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  BFH-Urteil vom 10.11.1994 (IV R 76/93) BStBl. 1995 II S. 455

Die Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO findet keine Anwendung auf Einkünfte aus der Neuentwicklung von Pflanzensorten, die ihrer Art nach im Artenverzeichnis zum Sortenschutzgesetz aufgeführt sind.

ErfVO §§ 1 Abs. 2, 3 Nr. 1, 4 Abs. 3; PatG § 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen landwirtschaftlichen Saatzuchtbetrieb. U. a. hatte er eine Maissorte entwickelt, die in den Niederlanden unter der Bezeichnung "...."., in Frankreich unter der Bezeichnung "...." ins Sortenregister eingetragen ist. Diese Maissorte stellte er in den Streitjahren einem französischen und einem niederländischen Abnehmer zur Verfügung und erzielte hierfür Lizenzzahlungen. In Deutschland hat der Kläger für die Maissorte "..../...." keinen Sortenschutz angestrebt.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß auf diese Einkünfte nicht der ermäßigte Steuersatz nach § 4 Nr. 3 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder (ErfVO) angewandt werden könne und erließ für die Streitjahre (1982 und 1983) entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

In dem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger geltend, die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Erfindungen und landwirtschaftlichen Neuzüchtungen sei nicht gerechtfertigt. Sie beriefen sich dabei auf einen Erlaß des Finanzministers des Landes Baden-Württemberg vom 17. Februar 1964 (Einkommensteuerkartei der Oberfinanzdirektion - OFD - Karlsruhe, Stuttgart und Freiburg, § 18 Nr. 12), der lautet:

"Nach einem Beschluß der Steuerreferenten der obersten Finanzbehörden der Länder sind Pflanzenzüchtungen, denen vom Bundessortenamt der Sortenschutz erteilt worden ist (vgl. § 29 des Saatgutgesetzes vom 27. Juni 1953, BGBl I S. 450), den patentfähigen Erfindungen i. S. der VO über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 gleichzustellen. Der Sortenschutz wird nur erteilt, wenn die einzelne Züchtung einen ,landeskulturellen Wert' besitzt. Es bestehen keine Bedenken, den ,landeskulturellen Wert' i. S. des Pflanzenschutzrechts ohne weitere Prüfung als ,volkswirtschaftlich wertvoll' i. S. der Erfinder-VO anzuerkennen. Nach Auffassung des Herrn Bundesministers der Finanzen und der obersten Finanzbehörden der Länder kann deshalb die zuständige Landesfinanzbehörde den volkswirtschaftlichen Wert von Pflanzenzüchtungen gem. § 3 Nr. 1 der Erfinder-VO ohne formelle Bestätigung durch die Wirtschaftsbehörden anerkennen, wenn das Bundessortenamt den Sortenschutz erteilt hat."

Diese Verwaltungsanweisung sei erst im Jahre 1987 in der Einkommensteuerkartei der genannten OFD mit dem Vermerk versehen worden, daß sie nicht mehr angewandt werden könne. Mithin sei ihnen, den Klägern, - zumindest aus Gründen des Vertrauensschutzes - die Steuerermäßigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO zu gewähren.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Kläger können den ermäßigten Steuersatz gemäß § 4 Nr. 3 der im Streitjahr noch geltenden ErfVO nicht in Anspruch nehmen, weil die streitigen Einkünfte nicht aus einer Erfindertätigkeit i. S. des § 1 Abs. 2 ErfVO herrühen.

Erfindertätigkeit in diesem Sinne ist lediglich eine "Tätigkeit, die auf Erzielung einer patentfähigen Erfindung gerichtet ist". Dabei richtet sich die "Patentfähigkeit" nach dem Patentrecht (Senatsurteil vom 28. April 1983 IV R 77/82, BFHE 138, 373, BStBl II 1983, 506).

Nach § 2 Nr. 2 des Patentgesetzes (PatG) können Patente nicht erteilt werden für Pflanzensorten, die ihrer Art nach im Artenverzeichnis zum Sortenschutzgesetz aufgeführt sind. Im Artenverzeichnis zum Sortenschutzgesetz vom 20. Mai 1968 (BGBl I 1968, 429, 443) ist die streitige Pflanzenart "Mais" (Zea Mays L.) jedoch genannt.

