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  BFH-Urteil vom 26.10.1994 (II R 30/91) BStBl. 1995 II S. 400

1. Der Kapitalwert der Versorgungszusage zugunsten der Witwe eines verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers einer Personengesellschaft kann bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Personengesellschaft als Schuld abgezogen werden, wenn die Versorgungszusage betrieblich veranlaßt ist (Einschränkung vom BFH-Urteil in BFHE 143, 97, BStBl II 1985, 239).

2. Der Begriff der betrieblichen Veranlassung ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens im Grundsatz genauso zu bestimmen wie bei den Ertragsteuern. Ausgehend von den allgemeinen Kriterien für die Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Veranlassung ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob die Pensionszusage zugunsten der Witwe eine Betriebsschuld der Personengesellschaft oder eine Privatschuld der Gesellschafter darstellt.

3. Der der Betriebsschuld bei der Personengesellschaft korrespondierende kapitalisierte Pensionsanspruch der Gesellschafter-Witwe kann nicht als deren Sonderbetriebsvermögen in den Einheitswert des Betriebsvermögens der Personengesellschaft einbezogen werden.

BewG 1965 § 97 Abs. 1 Nr. 5, §§ 103 Abs. 1, 104.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde 1945 als OHG gegründet. Sie wird seit 1969 als KG fortgeführt. Persönlich haftende Gesellschafter der OHG waren seit 1947 A. X. sen. und dessen Söhne A. X. jun., W. X. und G. X.

Nach dem Gesellschaftsvertrag i. d. F. vom 1. März 1952 waren die Gesellschafter zu je 1/4 am Gewinn und Verlust beteiligt. Jeder Gesellschafter war verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft ausschließlich der Firma zur Verfügung zu stellen. Unter der Oberleitung des Vaters oblagen A. X. jun. Technik und Produktion, W. X. kaufmännische Verwaltung und Einkauf sowie G. X. Kalkulation, Betriebsabrechnung und Verkauf. Bei ständiger Reisetätigkeit führte G. X. Verhandlungen mit in- und ausländischen Gesprächspartnern. 1965 erkrankte er, weil er dem psychischen Druck, für die Auslastung der Produktionsanlagen verantwortlich zu sein, nicht mehr gewachsen war. 1966 übertrug er seinen Aufgabenbereich auf einen Angestellten der Klägerin.

A. X. sen. verstarb 1963. Sein Gesellschaftsanteil ging zu je 1/3 auf seine Söhne über.

Durch Gesellschaftsvertrag vom Mai 1969, neugefaßt am 8. August 1974, wandelten die Gesellschafter die OHG in eine KG um. A. X. jun. und W. X. blieben Komplementäre, G. X. wurde Kommanditist. Im Todesfall sollten die Erben eines Gesellschafters, soweit sie nicht bestimmte Voraussetzungen erfüllten, gegen Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens ausscheiden. Daneben sollte die Ehefrau eines verstorbenen Gesellschafters "auf Lebenszeit eine für die Gesellschaft als dauernde Last zu behandelnde monatlich vorauszahlbare Rente" erhalten, "die in Zukunft wöchentlich jeweils dem vierfachen Wochen-Ecklohn eines Facharbeiters in der Druckindustrie nach Ortsklasse I des Lohnabkommens für die Druckindustrie oder einer eben gleich zu erachtenden Lohntabelle entsprechen muß".

G. X. starb am 24. Mai 1985. Er wurde von seiner Ehefrau, L. X., allein beerbt. Da Frau L. X. die Voraussetzungen für den Eintritt als Gesellschafterin in die Klägerin nicht erfüllte, stand ihr gegen die Klägerin ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von rd. 800.000 DM zu. Außerdem bezieht Frau L. X. von der Klägerin eine monatliche Rente, die in 1985 rd. 9.800 DM betrug.

In der Vermögensaufstellung auf den streitigen Stichtag (1. Januar 1986) setzte die Klägerin die Pensionsverpflichtung in Höhe von 1.522.291 DM als Betriebsschuld an. Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diese Rückstellung in dem angefochtenen, gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 vom 15. Oktober 1987 nicht an.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FG angenommen, daß die streitige Pensionsverbindlichkeit gegenüber der Witwe des verstorbenen Gesellschafters G. X. als Betriebsschuld den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den streitigen Stichtag mindert.

