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  BFH-Urteil vom 12.10.1994 (II R 63/93) BStBl. 1995 II S. 174

Erwerben beide Ehegatten ein Grundstück zu gemeinschaftlichem Eigentum, so ist jeder Ehegatte grunderwerbsteuerrechtlich als Erwerber der Hälfte des Grundstücks anzusehen. Jeder Ehegatte ist Schuldner nur der auf ihn entfallenden Grunderwerbsteuer, ohne daß Gesamtschuldnerschaft besteht. Ein Grunderwerbsteuerbescheid, der in einem derartigen Fall ohne sonstige Erläuterung an beide Ehegatten gerichtet ist, genügt nicht dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit.

GrEStG-DDR § 15 Nr. 1 (= GrEStG 1983 § 13 Nr. 1); AO 1977 § 119 Abs. 1.

Vorinstanz: BG Potsdam

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16. Mai 1990 veräußerte die X ein ihr gehörendes Grundstück im Beitrittsgebiet. Das Grundstück war mit einem Einfamilienhaus mit Garage und Terrasse bebaut. Erwerber waren zu 2/3 die Eheleute A (Kläger) zu gemeinschaftlichem Eigentum. Der Kaufpreis betrug für das ganze Grundstück 182.490,50 Mark der früheren DDR (M). Nach dem Vertragstext beruhte dieser Preis auf der Wertermittlung eines Sachverständigen und der Bestätigung des Preises durch den Rat des Kreises. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung wurde erteilt und die Eigentumsumschreibung am 18. Mai 1990 vollzogen.

Frau A war im Erwerbszeitpunkt als Angestellte beschäftigt. Herr A war bis zum 28. Februar 1990 bei einer GmbH als Hauptgeschäftsführer tätig und bezieht seither Altersrente.

Durch Bescheid vom 6. Dezember 1991 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.258,10 DM fest. Als Bemessungsgrundlage zog es 2/3 des in dem Vertrag vom 16. Mai 1990 vereinbarten Kaufpreises heran. Der Bescheid war gerichtet an:

"Frau A

Herr A

Y-Straße

in Z"

Mit dem dagegen gerichteten Einspruch wurde geltend gemacht, daß der Erwerb der Kläger nach § 15 Abs. 7 der Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 18. August 1987 (Gesetzblatt - GBl - I S. 215) - DB/EigenheimVO - von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Eine Grunderwerbsteuerbefreiung auf der Grundlage der EigenheimVO sei zu verwehren.

Mit den gemeinsam erhobenen Klagen machten die Kläger geltend, daß ihr Grundstückserwerb nach § 15 Abs. 7 DB/EigenheimVO grunderwerbsteuerfrei sei.

Das Bezirksgericht hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und die diese bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Dieses rügt die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Bezirksgericht den an die Kläger gerichteten Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. Dezember 1991 und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Dies folgt allerdings bereits daraus, daß - was das Bezirksgericht nicht erörtert hat - der Bescheid nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit von Steuerbescheiden genügt.

a) Der vor dem Wirksamwerden des Beitritts verwirklichte Erwerb ist nach dem Grunderwerbsteuergesetz der ehemaligen DDR vom 18. Dezember 1970 (GBl, Sonderdruck Nr. 677) - GrEStG-DDR - zu beurteilen. Das GrEStG-DDR unterliegt als revisibles Recht i. S. des § 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Überprüfung durch den Senat. Es ist auch für Zeitpunkte vor dem Wirksamwerden des Beitritts wie partielles Bundesrecht zu behandeln (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630, 632).

b) Der Erwerb des Miteigentumsanteils an dem bebauten Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG-DDR der Grunderwerbsteuer. Die Kläger haben den Miteigentumsanteil zu gemeinschaftlichem Eigentum (vgl. § 13 des Familiengesetzbuches der DDR - FGB -) erworben. Schuldner der Grunderwerbsteuer, die durch einen auf Erwerb zu gemeinschaftlichem Eigentum gerichteten Erwerbsvorgang entsteht, sind jedoch nicht die Eheleute in ihrer Verbundenheit. Schuldner i. S. des § 15 Nr. 1 GrEStG-DDR ist vielmehr jeweils der an dem Vertrag auf der Erwerberseite beteiligte Ehegatte. Sind - wie im Streitfall - beide Ehegatten als Erwerber aufgetreten, so ist jeder für sich Steuerschuldner nach § 15 Nr. 1 GrEStG-DDR, ohne daß Gesamtschuldnerschaft besteht. Nach der inzwischen erfolgten ausdrücklichen Regelung des Art. 234 § 4 a Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) finden auf das gemeinschaftliche Eigentum der Ehegatten die Vorschriften über das durch beide Ehegatten verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung. Ein auf den Erwerb gemeinschaftlichen Eigentums gerichteter Grundstückskaufvertrag, an dem beide Ehegatten als Erwerber beteiligt sind, ist daher (auch) grunderwerbsteuerrechtlich so zu beurteilen wie ein durch beide Ehegatten erfolgender Grundstückserwerb zum Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (vgl. zu letzterem Senatsurteil vom 4. April 1967 II 49/63, BFHE 88, 388). Es liegen zwei getrennte Steuerfälle vor. Jeder Ehegatte ist Schuldner i. S. § 15 Nr. 1 GrEStG-DDR nur der auf ihn entfallenden Steuer, ohne daß Gesamtschuldnerschaft besteht. Materiell-rechtlich ist jeder Ehegatte als Erwerber der Hälfte des Grundstücks anzusehen.

c) Im Streitfall hat das FA die Grunderwerbsteuer - materiell-rechtlich zu Unrecht (vgl. oben b) - in einem Betrag festgesetzt. Diese in einem Bescheid erfolgte Steuerfestsetzung hat das FA - insoweit ohne weitere Erläuterung - an die Eheleute gerichtet. Die Eheleute als solche können nicht Schuldner der Grunderwerbsteuer sein. Der Bescheid spricht die Eheleute auch nicht als Gesamtschuldner an (was sie materiell-rechtlich auch nicht sind). Ein Fall des § 155 Abs. 3 und Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) liegt nicht vor. Dem Bescheid läßt sich daher nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, welcher Ehegatte in welcher Höhe Schuldner der in ihm in einem Betrag festgesetzten Steuer sein soll. Der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids enthält auch keinen Anhalt, der eine Beseitigung dieses Zweifels durch Auslegung ermöglichte. Damit verstößt der Bescheid gegen § 119 Abs. 1 AO 1977, der vorsieht, daß ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein muß. Bereits dieser Mangel führt zur Aufhebung des Bescheids (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. September 1987 III R 42/84, BFHE 151, 460, BStBl II 1988, 120), ohne daß es auf die vom FG erörterten Gründe noch ankommt. Der Senat hat davon abgesehen, die Beteiligten vor dieser Entscheidung auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen. Das rechtliche Gehör wird dadurch gewährleistet, daß der Senat nach § 90 a FGO durch Gerichtsbescheid entscheidet.