des der Klägerin aufgrund einer Schadensersatzforderung zustehenden Kapitals. Die fehlende Steuerbarkeit der Kapitalforderung erstreckt sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen nicht zugleich auf die Zinsen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252, 255; vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6, 7, und vom 22. April 1980 VIII R 120/76, BFHE 130, 451, BStBl II 1980, 570 betr. Zinsen auf steuerfreie Enteignungsentschädigungen).

Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen den Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ("Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen") in der für das Streitjahr 1985 maßgebenden Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1493).

Soweit die Revision auf die im Anschluß an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 1. Juli 1982 Rs. 222/81 (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1982, 159 mit Anm. von Weiss, S. 162) geänderte Rechtsprechung zur Steuerbarkeit von Verzugszinsen gemäß § 1 Abs. 1 UStG verweist, fehlt es an der Vergleichbarkeit des einkommensteuerrechtlichen Tatbestandes. Verzugszinsen stellen umsatzsteuerrechtlich keine Gegenleistung für eine steuerbare Leistung des Geschädigten dar (Birkenfeld, Das Große Umsatzsteuer-Handbuch, Band I, § 47 Rz. 474; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 1 Anm. 14). § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG setzt einen derartigen Leistungsaustausch indessen für die Besteuerung von Kapitaleinkünften nicht voraus.

b) Die Zinszahlungen sind gemäß § 11 Abs. 1 EStG im Jahr des Zuflusses steuerrechtlich zu erfassen.

Ein Zufluß liegt vor, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Geldbeträge erlangt. Rückzahlungen wirken sich gemäß § 11 Abs. 2 EStG erst in dem betreffenden Veranlagungszeitraum aus. Das "Behaltendürfen" des Zugeflossenen ist nicht Merkmal des Zuflusses i. S. des § 11 EStG. Die Verfügungsmacht muß nicht endgültig erlangt sein (vgl. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1989 III R 30-31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, 289 m. w. N.; vom 29. April 1982 IV R 95/79, BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593, und vom 29. Juni 1982 VIII R 6/79, BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755, 757).

c) Rechtlich nicht zu beanstanden ist des weiteren die Auffassung des FG, daß die zivilrechtliche Rückwirkung einer Aufrechnung (§ 389 BGB) einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist. Steuerrechtlich kommt es nicht auf den Zeitpunkt der sog. Aufrechnungslage an, sondern auf den Zeitpunkt der durch die Aufrechnungserklärung bewirkten Leistung (vgl. BFH-Urteile vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601; vom 21. September 1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289, 292).

Das FG hat mangels zulässiger und begründeter Rügen bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die ... Versicherung erst im Jahre 1987 wegen der überzahlten Zinsbeträge aufgerechnet hat.

4. Die hilfsweise begehrte ermäßigte Besteuerung der 1985 zugeflossenen Zinsen gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG mit dem halben Steuersatz hat das FG gleichfalls zu Recht abgelehnt.

a) § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt Entschädigungen voraus, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Die Zinsansprüche der Klägerin sind indes nicht an die Stelle anderer Ansprüche getreten (vgl. BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6; BFHE 85, 453, BStBl III 1966, 462). Sie sind nicht durch den Verlust von Zinseinnahmen ausgelöst worden. Die Auslegung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darf sich nicht an den besonderen Voraussetzungen orientieren, die § 34 EStG als Tarifvorschrift für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zusätzlich verlangt, also vor allem die Zusammenballung von Einkünften und die damit verbundene höhere Besteuerung infolge der Progression des Einkommensteuertarifs als Merkmal für außerordentliche Einkünfte (vgl. BFH/NV 1993, 165, 166 m. w. N.).

b) Ob die nachgezahlten Zinsbeträge zu Recht im Billigkeitswege ermäßigt besteuert worden sind und ob ggf. weiterreichende Billigkeitserwägungen angezeigt wären, ist im Verfahren wegen der Steuerfestsetzung nicht zu prüfen (vgl. BFH/NV 1993, 165, 167; BFH-Urteile vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3, 5, und vom 13. April 1989 IV R 196/85, BFHE 156, 489, BStBl II 1989, 614, 616).

5. Die von der Klägerin während des Klageverfahrens geltend gemachten Aufwendungen für die Haltung und den Betrieb eines eigenen Kfz als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 Abs. 1 EStG) können, worauf das FG bereits zutreffend hingewiesen hat, nicht mehr zusätzlich abgezogen werden, da die - höheren - Ersatzleistungen in Form der Mehrbedarfsrente nach der gewandelten Rechtsauffassung des Senats nicht steuerbar sind.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1993 III R 9/92, BFHE 171, 428, BStBl II 1993, 749, 751) werden die Fahrtkosten mit einem eigenen PKW bei schwerbehinderten Personen grundsätzlich in einem angemessenen Rahmen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.

Das dem § 33 EStG zugrundeliegende Belastungsprinzip gebietet allerdings, nichtsteuerbare Ersatzleistungen, und zwar auch erst später erbrachte, in die Bemessung der Höhe der Belastung einzubeziehen (BFH-Urteile vom 15. November 1991 III R 30/88, BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179, 182; vom 30. Juli 1982 VI R 67/79, BFHE 136, 396, BStBl II 1982, 744, 745, und vom 14. März 1975 VI R 63/73, BFHE 115, 357, BStBl II 1975, 632).

Im Streitfall ist das FG nach den Angaben der Klägerin von einer durchschnittlichen Fahrleistung von 3.824 km pro Jahr und mangels Einzelnachweises von einem pauschalen Kilometersatz von 0,42 DM ausgegangen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. Juni 1980 VI R 147/77, BFHE 131, 53, BStBl II 1980, 651). Mit dem Pauschbetrag sind sämtliche normalen, mit der Benutzung eines Kfz regelmäßig verbundenen Aufwendungen abgegolten, einschließlich Absetzung für Abnutzung - AfA - (BFH-Urteil vom 30. November 1979 VI R 83/77, BFHE 129, 346, BStBl II 1980, 138).

Einem durchschnittlichen jährlichen Aufwand von 1.606 DM (3.824 km 0,42 DM) steht im Rahmen der steuerfreien Mehrbedarfsrente ein anteiliger Ersatzbetrag von 1.800 DM (150 DM 12 Monate) gegenüber.

6. Danach war das erstinstanzliche Urteil sowie die Einspruchsentscheidung auf die begründete Revision der Klägerin aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1985 vom 10. April 1991 und für 1986 vom 17. April 1991 zu ändern.

Nach den zutreffenden und im übrigen auch nicht angegriffenen Feststellungen des FG belief sich der 1985 zugeflossene Zinsbetrag auf 72.338 DM. Der überzahlte Betrag von 21.626,44 DM ist erst im Jahre 1987 verrechnet worden.

Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 i. V. m. § 143 Abs. 1 FGO. Das Maß des Unterliegens bzw. Obsiegens ergibt sich aus dem Unterschied zwischen dem Rechtsmittelantrag und dem endgültig Erreichten. Auszugehen ist von den bereits auf Grund der vorangegangenen Billigkeitsentscheidung des FA angepaßten und dementsprechend nur in diesem Umfang noch eine Beschwer enthaltenden Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre.