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  BFH-Urteil vom 2.3.1995 (IV R 62/93) BStBl. 1995 II S. 413

Zahlungen zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen sind steuerlich auch dann nicht absetzbar, wenn sie vereinbarungsgemäß aus laufenden Betriebseinnahmen erfolgen.

EStG § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1a; BGB § 2303.

Sachverhalt

Der 1977 verstorbene Textdichter X (Erblasser) hatte seine zweite Ehefrau, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), als Alleinerbin eingesetzt. Seine Kinder aus erster Ehe machten deshalb gegenüber der Klägerin ihre Pflichtteilsansprüche geltend. Das Nachlaßvermögen bestand aus Urheberrechten und sonstigem Vermögen. Aus letzterem erhielten die Kinder jeweils einen Betrag in Höhe von 25.939 DM. Die Urheberrechte hatte der Erblasser der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) überlassen. Über ihren Wert bestand zwischen der Klägerin und ihren Stiefkindern Streit, der auch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führte. Für Zwecke der Erbschaftsteuer war der gemeine Wert mit .... DM bemessen worden. In einer Vereinbarung vom 22. Februar 1978 kamen die Klägerin und ihre Stiefkinder schließlich überein, daß die Klägerin den Pflichtteilsberechtigten rückwirkend vom Zeitpunkt des Todes des Erblassers an 1/8 des jeweils um die Umsatzsteuer verminderten Tantiemeaufkommens zahlen sollte. Berechtigt gegenüber der GEMA blieb die Klägerin, ihren Stiefkindern standen Kontrollrechte zu. Wegen weiterer Streitigkeiten über die endgültige Höhe und Fälligkeit der auszuzahlenden Beträge wies die Klägerin die GEMA später an, ab Herbst 1978 ein Viertel der Nettotantiemen künftig direkt auf ein gemeinsames Konto der Kinder zu überweisen. Auf diesem Wege floß diesen im Streitjahr ein Betrag in Höhe von .... DM zu, den die Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung zunächst nicht als Betriebseinnahme erfaßte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) korrigierte dies im Anschluß an eine Außenprüfung und versagte auch den hilfsweise begehrten Betriebsausgabenabzug.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem erstinstanzlichen Antrag stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. FG und FA sind zu Recht davon ausgegangen, daß die von der GEMA an die Stiefkinder der Klägerin überwiesenen Beträge zu den Betriebseinnahmen der Klägerin gehören. Nach dem Vergleich vom 22. Februar 1978 blieb die Klägerin gegenüber der GEMA alleinige Anspruchsberechtigte. Die später getroffene Vereinbarung mit der GEMA, daß diese unmittelbar Zahlungen an die Pflichtteilsberechtigten leisten sollte, diente lediglich dem Zweck, Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und ihren Stiefkindern über Höhe und Fälligkeit der Zahlungen zu verhindern. Sie beruhte auf einem Entgegenkommen der GEMA, die damit von ihren üblichen Gepflogenheiten abwich, änderte jedoch nichts an der alleinigen Anspruchsberechtigung der Klägerin.

2. FG und FA sind auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin die an die Pflichtteilsberechtigten gezahlten Beträge nicht als Betriebsausgaben bei ihren Einkünften aus selbständiger Tätigkeit abziehen darf.

a) Die Zahlungen sind weder ganz noch zum Teil als Schuldzinsen den Betriebsausgaben zuzurechnen.

aa) Nach den Feststellungen des FG haben die Klägerin und die Pflichtteilsberechtigten den Vertrag vom 22. Februar 1978 nicht geschlossen, um damit eine verzinsliche Stundung herbeizuführen. Die Vereinbarung ist vielmehr vor dem Hintergrund zu sehen, daß der Wert der Urheberrechte naturgemäß schwer zu bestimmen war. Es handelte sich um musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte, deren Wert davon abhing, in welchem Umfang die Werke des Erblassers in den folgenden Jahren aufgeführt und im Rundfunk gesendet wurden. Die Bewertbarkeit wird dadurch erschwert, daß Einnahmen aus den Aufführungs- und Vervielfältigungsrechten - zumindest theoretisch - bis zum Erlöschen der Urheberrechte 70 Jahre nach dem Tod des Erblassers (§ 64 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes - UrhG -) anfallen können. In Anbetracht dessen lag es nahe, sich darauf zu einigen, daß der Pflichtteilsanspruch in Form von jährlichen Zahlungen in Höhe von jeweils 1/8 der gezahlten Tantiemen erfüllt wurde.