1. Die streitige Pensionsverpflichtung ist dem Grunde nach bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin als Schuldposten zu berücksichtigen.

a) Gemäß § 104 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes in der für den streitigen Feststellungszeitpunkt geltenden Fassung (BewG) darf eine Pensionsverpflichtung nur abgezogen werden, wenn der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf die Pensionsleistungen hat, die Pensionszusage keinen Vorbehalt enthält, daß die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung auch ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen gemindert oder entzogen werden kann, und die Pensionszusage schriftlich erteilt ist.

aa) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt im Streitfall keinem Zweifel. § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974 enthält eine vorbehaltlose Pensionszusage, die der begünstigten Gesellschafter-Witwe einen Rechtsanspruch auf die versprochene Pension gewährt.

bb) Die Eigenschaft der streitigen Verbindlichkeit als Pensionsverpflichtung (Versorgungsrente) wird entgegen der Ansicht des FA nicht dadurch beseitigt, daß die in § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974 enthaltene Rentenzusage in einem äußeren - räumlichen - Zusammenhang mit den gesellschaftsvertraglichen Regelungen über die Abfindung ausscheidender Gesellschafter (vgl. § 9 Abs. 1 bis 3 und § 10 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974) steht. Das FG hat § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974 dahin ausgelegt, daß die Komplementäre A. X. jun. und W. X. für ihre seit 1945 andauernde Tätigkeit und der Kommanditist G. X. für seine Tätigkeit als Komplementär in den Jahren von 1947 bis zu seiner Erkrankung in den Jahren 1965/1966 hätten entschädigt werden sollen. Denn die genannten Gesellschafter seien entsprechend der Vereinbarung vom März 1952 verpflichtet gewesen, ihre gesamte Arbeitskraft ausschließlich für das Unternehmen der Klägerin einzusetzen. Diese Würdigung der Pensionsabrede durch das FG verstößt weder gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (vgl. §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rdnr. 17, m. w. N.). Zu Unrecht meint die Revision, in der Zusage der Witwenversorgung sei in erster Linie ein Ausgleich dafür zu sehen, daß in § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974 für die Rechtsnachfolger eines ausgeschiedenen Gesellschafters keine Entschädigung für die stillen Reserven vorgesehen sei. Gegen die Annahme, daß die Zusage der Witwenversorgung den Charakter einer zusätzlichen Abfindung des durch Tod ausscheidenden Gesellschafters habe mit der Folge, daß nicht eine Versorgungs-, sondern eine Veräußerungsrente vorläge, spricht entscheidend, daß die Rentenansprüche nur der Witwe, nicht hingegen einem anderen Rechtsnachfolger (Erben) eines durch Tod ausscheidenden Gesellschafters und nicht einmal dem zu seinen Lebzeiten ausscheidenden Gesellschafter selbst (vgl. § 10 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974) zustehen sollten. Im übrigen offenbart sich der Wille der Gesellschafter, daß die ihren Witwen ausgesetzten Pensionen nicht Bestandteil der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters, d. h. dessen Auseinandersetzungsguthabens, sein sollten, schon in dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages, wo zwischen "Auseinandersetzungsguthaben" und "Rente" strikt unterschieden wird (".... neben ihrem Auseinandersetzungsguthaben .... Rente ....").

b) Ebenso zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die streitige Pensionsverbindlichkeit am maßgeblichen Feststellungszeitpunkt eine betriebliche Schuld der Klägerin darstellte.

aa) Der Abzug einer Pensionsverbindlichkeit i. S. des § 104 Abs. 1 BewG bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens setzt voraus, daß es sich um eine Betriebsschuld i. S. von § 103 Abs. 1 BewG handelt. Danach dürfen Schulden nur insoweit abgezogen werden, als sie mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist dieser wirtschaftliche Zusammenhang dann gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen. Eine Betriebsschuld ist somit jede Verbindlichkeit, die durch den Betrieb veranlaßt ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1984 III R 82/79, BFHE 143, 97, BStBl II 1985, 239, unter 2.). Dabei ist der Begriff der "betrieblichen Veranlassung" bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens im Grundsatz genauso zu bestimmen wie bei den Ertragsteuern. Ob eine Betriebsschuld vorliegt, ist folglich im Bewertungsrecht regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu entscheiden wie in der Steuerbilanz (vgl. auch Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15. Aufl., § 103 Rdnr. 6 und 86).

bb) Soweit in der bisherigen Bewertungsrechtsprechung angenommen wurde, daß eine Pensionszusage an den tätigen Gesellschafter einer Personen(handels-)

gesellschaft zu seinen eigenen Gunsten und/oder zugunsten seiner Witwe stets (ausnahmslos) privat (also nichtbetrieblich) veranlaßt sei (vgl. z. B. BFH in BFHE 143, 97, BStBl II 1985, 239), kann sich der erkennende Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Vielmehr ist - ausgehend von den allgemeinen Kriterien über die Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Veranlassung - nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob eine derartige Pensionsverbindlichkeit eine Betriebsschuld der Personengesellschaft oder eine private Schuld der Gesellschafter der Personengesellschaft darstellt.