Angesichts der Eindeutigkeit des Begriffs "patentfähige Erfindung" scheitert der Versuch, die Vergünstigung auch auf Erträge aus der Verwertung von Erfindungen oder Entdeckungen anzuwenden, für die kein Patentschutz, sondern eine andere Art von Schutzrechten - wie etwa der Sortenschutz - vorgesehen ist. Daher geht auch der Hinweis der Kläger auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 8. Juni 1982, Rs. 258/78 (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - GRUR -, Internationaler Teil, 1982, 530) fehl; zwar wird in dieser Entscheidung ausgeführt, daß das Sortenschutzrecht keine so spezifischen Merkmale aufweise, daß es eine andere Behandlung als die übrigen gewerblichen Schutzrechte verlangen würde. Die Kläger übersehen jedoch, daß durch die Vorschriften der ErfVO nicht alle Einkünfte aus der Verwertung von gewerblichen Schutzrechten (also nicht etwa von Gebrauchs- und Geschmacksmustern oder Warenzeichen) begünstigt werden (FG Hamburg, Urteil vom 8. Oktober 1958 III 140/56, rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1959, 129; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 122. Ergänzungslieferung, November 1977, § 1 ErfVO Rdnr. 11; Hutter in Blümich, Einkommensteuergesetz mit Nebengesetzen, § 1 ErfVO Rdnr. 10; Schnekenburger, Betriebs-Berater - BB - 1968, 1378; Rosenau, Finanz-Rundschau - FR - 1968, 164; a. A. Hagen, BB 1979, 880; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Januar 1966 VI 94/65, BFHE 84, 466, BStBl III 1966, 170 zu Geschmacksmustern).

2. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihnen die Steuervergünstigung gemäß § 4 Nr. 3 ErfVO im Wege der analogen Anwendung dieser Bestimmung zu gewähren sei. Zutreffend hat das FG in Anlehnung an das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 17. November 1989 4 A 2352/87 (GRUR 1991, 38) darauf hingewiesen, daß durch die im Jahre 1968 eingetretene Beschränkung des Patentschutzes für Pflanzenzüchtungen in den Bestimmungen der ErfVO keine planwidrige Lücke entstanden ist.

Allerdings waren Pflanzenzüchtungen bis zu diesem Zeitpunkt patentfähig. Neben dem Sortenschutz nach dem Saatgutgesetz vom 27. Juni 1953 (BGBl I 1953, 450) galten die Vorschriften des PatG weitgehend auch für Erfindungen neuer Pflanzensorten. Das Verbot der Patenterteilung für bestimmte Pflanzenzüchtungen in der eingangs erwähnten Vorschrift des § 2 Nr. 2 PatG wurde erst im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Sortenschutzgesetzes vom 20. Mai 1968, durch das das Saatgutgesetz abgelöst wurde, in das PatG (damals § 1 Abs. 2 Nr. 2 PatG) aufgenommen. Der Gesetzgeber hat jedoch trotz dieser Entwicklung daran festgehalten, daß die Patentfähigkeit einer Erfindung Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung der mit ihr zusammenhängenden Einkünfte blieb. Das wird dadurch deutlich, daß er durch das Gesetz zur Überleitung steuerrechtlicher Vorschriften für Erfinder vom 20. Februar 1969 (BGBl I 1969, 141, 144) der ErfVO ausdrücklich rückwirkend Gesetzeskraft verliehen hat.

3. Der Senat stimmt dem FG ferner darin zu, daß die ErfVO auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn sie steuerliche Vergünstigungen an die Patentfähigkeit von Erfindungen knüpft. Der von den Klägern angeführte Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) läßt dem Gesetzgeber gerade im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit eine weitgehende Gestaltungsfreiheit; ihr sind nur durch das Willkürverbot Grenzen gesetzt. Eine derartiger Willkür kann einer gesetzlichen Regelung aber nur dann vorgeworfen werden, wenn ihre Unsachlichkeit evident ist (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 10. Oktober 1978 2 BvL 3/78, BVerfGE 49, 280, 283; vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50, 89/79, BVerfGE 55, 72, 89 f.). Dies ist angesichts der zwischen Patent und Sortenschutz bestehenden Unterschiede nicht der Fall.

