| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 2.8.1994 (VIII R 65/93) BStBl. 1995 II S. 264

1. Wird die Klage einer KG wegen Versagung des Betriebsausgabenabzugs für Darlehenszinsen, die sie an den Sohn des beherrschenden Gesellschafters gezahlt hat, vom FG rechtskräftig abgewiesen, weil das Darlehen den Anforderungen des Fremdvergleichs nicht standhalte, so sind die gegenüber dem Sohn bestandskräftig ergangenen Einkommensteuerbescheide, in denen die Darlehenszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfaßt wurden, weder nach § 174 AO 1977 noch gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 änderbar.

2. Es kommt jedoch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 wegen neuer Tatsachen in Betracht, wenn dem Veranlagungs-FA nicht bekannt war, daß es sich um ein Darlehen unter nahen Angehörigen gehandelt hat. Dieser nachträglich bekanntgewordene Sachverhalt ist auch für die Besteuerung des Darlehensgläubigers rechtserheblich, da Zinsen für ein Darlehen, das dem einkommensteuerrechtlich gebotenen Fremdvergleich nicht genügt, auch beim Gläubiger keine Kapitalerträge i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bilden.

AO 1977 §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 174 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und 5, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; FGO §§ 40 Abs. 2, 110 Abs. 1; EStG §§ 4 Abs. 4, 12 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 7 (bis 1984 Nr. 8).

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt mit notariellem Vertrag vom 28. Juli 1982 von seinem Vater, der persönlich haftender Gesellschafter einer KG war, den Betrag von 90.000 DM geschenkt. Der Kläger stellte diesen Betrag der KG zur Verfügung, die anerkannte, ein entsprechendes Darlehen ab 1. Januar 1982 erhalten zu haben. Die KG behandelte die an den Kläger gezahlten Zinsen in Höhe von jährlich 7.200 DM als Betriebsausgaben, der Kläger versteuerte sie mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden für die Streitjahre 1982 bis 1987 als Einnahmen aus Kapitalvermögen. In den Einkommensteuererklärungen war jeweils nur der Betrag von 7.200 DM als "Zinsen aus Sparguthaben und sonstigen Kapitalforderungen" ohne Angabe des Schuldners usw. genannt. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1982 wurde nach Eingang einer Kontrollmitteilung der Großbetriebsprüfungsstelle ... vom 22. Oktober 1984, daß Zinsen bereits ab 1. Januar 1982 "gutgeschrieben" worden seien, obwohl das "Darlehen erst ab Juli 1982 gewährt" worden sei, dahingehend geändert, daß die Kapitaleinnahmen auf 3.600 DM ermäßigt wurden, so daß sich eine Einkommensteuerschuld von 0 DM ergab.

Nach einer Außenprüfung bei der KG wurde seitens des für diese zuständigen Finanzamts der Betriebsausgabenabzug der Darlehenszinsen mit Bescheid vom 29. Januar 1985 versagt. Die Klage der KG hat das Finanzgericht (FG) Münster mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 13. Februar 1989 IV 2297/87 E, nicht veröffentlicht - n. v. -, abgewiesen, weil der Darlehensvertrag sowohl in der Gestaltung als auch der Durchführung dem erforderlichen Fremdvergleich nicht standhalte. Danach waren für das auf drei Jahre unkündbare Darlehen keine Sicherheiten bestellt worden. Außerdem seien die nach dem Vertrag nachträglich jeweils am 30. Juni und 31. Dezember jeden Jahres fälligen Zinsen tatsächlich ab Februar 1982 monatlich gezahlt worden.

Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 1990 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die ihm gegenüber ergangenen Einkommensteuerbescheide für 1982 bis 1987 dahin gehend zu ändern, daß die erklärten Zinseinnahmen von jährlich 7.200 DM nicht mehr angesetzt werden. Das lehnte das FA mit Bescheid vom 28. Mai 1990 ab. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom FG als unbegründet abgewiesen. Das FG führte im wesentlichen aus: Das FA habe die Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide zu Recht abgelehnt, da im Streitfall keine der gesetzlichen Änderungsvorschriften der §§ 172, 173 Abs. 1 Nr. 2, 174 und 175 der Abgabenordnung (AO 1977) anwendbar sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 172 bis 175 AO 1977.

