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  BFH-Urteil vom 9.11.1994 (I R 67/94) BStBl. 1995 II S. 305

1. Die Festsetzung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer ist Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags 1991/1992.

2. Der Steuerabzugsbetrag gemäß § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR, § 58 Abs. 3 EStG mindert die Steuerschuld. Er ist nicht bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer zu berücksichtigen.

SolZG 1991 § 3; DBStÄndG DDR § 9 Abs. 1; EStG § 58 Abs. 3.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in Brandenburg ansässige GmbH. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte unter antragsgemäßer Berücksichtigung eines Steuerabzugsbetrags nach § 9 Abs. 1 der Durchführungsbestimmung zum Gesetz zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 16. März 1990 - DBStÄndG - (Gesetzblatt DDR - GBl. DDR - 1990, 195) i. V. m. § 58 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2.460 DM die Körperschaftsteuer 1991 auf 0 DM und den Solidaritätszuschlag auf 92,25 DM fest. Bei Berechnung des Solidaritätszuschlags ging er von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 4.921 DM aus und unterwarf dieses der tariflichen Körperschaftsteuer in Höhe von 50 v. H., woraus sich eine "Tarifbelastung/festgesetzte Körperschaftsteuer" in Höhe von 2.460 DM und ein Solidaritätszuschlag von 92,25 DM errechnete.

Der Einspruch und die Klage der Klägerin, mit der sie eine Berücksichtigung des Steuerabzugsbetrages nach § 9 Abs. 1 DBStÄndG auch für die Bemessung des Solidaritätszuschlags begehrte, hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 902 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt Verletzung des § 3 des Solidaritätszuschlagsgesetzes (SolZG) und beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den Bescheid vom 27. September 1993 dahingehend zu ändern, daß der Solidaritätszuschlag mit 0 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Festsetzung des Solidaritätszuschlags im Bescheid vom 27. September 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 1993 ist der Solidaritätszuschlag auf 0 DM festzusetzen.

1. Bei der Festsetzung des Solidaritätszuschlags besteht eine Bindung an die im Körperschaftsteuerbescheid im Streitfall mit 0 DM festgesetzte Körperschaftsteuer.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 SolZG bemißt sich der Solidaritätszuschlag - vorbehaltlich der im Streitfall nicht einschlägigen Vorschriften des Abs. 2 -, soweit eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, nach der für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 festgesetzten positiven Körperschaftsteuer. Die Festsetzung der Körperschaftsteuer ist Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (§ 51 a Abs. 5 EStG). Insoweit gilt nichts anders als für die Ergänzungsabgabe, die sich - wortgleich mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 SolZG - für Körperschaftsteuerpflichtige gleichermaßen an der festgesetzten Körperschaftsteuer bemaß (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Ergänzungsabgabegesetzes vom 21. Dezember 1967, BGBl I 1967, 1254, BStBl I 1967, 484; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25; BFH-Beschluß vom 21. Mai 1986 I S 1/86, BFH/NV 1987, 725; BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 IV R 171/77, nicht veröffentlicht - n. v. -). Da die Körperschaftsteuer im Streitfall auf 0 DM festgesetzt wurde, kann auch der Solidaritätszuschlag nur 0 DM betragen.

Der Senat kann zugunsten des FA auch nicht berücksichtigen, daß unter der Angabe der Besteuerungsgrundlagen in dem (teilweise) angefochtenen Bescheid zwischen einer Körperschaftsteuer vor und nach Berücksichtigung des Steuerabzugsbetrages unterschieden wird. Diese Aufteilung ist Teil der Begründung des Bescheides und der Steuerberechnung (vgl. § 157 Abs. 2 AO 1977), nicht aber die Steuerfestsetzung selbst. Die differenzierte Körperschaftsteuerberechnung in der Bescheidbegründung ist in die Steuerfestsetzung selbst nicht eingegangen. Letztere lautet eindeutig "festgesetzt werden .... KSt 0,00".

2. Unabhängig hiervon beträgt der Solidaritätszuschlag im Streitfall auch aus materiell-rechtlichen Gründen 0 DM.

Der Solidaritätszuschlag bemißt sich nach der festgesetzten positiven Körperschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SolZG). Die festzusetzende Körperschaftsteuer beträgt im Streitfall 2.460 DM. Der Steuerabzugsbetrag des § 9 Abs. 1 DBStÄndG ist nicht bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer zu berücksichtigen. Er mindert aber die Körperschaftsteuer- und Solidaritätszuschlagsschuld.

a) Gemäß § 9 Abs. 1 DBStÄndG wird dem Inhaber eines neueröffneten Betriebs eine einmalige Steuerbefreiung für zwei Jahre, höchstens bis 10.000 M/DM (vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Satz 1 der Anlage 1 zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990, BGBl II 1990, 537) gewährt. Diese "Steuerbefreiung" führt zu einem Abzug von der Steuerschuld, die sich aus der Summe der festgesetzten Steuern errechnet.

Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 DBStÄndG ergibt sich dies allerdings nicht mit der notwendigen Klarheit, weil der Begriff Steuerbefreiung im Zusammenhang mit der persönlichen oder sachlichen Steuerfreiheit verwendet wird (vgl. z. B. § 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - i. d. F. vom 18. September 1970, GBl. DDR, Sonderdruck 671; Körperschaftsteuergesetz DDR - KöStG DDR -; § 3 EStG vom 18. September 1970, GBl. DDR, Sonderdruck 670) und Vorschriften der sachlichen Steuerbefreiung im Rahmen der Steuerfestsetzung und nicht erst bei Ermittlung der Steuerschuld zu berücksichtigen sind. Die Gewährung eines auf 10.000 M/DM beschränkten Abschlags hat aber weder mit einer persönlichen noch mit einer sachlichen Steuerfreiheit, die bestimmte Einnahmen aus der Besteuerung ausnimmt, etwas zu tun.