bb) Allerdings ist nicht zu verkennen, daß der Betrag, der den Stiefkindern nach dem Vertrag vom 22. Februar 1978 insgesamt zufließen sollte, höher war als der kapitalisierte Anspruch im Zeitpunkt des Erbfalls. Ob in der Differenz zwischen beiden Beträgen die Verzinsung eines gestundeten Pflichtteilsanspruchs gesehen werden könnte, kann dahinstehen, da derartige Zinsen nicht zu Betriebsausgaben führen. Pflichtteilsverbindlichkeiten gehören zum notwendigen Privatvermögen. Folglich kann auch ihre Finanzierung nicht betrieblich veranlaßt sein (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1993 VIII R 47/90, BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619 m. w. N.). Für die im Schrifttum vertretene These (insbesondere Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 16 Anm. 120d, 130a, 131; derselbe, Finanz-Rundschau - FR - 1993, 683), daß eine erfolgsneutrale Einbuchung ins Betriebsvermögen möglich sei, fehlt es nach Ansicht des Senats an einer gesetzlichen Grundlage (ebenso BFH-Urteil vom 27. Juli 1993 VIII R 72/90, BFHE 173, 515, BStBl II 1994, 625).

b) Ein Betriebsausgabenabzug kommt entgegen der auf das BFH-Urteil vom 14. Februar 1973 I R 131/70 (BFHE 108, 527, BStBl II 1973, 395) gestützten Ansicht der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer zwischen ihr und ihren Stiefkindern geschlossenen stillen Gesellschaft in Betracht. Da die Klägerin keinen Gewerbebetrieb unterhielt, sondern Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bezog, könnte sie die Pflichtteils-berechtigten allenfalls in Form einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts an ihren Einkünften beteiligt haben. Einer solchen Beteiligung wäre die steuerliche Anerkennung aber bereits deshalb zu versagen, weil es sich um eine Gesellschaft zwischen Angehörigen handeln würde, ausreichend eindeutige Vereinbarungen jedoch fehlen. Selbst wenn man diesem Gesichtspunkt wegen der vorhandenen Interessengegensätze keine Bedeutung beimessen wollte, so mangelte es doch an einem gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Hinzu kommt, daß die Pflichtteilsberechtigten keine Einlage geleistet haben, deren Über-lassung ihnen durch Gewinnanteile vergütet würde. Insbesondere haben die Stiefkinder der Klägerin nicht ihren Pflichtteilsanspruch, soweit er nach dem Wert der Urheberrechte zu bemessen war, als Gesellschaftereinlage zur Nutzung überlassen und dafür eine Rendite in Form einer Gewinnbeteiligung erhalten. Vielmehr stellten die Zahlungen in Höhe von jeweils 1/8 der Tantiemen - wie unter 2. a), aa) ausgeführt - die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs selbst dar. Würden die Vertragschließenden die Vereinbarung vom 22. Februar 1978 einvernehmlich auflösen, so stünde den Stiefkindern kein Anspruch auf Rückzahlung einer Einlage zu, sondern allenfalls der kapitalisierte "Restwert" der Urheberrechte.

3. Schließlich hat das FG zutreffend entschieden, daß die streitigen Beträge auch nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden können. Der Erblasser hatte nicht etwa verfügt, daß seine Kinder aus erster Ehe von der Klägerin regelmäßige Zahlungen erhalten sollten (zu diesem Fall vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1975 VI R 168/73, BFHE 116, 505, BStBl II 1975, 882). Die Kinder hatten gegenüber der Klägerin lediglich den Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 BGB. Die Begleichung eines Pflichtteilsanspruchs stellt sich jedoch als Um-schichtung von Privatvermögen dar, die beim Empfänger nicht steuerpflichtig, beim zahlenden Erben nicht abzugsfähig ist. Das gilt auch dann, wenn der Anspruch in wiederkehrenden Leistungen - Raten oder "Renten" - beglichen wird (BFH-Urteil vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298). Lediglich insoweit, als der Auszahlungsbetrag über dem auf den Stichtag ermittelten Barwert liegt, liegen Zinsen vor, wenn es sich um einen "darlehensähnlichen" Vertrag handelt. Ob das vorliegend der Fall ist, ist nicht zweifelsfrei (s. o., 2. a). Die Frage kann aber dahinstehen, da solche Zinsen zwar beim Empfänger steuerpflichtige Einnahmen darstellen (BFH-Urteil in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, unter II. 6. c), beim Schuldner jedoch wegen des Abzugsverbotes für private Schuldzinsen nicht abgezogen werden können (BFH-Urteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612).