Der Kläger beantragt, z. T. sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 1982 bis 1987 mit der Maßgabe zu ändern, daß keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von jährlich 7.200 DM angesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Streitjahre 1982 und 1983 unbegründet. Im übrigen führt sie zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Streitjahre 1982 und 1983

a) Hinsichtlich des Streitjahres 1982 muß der Revision der Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil die Verpflichtungsklage insoweit mangels Beschwer des Klägers unzulässig war. Denn im für die Besteuerung dieses Veranlagungszeitraums maßgebenden Änderungsbescheid vom 13. Februar 1985 hat das FA die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt. Infolgedessen fehlt es für das in der Verpflichtungsklage enthaltene Anfechtungsbegehren (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 40 Tz. 21) an der Geltendmachung einer Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO (Gräber/von Groll, a. a. O., § 40 Tz. 88, m. w. N. zur Anfechtungsklage). Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem trotz Festsetzung der Steuerschuld auf 0 DM eine Beschwer angenommen werden könnte, sind nicht ersichtlich.

b) In bezug auf das Streitjahr 1983 folgt der Senat der Vorentscheidung, daß eine Änderung der Steuerfestsetzung wegen Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) ausscheidet.

Die Verjährungsregelung des § 174 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817) kommt hier nicht zum Zuge. Denn im Streitfall sind die Voraussetzungen von § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 nicht gegeben, wie das FG zutreffend und von der Revision unbeanstandet ausgesprochen hat.

2. Streitjahre 1984 bis 1987

Insoweit ist die Revision - gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 - begründet.

a) Die Revision stützt ihr Änderungsbegehren allerdings zu Unrecht auf § 174 Abs. 1 AO 1977 und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.

aa) Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 AO 1977 sind schon nach seinem klaren Wortlaut nicht erfüllt. Denn nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift bedarf es der Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen (Senatsurteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558). Es geht also um die rechtswidrige mehrfache Besteuerung desselben Sachverhalts (BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597). Die "mehreren" Berücksichtigungen desselben Sachverhalts müssen nach der BFH-Rechtsprechung in einem wechselseitigen Ausschließlichkeitsverhältnis stehen, das eine nochmalige Berücksichtigung desselben Sachverhalts denkgesetzlich ausschließt (BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126, 127, Ziff. 1 c bb der Gründe).

Letzteres kommt nicht in Betracht, wenn ein Sachverhalt - wie hier das Darlehensverhältnis - einkommensteuerrechtlich mehrfach zu berücksichtigen ist, weil vom Darlehensschuldner die gezahlten Zinsen steuermindernd, hier als Betriebsausgaben, geltend gemacht werden, während beim Darlehensgläubiger die vereinnahmten Zinsen steuerlich zu erfassen sein können.

Auch eine analoge Anwendung des § 174 Abs. 1 AO 1977 auf Fälle der korrespondierenden Steuerfestsetzung hat die Rechtsprechung in BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126 (Ziff. 2 der Gründe) und BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597 mit überzeugender Begründung abgelehnt. Ein Bedürfnis für eine solche Analogie besteht im vorliegenden Fall auch deshalb nicht, weil eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 besteht, wie im folgenden Abschn. b ausgeführt wird.

Allerdings hat der Senat im Urteil vom 22. Juli 1980 VIII R 114/78 (BFHE 131, 429, BStBl II 1981, 101) zur Änderung und Beiladung nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 eine widerstreitende Steuerfestsetzung auch dann angenommen, wenn ein Pächter die geleisteten Pachtzahlungen nicht als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung abziehen könne, während der Verpächter die Pachteinnahmen nur mit dem Ertragsanteil zu versteuern habe. Dem sind der IX. Senat im Urteil vom 24. November 1987 IX R 158/83 (BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404) und der V. Senat im Beschluß vom 20. April 1989 V B 153/88 (BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539) gefolgt, während die herrschende Meinung im Schrifttum hiergegen Bedenken erhebt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 174 AO 1977 Tz. 2 und 4 a, m. w. N.). Es bedarf jedoch keiner erneuten Entscheidung dieser Frage, weil die Regelungen des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 gegenüber § 174 Abs. 1 bis 3 AO 1977 eigenständige Änderungsnormen bilden, die anders als diese nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung bestimmter Sachverhalte beschränkt sind (BFH-Beschluß vom 2. August 1990 III B 52/89, BFH/NV 1991, 16, und Urteil in BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126, Ziff. 2 a der Gründe).

bb) Das FG hat auch zu Recht die Voraussetzungen einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 verneint. Hiernach ist ein Bescheid bei Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern. Eine Gerichtsentscheidung kann ein solches Ereignis darstellen, wenn sie den Tatbestand, an den das Steuergesetz anknüpft, rückwirkend verändert (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 1988 I R 115/84, BFH/NV 1989, 482, Ziff. 2 der Gründe mit Literaturnachweisen). Das ist aber bei einem in einem Gewinnfeststellungsverfahren ergangenen FG-Urteil, das einen bestimmten Sachverhalt anders als der Kläger würdigt, nicht der Fall.

b) Dagegen halten die Ausführungen der Vorinstanz zur Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 der Revision nicht stand.

Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden. Tatsache im Sinne der Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art, nicht dagegen Schlußfolgerungen, insbesondere juristische Subsumtionen (Senatsurteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, Ziff. 1 a der Gründe). Die steuerrechtliche Wertung des Darlehens durch das gegenüber der KG ergangene Urteil des FG Münster fällt daher mit der Vorinstanz nicht unter den Begriff der Tatsache.

Es ist entgegen der Revision auch kein neues Beweismittel gegeben, da sich dieses nur auf die Existenz von Tatsachen bezieht (Senats-Urteile vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, und in BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, Ziff. 1 d der Gründe). Einem Urteil kann Beweiskraft als öffentliche Urkunde nur hinsichtlich der Feststellungen im Tatbestand zukommen (Zöller, Zivilprozeßordnung, § 418 Anm. 1; zum FG-Prozeß Gräber/Koch, a. a. O., 18. Aufl., § 82 Tz. 4 m. w. N.). Indessen liegen nach der vom Senat im Urteil in BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, Ziff. II 2 der Gründe, bestätigten ständigen Rechtsprechung auch dann Tatsachen und nicht juristische Wertungen vor, wenn ein Steuerpflichtiger z. B. unter der Bezeichnung "Kauf" oder "Pacht" vorgreifliche Rechtsverhältnisse geltend macht und sich nun aufgrund nachträglich bekanntgewordener Umstände herausstellt, daß die Wertung des Steuerpflichtigen nicht zutrifft. Ebenso können sich "neue" Tatsachen auch dadurch ergeben, daß nachträglich Umstände zum Abschluß und Inhalt von Vereinbarungen unter nahen Angehörigen bekanntwerden (BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 161/82, BFH/NV 1987, 414, Ziff. 2 a der Gründe; FG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 1990 8 K 16/86 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 104, 105, und Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 173 Tz. 16).

Abweichend vom FG kommt hier eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 deshalb in Betracht, weil die aufgrund der Außenprüfung bei der KG getroffenen Feststellungen auch neue Tatsachen für die Besteuerung des Klägers bilden können. Denn erst dadurch hat sich herausgestellt, daß die vom Kläger erklärten Zinsen auf einem Darlehen aus vom Vater geschenkten Gelde beruhen, das u. a. ohne Sicherheitsleistung gewährt wurde (vgl. - zur fehlenden Absicherung als neue Tatsache im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c aa des Einkommensteuergesetzes - EStG - auch das BFH-Urteil vom 5. Dezember 1990 I R 21/88, BFH/NV 1991, 785). Dagegen hatte der Kläger in den vom FG in Bezug genommenen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre lediglich Zinsen aus "Darlehen" angegeben, ohne dies näher zu erläutern. Aufgrund des bisher vom FG festgestellten Sachverhalts ist auch davon auszugehen, daß die Einzelheiten des Darlehens als Vereinbarung unter nahen Angehörigen dem FA zuvor nicht bekannt gewesen waren.

Diese nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen können auch rechtserheblich sein. Die Rechtserheblichkeit ergibt sich zwar nicht schon aus der Rechtskraft des gegenüber der KG ergangenen FG-Urteils. Denn sie bindet gemäß § 110 Abs. 1 FGO nur die Beteiligten des damaligen Rechtsstreits. Im vorliegenden Verfahren ist über die Rechtslage also unabhängig von den Entscheidungsgründen dieses Urteils zu befinden. Die Rechtserheblichkeit ist vielmehr mit der Entscheidung des Großen Senats vom 23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) zu bejahen, wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen steuerlichen Ergebnis gelangt wäre. Dies ist anhand der damaligen Gesetzesauslegung des BFH und der die FÄ bindenden Verwaltungsanweisungen zu entscheiden, die das FG im Rahmen seiner tatsächlichen Feststellungen zu ermitteln hat (BFH-Urteil vom 11. Mai 1988 I R 216/85, BFHE 153, 296, BStBl II 1988, 715). Eine solche Rechtserheblichkeit läßt sich auch im vorliegenden Fall nicht ausschließen. Denn der Senat hat im Urteil vom 10. April 1984 VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705) entschieden, daß Zinsen für Darlehen aus geschenkten Geldmitteln, die in einem notariellen Vertrag vereinbart werden, nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind, weil es sich um nichtabziehbare Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG handele (ebenso Urteil vom 12. Februar 1992 X R 121/88, BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468). Nach einem früheren Urteil vom 1. Juni 1978 IV R 109/74 (BFHE 125, 254, BStBl II 1976, 618) sind solche "Zinsen" als "Unterhaltsbeiträge" zu werten.