Die richtige systematische Einordnung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG ergibt sich aus einer rechtshistorischen Betrachtung. § 9 Abs. 1 DBStÄndG trat an die Stelle einer Reihe von Erlassen, die in § 9 Abs. 3 DBStÄndG ausdrücklich genannt sind. Zu diesen Vorgängerregelungen gehörten u. a. die Direktiven des Ministerrats der DDR und des Ministeriums der Finanzen vom 9. April 1976 und 29. März 1984. Diese sahen für den Fall der Eröffnung oder Übernahme eines/einer Einzelhandelsgeschäfts/Gastwirtschaft oder eines Handwerks- bzw. Kleingewerbebetriebs gleichfalls eine auf zwei Jahre begrenzte Steuerbefreiung in Höhe von 10.000 M vor. Diese "Steuerbefreiung" erfaßte die Summe der zu zahlenden Steuern, wie Gewinn-, Kommissionshandels-, Einkommen-, Umsatz- und Produktionsfondssteuer. Die Steuerpflichtigen wurden von der "Abführung" dieser Steuern "befreit". Der Abzugsbetrag wurde "mit den Steuern (des jeweiligen Kalenderjahres) verrechnet" (vgl. auch Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 22. Juli 1991 IV B 3 - S 2259 c - 14/91, BStBl I 1991, 737 Tz. 4). Vor diesem historischen Hintergrund ist kein Platz für die Annahme, der Steuerabzugsbetrag könne bereits bei der Festsetzung der Steuern angesetzt werden.

Bei der Suche nach der richtigen systematischen Einordnung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG kann nicht auf die §§ 34 f, 34 g des Einkommensteuergesetzes der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) Rückgriff genommen werden (so aber Urteil des Thüringer FG vom 6. Juli 1994 1 K 152/93, EFG 1994, 885), da es vergleichbare Regelungen in der DDR nicht gab und auch durch das Steueranpassungsgesetz (StAnpG) vom 22. Juni 1990 (GBl. DDR, Sonderdruck 1427) nicht übernommen wurden. Wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 1994 I R 146/93 (BFHE 175, 22, BStBl II 1994, 941) ausgeführt hat, dürfen Gesetzes- und Verordnungsbegriffe des DDR-Rechts nicht anhand bundesdeutschen Begriffsverständnisses interpretiert werden, da diese sich aufgrund einer anderen Gesetzesentwicklung und Teleologie gebildet haben. Im Rahmen der Systematik der Einkommens- und Steuerermittlung kann nur insoweit eine Parallele bestehen, als bundesdeutsches Einkommensteuerrecht und das Einkommensteuerrecht der DDR ihre Wurzeln in einem gemeinsamen Gesetz haben (hier z. B. EStG 1938). Bundesdeutsche Gesetzesbestimmungen, die erst nach der Teilung Deutschlands in das EStG eingefügt wurden, vermögen die Gesetzessystematik des DDR-Rechts nicht zu erhellen.

Der Auffassung, daß der Steuerabzugsbetrag die Bemessungsgrundlage für die Zuschlagssteuer mindere (so Thüringer FG, a. a. O.), kann auch deswegen nicht gefolgt werden, weil auf diese Weise die Begrenzung der Steuerbefreiung auf 10.000 M/DM nicht gewährleistet wäre. Wird die Körperschaftsteuer um 10.000 DM niedriger festgesetzt, so würde die Steuerbefreiung unter Einschluß des Solidaritätszuschlags die von der Verordnung gesetzte Grenze überschreiten.

An der aufgezeigten Systematik hat § 58 Abs. 3 EStG durch die bloße Anordnung der Fortgeltung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG nichts geändert.

b) Mit der Summe der Körperschaftsteuer- und Solidaritätszuschlagsschuld ist der Steuerabzugsbetrag zu verrechnen. Da der Klägerin im Streitjahr 1991 noch der gesamte Abzugsbetrag in Höhe von 10.000 DM zur Verfügung steht, hat die Klägerin letztlich weder Körperschaftsteuer noch Solidaritätszuschlag zu zahlen.

Nach § 58 Abs. 3 EStG gilt § 9 Abs. 1 DBStÄndG fort. Da der Steuerabzugsbetrag, wie die rechtshistorische Darlegung bestätigt, nicht nur von der Einkommensteuer, sondern auch von sonstigen Steuern in Abzug zu bringen ist, mindert er auch die Körperschaftsteuerschuld und den Solidaritätszuschlag, obgleich das KStG und das SolZG eine § 58 Abs. 3 EStG entsprechende Regelung nicht kennen. Dementsprechend ist nach dem Schreiben des BMF vom 22. Juli 1991 (a. a. O., Tz. 3.2.) § 9 Abs. 1 DBStÄndG auch für die Körperschaftsteuer anzuwenden, obgleich eine Anwendung des § 58 Abs. 3 EStG über § 8 Abs. 1 KStG nicht möglich ist. Die Frage, ob der Abzugsbetrag ab dem Veranlagungszeitraum 1991 nicht auf die als Betriebsausgaben abzugsfähigen Steuern angerechnet werden kann (so BMF, a. a. O., Tz. 4), ist im Streitfall offenzulassen. Der Solidaritätszuschlag ist jedenfalls eine nichtabzugsfähige Steuer i. S. des § 10 Nr. 2 KStG.