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  BFH-Urteil vom 10.8.1994 (I R 133/93) BStBl. 1995 II S. 171

Übt der Inhaber einer Steuerberaterpraxis neben seiner freiberuflichen auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, und ist an seinem Unternehmen ein Steuerberater atypisch still beteiligt, so sind gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1986 sämtliche Einkünfte der Mitunternehmerschaft gewerblich.

EStG 1986 § 15 Abs. 3 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - zwei Steuerberater - schlossen mit Wirkung zum 1. Januar 1981 einen Sozietätsvertrag. Gegenstand der Sozietät, im Vertrag als "BGB-Gesellschaft" bezeichnet, sollte die Fortführung der "Einzelsteuerpraxis" des Klägers zu 1 sein. Den Zweck der Sozietät sahen die beiden Kläger u. a. in der Bearbeitung gemeinsamer Steuerberatungs- und Treuhandobjekte, insbesondere bei den steuerbegünstigten Kapitalanlagen. Nach außen sollte ausschließlich der Kläger zu 1 auftreten. Das Ergebnis der Steuerberaterpraxis sollte den Klägern zu je 50 % zustehen.

Nach der von den Klägern nicht mit einer Revision angefochtenen Feststellung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -), tatsächlich und rechtlich bestätigt durch Urteil des Finanzgerichts (FG), bestand zwischen den Klägern aufgrund des Sozietätsvertrages in den Streitjahren 1981 bis 1985 eine Mitunternehmerschaft in Form einer atypisch stillen Gesellschaft. Deren Gesamtgewinn beruhte 1981 zu 30,77 %, 1982 zu 25,52 %, 1983 zu 23,42 %, 1984 zu 18,46 % und 1985 zu 6,27 % auf einer gewerblichen Treuhand-, im übrigen auf einer freiberuflichen Steuerberatertätigkeit.

Das FA stellte entsprechend der sog. Abfärbetheorie sämtliche von den atypisch stillen Gesellschaftern gemeinsam erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb fest. Die gegen diese Feststellung erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 103 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA unter Hinweis auf Abschn. 138 Abs. 7 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990 (jetzt: R 138 Abs. 5 EStR 1993) Verletzung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und beantragt, das Urteil des FG Köln aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Ein Steuerberater, der wie der Kläger zu 1 im Rahmen eines Bauherrenmodells Treuhandaufgaben ausübt (hier: Abschluß von Grundstückskauf-, Generalunternehmer- und Zwischenmietverträgen, Überwachung des Baufortschritts und der Baudurchführung, Kontenführung für die Bauherren, Abschluß von Finanzierungsverträgen einschließlich Bestellung von Sicherheiten), ist gewerblich tätig (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Mai 1989 IV R 43/88, BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797; bestätigt durch Urteil vom 21. April 1994 IV R 99/93, BFHE 174, 347, BStBl II 1994, 650).

2. Ist der Gesellschafter einer Steuerberatersozietät für diese (auch) gewerblich tätig, so ist die gesamte Tätigkeit der Sozietät als Gewerbebetrieb anzusehen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH in BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797; BFH-Urteile vom 29. April 1993 IV R 61/92, BFH/NV 1994, 89; vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, und vom 7. November 1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324).

Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735; - EStG -) gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer OHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt.

a) Gemäß § 52 Abs. 20 b EStG 1986 ist diese Vorschrift auch für Veranlagungszeiträume vor 1986 anzuwenden.

Gegen die Anordnung der rückwirkenden Geltung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da diese zu keiner Änderung der Rechtslage führte. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG entspricht insoweit § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) a. F., der nach der seinerzeit vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für die Einkommensteuer anzuwenden war (vgl. BFH-Beschluß vom 12. März 1993 VIII B 150/90, nicht veröffentlicht - n. v. -; BFH-Urteil vom 10. November 1983 IV R 86/80, BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152, m. w. N.). § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG diente nur der Klarstellung. Eine materielle Rechtsänderung sollte nicht eintreten (s. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur vordringlichen Regelung von Fragen der Besteuerung von Personengesellschaften im Anschluß an die Aufgabe der Geprägerechtsprechung BTDrucks 10/3663, S. 8).

b) Jede im Rahmen einer Personengesellschaft ausgeübte gewerbliche Tätigkeit führt zur steuerlichen Umqualifizierung der Einkünfte, die durch andere - nicht gewerbliche - Tätigkeiten erzielt werden. Dies folgt insbesondere aus dem Wort "auch" in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, das zwar in der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 10/3663, S. 8), nicht aber im ursprünglichen Gesetzesentwurf enthalten war und erst durch den Finanzausschuß in den Gesetzeswortlaut eingefügt wurde (vgl. Bericht des Finanzausschusses BTDrucks 10/4498). Der Zweck dieser Ergänzung kann nur darin liegen, sprachlich den Willen zu verdeutlichen, daß jede gewerbliche Tätigkeit Einkünfte aus anderen Einkunftsarten umqualifiziert. Daraus folgt für den Streitfall, daß es auf den Umfang der gewerblichen Tätigkeit im Verhältnis zur freiberuflichen Tätigkeit nicht ankommt. Auch wenn der gewerbliche Anteil an der Gesamttätigkeit geringfügig ist, werden sämtliche Tätigkeiten steuerlich als gewerbliche beurteilt (vgl. Korn, Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 1986, 6222; Schulze zur Wiesche, Finanz-Rundschau - FR - 1986, 198; Herzig/Keßler, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1986, 451/4; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 1991 12 K 51/86, EFG 1992, 71; Bordewin, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 3 B, S. 3284). Die gegenteilige, insbesondere von Schmidt (Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 15 Anm. 42 b bb) vertretene Auffassung findet nicht nur im Gesetzeswortlaut, sondern auch in der Gesetzesentwicklung keine Stütze. Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG war, wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist (BTDrucks 10/3663, S. 8), die Rechtsprechung des BFH, so wie sie insbesondere im Urteil in BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152 zum Ausdruck gelangte, im Gesetz zu verankern. Nach dieser Rechtsprechung waren sowohl der Reichsfinanzhof (RFH) wie auch der BFH stets davon ausgegangen, daß eine gewerblich tätige Personengesellschaft insgesamt nur gewerbliche Einkünfte haben könne (s. weitere Hinweise in BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152 unter 1. b, letzter Absatz). Daß dies auch gelten sollte, wenn der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten Unternehmens nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist insbesondere der im Urteil vom 10. November 1983 in Bezug genommenen Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. Mai 1977 I R 93/75 (BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660) zu entnehmen. In diesem Sinn hat auch der VIII. Senat des BFH (Beschluß vom 12. März 1993 VIII B 150/90, n. v.) entschieden, daß die Frage der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei nur geringfügigen gewerblichen Einkünften einer Personengesellschaft trotz des Offenlassens dieser Frage im Urteil vom 7. November 1991 IV R 17/90 (BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324) nicht mehr klärungsbedürftig sei. Die gegenteilige, von Hennerkes/Binz (Betriebs-Berater - BB - 1985, 2161/6) vertretene Auffassung wirft primär die Frage nach dem wirtschaftlichen Gewicht der gewerblichen Tätigkeit nur im Rahmen des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) auf, wenn mit dem Ziel der - fallweise auch vorteilhaften - Gewerblichkeit die Personengesellschaft eine nur unbedeutende gewerbliche Tätigkeit ausübt.

Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere im Hinblick auf die - allerdings im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren nicht zu entscheidende - Frage der Gewerbesteuerpflicht die vollständige Umqualifizierung von überwiegend selbständigen Einkünften in gewerbliche im Ergebnis deswegen unbefriedigend ist, weil die Rechtsprechung des BFH dem Einzelunternehmer bei sog. gemischter Tätigkeit die Möglichkeit einer gesonderten Beurteilung trennbarer Einkunftsarten eröffnet (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1983 VIII R 92/83, BFHE 139, 380, BStBl II 1984, 129, und vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413), während ebendies durch die nunmehr ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG der Personengesellschaft versagt wird. Der Senat ist jedoch gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an das Gesetz gebunden. Zwar scheint durch die gesetzliche Regelung der Grundsatz, daß Einzelunternehmer und Mitunternehmer soweit wie möglich gleichzubehandeln sind (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177; Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluß des 1. Senats vom 15. Juli 1969 1 BvR 457/66, BStBl II 1969, 718), und damit letztlich der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Steuergerechtigkeit berührt (vgl. auch Kritik Beierl, Die Einkünftequalifikation bei gemeinsamer wirtschaftlicher Betätigung im Einkommensteuerrecht, 1987, S. 112). Verfassungswidrig ist die Gesetzeslage gleichwohl nicht, weil die Steuerpflichtigen die Möglichkeit haben, für trennbare Unternehmenstätigkeiten jeweils gesonderte, auch personengleiche Personengesellschaften zu errichten (vgl. BFH in BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152 m. w. N.; s. auch L. Schmidt, DStR 1987, 89).

c) Andere Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist auch die atypisch stille Gesellschaft (Herzig/Keßler, a. a. O.; Schulze zur Wiesche in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Rdnr. 638; Uelner, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1985/86, S. 231, 247; Unvericht, DStR 1987, 413; anderer Ansicht L. Schmidt, a. a. O., § 15 Anm. 42 b aa; Christoffel/Dankmeyer, Der Betrieb - DB - 1986, 347, 351).

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erfaßt neben den ausdrücklich erwähnten Personenhandelsgesellschaften auch andere Personengesellschaften. Daß hierunter auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) i. S. des § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) fallen, ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt (vgl. BFH in BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797; in BFH/NV 1994, 89). Auch die stille Gesellschaft ist "Personengesellschaft" (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. Oktober 1952 II ZR 16/52, BGHZ 7, 378, 382; Zutt in Staub, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 230 Rdnr. 7, m. w. N.; Karsten Schmidt in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 335 - § 230 n. F. - Rdnr. 5, m. w. N.; Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKomm -, § 705 Rdnr. 229 f.). Daß sie Innengesellschaft ist, nimmt ihr nicht den Charakter einer Personengesellschaft. Auch für die stille Gesellschaft gelten die §§ 705 ff. BGB, soweit nicht in den §§ 230 ff. des Handelsgesetzbuches - HGB - Spezialregelungen enthalten sind (vgl. z. B. § 233 Abs. 2, § 234 Abs. 1 HGB; Zutt in Staub, a. a. O., § 230 Rdnr. 7).

Der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist aber auf die atypisch stille Gesellschaft beschränkt, da der typisch stille Gesellschafter aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht und demgemäß die typisch stille Gesellschaft keinen Einfluß auf die steuerrechtliche Qualifikation der vom Inhaber des Geschäfts erzielten Einkünfte hat.

d) Die atypisch stille Gesellschaft kann auch eine Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben.

Die atypisch stille Gesellschaft ist zwar Innengesellschaft, d. h. zivilrechtlich betreibt allein der Geschäftsinhaber, hier der Kläger zu 1, das Gewerbe. Im zivilrechtlichen Sinn gibt es daher eine Tätigkeit der atypisch stillen Gesellschaft nicht. Diese formalrechtliche Betrachtung ist geboten, wenn es gilt, verfahrensrechtliche Fragen zu beantworten, wie z. B. die Beteiligung einer atypisch stillen Gesellschaft im FG-Prozeß oder die Adressierung von Steuerbescheiden (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311). Die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob eine atypisch stille Gesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben kann, ist jedoch allein durch Auslegung dieser materiell-rechtlichen Steuernorm nach den allgemeingültigen Auslegungsregeln zu beantworten. Dabei verdeutlichen insbesondere Sinn und Zweck sowie der systematische Zusammenhang, in den § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eingefügt ist, daß auch die atypisch stille Gesellschaft der Abfärbetheorie unterliegt.