Geht man hiervon aus, können die Zinsen entgegen der Vorentscheidung auch beim Kläger nicht unter eine Einkunftsart, insbesondere die des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen, auch wenn zivilrechtlich ein wirksam begründetes Darlehensverhältnis gegeben sein mag (BFH in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, Ziff. 6 d der Gründe). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Schrifttum (z. B. Tiedtke, Der Betrieb - DB - 1988, 69, 72, und Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 12 Anm. 10 a) über die Verneinung der Verwirklichung des Tatbestandes der Einkünfteerzielung durch den Darlehensgläubiger. Wenn einem Darlehen die einkommensteuerrechtliche Anerkennung zu versagen ist, weil es dem bei Vereinbarungen unter nahen Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Fremdvergleich nicht genügt, so gilt dies nicht nur für die Ablehnung des Zinsabzugs als Betriebsausgaben beim Darlehensschuldner (vgl. zum Abzug als Sonderausgaben auch BFH-Urteil vom 10. Oktober 1991 XI R 1/86, BFHE 166, 136, BStBl II 1992, 239, 241), sondern auch für den Ansatz von Darlehenszinsen als Kapitaleinnahmen beim Darlehensgläubiger (so auch FG Düsseldorf in EFG 1991, 104). Davon geht auch das Schrifttum, soweit ersichtlich einhellig, aus (vgl. insbesondere Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 20 EStG Anm. 30). Von der gebotenen übereinstimmenden Beurteilung des Sachverhalts hinsichtlich nicht ausgezahlter Zinsen ist der Senat bereits in der Entscheidung vom 18. Juli 1972 VIII R 43/72 (BFHE 106, 519, BStBl II 1972, 932) ausgegangen. Ob außerdem der Besteuerung der Erträge beim Kläger in den Streitjahren auch die Verwendbarkeit der "Zinsen" zum Lebensunterhalt entgegengestanden hätte (vgl. BFH-Urteile vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449, und vom 10. August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137) bedarf keiner Entscheidung.

Der Senat neigt aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts auch dazu, daß den Kläger kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Sachverhalts trifft, wobei er sich nach ständiger Rechtsprechung ein solches Verschulden seines Steuerberaters zurechnen lassen müßte (Senatsurteil vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2, und Urteil vom 3. Juni 1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342). Grobes Verschulden setzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist bei einer ungewöhnlichen und nicht entschuldbaren Verletzung der zumutbaren Sorgfalt gegeben. Sie kommt zwar auch bei unzutreffenden oder unvollständigen Angaben in den Steuererklärungen in Betracht (BFH-Urteil vom 12. Mai 1989 III R 200/85, BFHE 157, 22, BStBl II 1989, 920); dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob auch das FA seine Ermittlungspflicht verletzt hat (BFH-Urteile vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789; vom 5. Dezember 1990 I R 21/88, BFH/NV 1991, 785, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Abgabenordnung 1977, § 173 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 43, und vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65). Ein grobes Verschulden hat die Rechtsprechung ferner für möglich erachtet, wenn es der Steuerpflichtige versäumt hat, den Sachverhalt dem FA noch im Rahmen eines Einspruchs zu unterbreiten (BFH-Urteile vom 25. November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl II 1984, 256; vom 5. November 1985 VIII R 258/82, BFH/NV 1986, 443, 444, und vom 4. Februar 1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641; anderer Ansicht z. T. das Schrifttum, insbesondere Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 AO 1977, Tz. 26 und 31 a).

Gegen die Heranziehung vorstehender Rechtsgrundsätze im vorliegenden Fall spricht aber, daß nähere Angaben zu Zinseinkünften in den amtlichen Einkommensteuer-Erklärungsvordrucken nicht vorgesehen sind (ebenso FG Düsseldorf in EFG 1991, 104, 105) und die steuerrechtliche Wirksamkeit von Darlehensverträgen unter Familienangehörigen im einzelnen nicht auf der Hand lag. Auf das vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers betriebene Rechtsbehelfs- und Klageverfahren für die KG brauchte in den Steuererklärungen ebenfalls nicht zwingend hingewiesen zu werden, weil noch nicht geklärt erscheint, ob und inwieweit vorläufige Steuererklärungen möglich sind (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 150 Anm. 2; Krabbe in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 150 Tz. 2/2 und Tipke/Kruse, a. a. O., § 150 AO 1977, Tz. 7). Die Voraussetzungen einer Berichtigung der Steuererklärungen (§ 153 AO 1977) waren mangels möglicher Steuerverkürzung nicht gegeben.

Die mit vorstehenden Grundsätzen nicht vereinbare Vorentscheidung muß aufgehoben werden. Die Sache geht mangels Spruchreife an das FG zurück. Die Vorinstanz hat, nach ihrem bisherigen Rechtsstandpunkt zu Recht, noch keine Feststellungen zu den einzelnen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 getroffen. Insbesondere die Frage des groben Verschuldens obliegt im wesentlichen dem FG als tatsächliche Würdigung (Senat in BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; Urteile vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65, und vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).