Wie bereits unter II. 1.a, bb dargelegt, handelt es sich bei der streitigen Rentenverpflichtung nicht um einen Bestandteil der Abfindung des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters G. X. (also um eine Veräußerungsrente), sondern um eine Versorgungsrente. Die betriebliche Veranlassung und damit die Abzugsfähigkeit der streitigen Pensionsverbindlichkeit als Betriebsschuld der Klägerin hängt deshalb davon ab, ob eine betriebliche oder eine private Versorgungsrente vorliegt. Zu Recht hat das FG eine betriebliche Versorgungsrente angenommen. Kennzeichnend für das Vorliegen einer solchen Rente ist, daß der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste (des Gesellschafters) im Vordergrund steht. Dies trifft im Streitfall zu. Das FG hat hierzu ausgeführt, daß die in § 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 8. August 1974 enthaltene Pensionszusage die langjährige, die gesamte Arbeitskraft beanspruchende Tätigkeit der drei Gesellschafter im Dienste der Klägerin habe entgelten sollen. Die Vereinbarung einer Jahresrente von rd. 120.000 DM übersteige auch nicht einen angemessenen Rahmen. Bei der Festlegung der Höhe der ihren Ehefrauen zugesagten Witwenrenten hätten die Gesellschafter der Klägerin auch nicht danach zu unterscheiden brauchen, daß die Gesellschafter A. X. jun. und W. X. einige Jahre länger für die KG tätig gewesen seien als der in den Jahren 1965/1966 erkrankte Gesellschafter G. X. Die Gesellschafter hätten vielmehr in Rechnung stellen dürfen, daß die ständige Reisetätigkeit im In- und Ausland eine wesentliche Ursache für den endgültigen Ausfall von G. X. gebildet habe.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Auch das FA hat nicht geltend gemacht, daß bei der Versorgungszusage private (familiäre) Erwägungen vorherrschend gewesen seien und/oder die Rentenhöhe ein angemessenes, einem Fremdgeschäftsführer nicht zugebilligtes Maß überschritten habe. Dies entspricht auch der ertragsteuerlichen Behandlung der streitigen Rentenverbindlichkeit durch das FA, das die von der Klägerin in ihrer Steuerbilanz vom 31. Dezember 1985 gebildete Rückstellung anerkannt hat.

c) Der Abzug der streitigen Pensionsverbindlichkeit als Betriebsschuld der Klägerin kann nicht dadurch "rückgängig gemacht werden", daß der der Rückstellung bei der Gesamthand korrespondierende kapitalisierte Pensionsanspruch der begünstigten Gesellschafter-Witwe in gleicher Höhe als deren Sonderbe-triebsvermögen in die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin einbezogen wird. § 15 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1986, der eine solche Einbeziehung vorsieht, gilt nur für den Bereich der Ertragsteuern und findet in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG keine Entsprechung.

Abgesehen davon findet § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG i. d. F. des StBereinG 1986 erstmals Anwendung auf Veranlagungszeiträume ab 1986, wohingegen im Streitfall gemäß § 106 Abs. 2 BewG als Bewertungsstichtag der 31. Dezember 1985 zugrunde zu legen ist (zur ertragsteuerlichen Zulässigkeit einer Rückstellung für die Pension einer Personengesellschafter-Witwe in der Bilanz zum 31. Dezember 1985 vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26; zur Nichtberücksichtigung von ab dem streitigen Feststellungszeitpunkt - 1. Januar - geltenden Gesetzesänderungen, wenn gemäß § 106 Abs. 2 BewG die Verhältnisse des vorangegangenen Abschlußzeitpunkts - 31. Dezember - maßgebend sind, vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Mai 1983 III R 112-113/79, BFHE 139, 88, BStBl II 1983, 657, unter I. 2. b, aa, m. w. N.).

2. Auch die (zwischen den Beteiligten unstreitige) Höhe der von der Klägerin mit 1.522.291 DM berechneten Rückstellung ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 BewG sind Pensionsverpflichtungen von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, höchstens mit dem Teilwert nach § 6a Abs. 3 EStG unter Zugrundelegung eines Rechnungszinsfußes von 6 v. H. anzusetzen. Der nach diesen Grundsätzen zu ermittelnde Teilwert überschreitet - wie das FA selbst errechnet hat - den von der Klägerin geltend gemachten Betrag von 1.522.291 DM.