Der atypisch stille Gesellschafter ist Mitunternehmer. Mitunternehmer ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur, wer Mitunternehmerinitiative entfaltet und Mitunternehmerrisiko trägt (vgl. z. B. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C. V. 3. c; BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647). Die Entfaltung von Mitunternehmerinitiative bedeutet, daß der atypisch stille Gesellschafter unternehmerisch tätig ist. Daß seine unternehmerische Tätigkeit nicht nach außen wirkt, ist für die Annahme einer Mitunternehmerschaft nach ständiger Rechtsprechung des BFH bei Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG irrelevant (s. BFH-Urteil vom 26. Mai 1993 X R 108/91, BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96 m. w. N.). Es ist daher systemkonsequent, diese Form der unternehmerischen Tätigkeit des atypisch stillen Gesellschafters und die Tätigkeit des Geschäftsinhabers als Tätigkeit der Gesellschaft auch für die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausreichen zu lassen (Herzig/Keßler, a. a. O.).

Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG in der bis 1986 geltenden Fassung. Danach galt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit anderer Gesellschaften als Gewerbebetrieb, "bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind". An dieser Rechtslage sollte sich durch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG jedenfalls bei den Personengesellschaften nichts ändern (Gesetzesbegründung BTDrucks 10/3663, S. 8).

Der Senat sieht auch keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund dafür, Mitunternehmerschaften, soweit sie Personengesellschaften sind (vgl. zur Erbengemeinschaft aber BFH-Urteil vom 23. Oktober 1986 IV R 214/84, BFHE 148, 65, BStBl II 1987, 120), unterschiedlich zu behandeln. Der formale bürgerrechtliche Unterschied zwischen einem auf Kontrollrechte beschränkten Kommanditisten (vgl. Großer Senat des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C. V. 3. c) cc (1)) und einem möglicherweise umfangreichere (Mit)Unternehmerinitiative entfaltenden atypisch stillen Gesellschafter kann für eine unterschiedliche steuerliche Beurteilung und damit eine unterschiedliche wirtschaftliche Belastung nicht ausreichen.

Daß der Gesetzgeber die Rechtssituation im Hinblick auf das Urteil des VIII. Senats des BFH in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 anders gesehen haben könnte, darf ausgeschlossen werden. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wurde zu einem Zeitpunkt beschlossen, zu dem die Entscheidung des VIII. Senats des BFH vom 12. November 1985 noch nicht einmal den Prozeßbeteiligten zugestellt war.

e) Aus tatsächlichen Gründen ist allerdings eine Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte des Geschäftsinhabers nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, wenn der atypisch stille Gesellschafter sich ausschließlich an den gewerblichen Einkünften des Geschäftsinhabers beteiligt (Schmidt, a. a. O., § 15 Anm. 42 b aa, m. w. N.). Die damit entscheidungserhebliche Frage zum Umfang der atypisch stillen Beteiligung ist anhand des Gesellschaftsvertrages, der ggf. trotz Schriftformklausel (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645) auch durch eine tatsächlich abweichende Handhabung abgeändert werden kann, zu beantworten.

Das FG hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus gesehen zu Recht, diese Frage im Streitfall ungeprüft gelassen. Den tatsächlichen Feststellungen des FG zum Inhalt des Sozietätsvertrages und den späteren Vertragsänderungen läßt sich für den Streitfall eindeutig entnehmen, daß die atypisch stille Gesellschaft sowohl an den gewerblichen wie auch an den freiberuflichen Einkünften des Klägers zu 1 bestand (zur Vertragsauslegung durch das Revisionsgericht vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rdnr. 17, m. w. N.). Laut § 1 des Sozietätsvertrages war Gegenstand der Sozietät die Fortführung der Steuerberaterpraxis, die vom Kläger zu 1 seit Jahren betrieben wurde. Das Steuerberaterbüro sollte auch künftig nach außen als Einzelpraxis in Erscheinung treten. Der Zweck der Sozietät bestand in der Bearbeitung gemeinsamer Steuerberatungs- und Treuhandprojekte, Ausdehnung des Praxisvolumens der bisherigen Mandanten und der Zuführung weiterer Mandanten. Die Praxis des Klägers zu 1 wurde im Vertrag als Einheit gesehen (vgl. § 3 des Sozietätsvertrages). Die Gewinnbeteiligung bestand am "Ergebnis der Steuerberatungspraxis" (§ 6 des Sozietätsvertrages). Eine Beschränkung der atypisch stillen Beteiligung des Klägers zu 2 auf die Einkünfte aus der gewerblichen Treuhandtätigkeit ist daher zu verneinen.