Allerdings weisen die Kläger zutreffend darauf hin, daß die durch die im Jahre 1968 erfolgte Umstellung des Rechtsschutzes für biologische Erfindungen entstandenen Unterschiede zwischen Patent und Sortenschutz dazu dienen, den Besonderheiten, die die biologischen Neuentwicklungen gegenüber gewerblichen Erfindungen aufweisen, Rechnung zu tragen. Das ändert jedoch nichts daran, daß im Gegensatz zum Patent die Erteilung des Sortenschutzrechtes nicht den Nachweis einer schöpferischen Tätigkeit verlangt (Wuesthoff, GRUR 1977, 404, 409). Deshalb und wegen des im Vergleich zum Patent weniger weit reichenden Schutzbereiches wird der Sortenschutz auch (ähnlich wie Gebrauchs- und Geschmacksmusterschutz) den "kleinen Rechten" zugerechnet (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 15. Dezember 1987 X ZR 55/86, BGHZ 102, 373, 380). Diese Unterschiede - insbesondere die geringeren Erteilungsvoraussetzungen - lassen es nicht willkürlich erscheinen, wenn die Steuervergünstigungen auf patentfähige Erfindungen beschränkt sind.

4. Unabhängig vom Erfordernis einer patentfähigen Erfindung (§ 1 Abs. 2 ErfVO) fehlt es im Streitfall auch an der weiteren Voraussetzung, daß die oberste Wirtschaftsbehörde des Landes, in dem die Erfindung genutzt wird, bestätigt haben muß, daß die Erfindung volkswirtschaftlich wertvoll ist. Das gilt selbst dann, wenn man mit den Klägern in Anlehnung an den Erlaß des Finanzministers des Landes Baden-Württemberg vom 17. Februar 1964 der Auffassung sein wollte, dieses Erfordernis könne bei Pflanzenzüchtungen dadurch ersetzt werden, daß das Bundessortenamt den "landeskulturellen Wert" bestätigt, wie es für die Zulassung zum gewerbsmäßigen Inverkehrbringen gemäß § 30 des Saatgutverkehrsgesetzes vom 20. August 1985 erforderlich ist. Denn eine solche Bestätigung durch das Bundessortenamt liegt ebenfalls nicht vor. Die Eintragung in die Sortenliste eines anderen EG-Landes kann diese Bestätigung nicht ersetzen. Das Erfordernis der Bestätigung, daß eine Erfindung volkswirtschaftlich wertvoll sein muß, dient dazu, daß nur solche Erfindungen begünstigt werden, die der Förderung der Wirtschaft im Bundesgebiet dienen (BRDrucks 136/51). Selbst wenn man annehmen wollte, daß die Nutzung einer Erfindung im Ausland geeignet ist, die Wirtschaft im Bundesgebiet zu fördern, so ist doch eine ausländische Behörde nicht dazu berufen, dies festzustellen.

5. Schließlich können sich die Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihrem Begehren müsse stattgegeben werden, weil sie auf den im Tatbestand wiedergegebenen Erlaß des Finanzministers des Landes Baden-Württemberg vom 17. Februar 1964 vertraut hätten.

Dieser Erlaß ist - wie sein Wortlaut zeigt - auf die bis 1968 geltenden Bestimmungen des Saatgutgesetzes zugeschnitten. Das ergibt sich insbesondere daraus, daß der Erlaß davon ausgeht, Sortenschutz werde nur bei Vorliegen eines "landeskulturellen Wertes" erteilt. Dieses Erfordernis war lediglich in § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Saatgutgesetzes enthalten, wohingegen nach § 1 des Sortenschutzgesetzes Sortenschutz bereits dann erteilt wird, wenn die Pflanzensorte neu, hinreichend homogen, beständig und durch eine eintragungsfähige Sortenbezeichnung bezeichnet ist.

Allenfalls unter Geltung der bis zur Umstellung des Rechtsschutzes für biologische Erfindungen im Jahre 1968 maßgeblichen Rechtslage, auf die er sich wie dargelegt ausdrücklich bezieht, war der Erlaß mit § 1 Abs. 2 ErfVO vereinbar. Denn nur bis zu diesem Zeitraum konnte die Neuentwicklung einer im Artenverzeichnis enthaltenen Pflanzensorte zur Patenterteilung führen. Es handelt sich bei dem Erlaß vom 17. Februar 1964 nicht um einen auf § 163 AO 1977 gestützten allgemeinen, das Gesetz verdrängenden Billigkeitserlaß, sondern um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung. Einer solchen Anweisung kommt unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht dieselbe Bedeutung zu wie einer im Einzelfall erteilten verbindlichen Zusage. Soweit sie keine zutreffende Auslegung des Gesetzes darstellt, kann ihre Einhaltung nicht gerichtlich durchgesetzt werden, weil der Exekutive die Befugnis zur allgemeinen Rechtssetzung nicht zusteht (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 I R 3/86, BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610 m. w. N.).