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  BFH-Urteil vom 7.12.1994 (I R 7/94) BStBl. 1995 II S. 477

1. Das Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 KStG 1990 erstreckt sich auch auf Hinterziehungszinsen.

2. § 10 Nr. 2 KStG 1990 findet auf den Veranlagungszeitraum 1986 rückwirkende Anwendung.

3. Die in §§ 10 Nr. 2 und 54 Abs. 5 KStG 1990 getroffene Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

KStG 1990 § 10 Nr. 2, § 54 Abs. 5; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 8 a; AO 1977 § 235.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische Aktiengesellschaft, der gegenüber der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Zinsen wegen der Hinterziehung von Körperschaftsteuer 1979 und 1980 in Höhe von 41.893 DM und wegen Vermögensteuer 1979 bis 1981 in Höhe von 1.619 DM festsetzte. Die Klägerin behandelte die Zinsen in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1986 als gemäß § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 - KStG 1990 - (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) nicht abziehbare Betriebsausgaben. Entsprechend veranlagte das FA am 21. Juli 1988 die Klägerin zur Körperschaftsteuer 1986.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch mit dem Antrag ein, die Zinsen als abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln. Während des Einspruchsverfahrens ergingen zwei Änderungsbescheide vom 11. August 1988 und vom 23. Februar 1989, die jedoch das Einspruchsbegehren nicht erledigten. Das FA wies den Einspruch am 20. März 1989 als unbegründet zurück.

Die Klägerin erhob Klage. Während des Klageverfahrens erging der Änderungsbescheid vom 26. November 1990, den die Klägerin in das Klageverfahren überleitete. Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 267 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 10 Nr. 2 KStG 1990 und die Verfassungswidrigkeit von § 54 Abs. 5 KStG 1990.

Sie beantragt, das Urteil des FG Düsseldorf vom 29. Oktober 1993 6 K 122/89 K aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 1986 vom 26. November 1990 entsprechend dem Klageantrag zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 10 Nr. 2 KStG 1990 sind die auf die Steuern vom Einkommen und die sonstigen Personensteuern entfallenden Nebenleistungen mit Ausnahme der Zinsen auf Steuerforderungen nach den §§ 233 a, 234 und 237 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht abziehbare Aufwendungen. Hinterziehungszinsen i. S. des § 235 AO 1977 sind Nebenleistungen i. S. des § 10 Nr. 2 KStG 1990. Die Definition des § 3 Abs. 3 AO 1977 gilt auch für das KStG 1990. Die in § 10 Nr. 2 KStG 1990 enthaltene Ausnahmeregelung gilt nicht für Hinterziehungszinsen. Sie erstreckt sich nur auf Zinsen i. S. der §§ 233 a, 234 und 237 AO 1977. Die entsprechende Einschränkung entspricht dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 11/2536, S. 89). Dann aber ist es den FG verwehrt, zu einem anderen Ergebnis im Wege einer verfassungskonformen Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut zu kommen.

2. § 10 Nr. 2 KStG 1990 findet wegen § 54 Abs. 5 KStG 1990 auch auf den Veranlagungszeitraum 1986 rückwirkende Anwendung.

3. Der Senat hält die in §§ 10 Nr. 2 und 54 Abs. 5 KStG 1990 getroffene Regelung für verfassungsrechtlich unbedenklich.

a) Es ist kein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) ersichtlich. Die Ungleichbehandlung zwischen Hinterziehungszinsen und anderen Zinsen innerhalb des § 10 Nr. 2 KStG 1990 ist sachlich gerechtfertigt.

aa) Dies gilt einmal mit Rücksicht auf §§ 4 Abs. 5 Nr. 8 a und 9 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In den Vorschriften hat der Gesetzgeber für alle Einkunftsarten des EStG einheitlich ein Abzugsverbot für Hinterziehungszinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten konstituiert. Wegen der Verweisung des § 8 Abs. 1 KStG 1990 auf die Vorschriften des EStG muß das Abzugsverbot auch für Zwecke der Körperschaftsteuer gelten. § 10 Nr. 2 KStG 1990 tritt insoweit hinter §§ 8 Abs. 1 KStG 1990, 4 Abs. 5 Nr. 8 a EStG zurück. Er hat nur klarstellenden Charakter.

bb) Dies gilt zum anderen auch mit Rücksicht auf den Vergleich mit der Behandlung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO 1977). Auch diese sind gemäß § 10 Nr. 2 KStG 1990 nicht abziehbar. Zwar sind Säumniszuschläge in erster Linie ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern. Sie haben jedoch auch Zinscharakter (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. März 1979 IV R 174/78, BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429; vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, 517, BStBl II 1985, 489; vom 26. April 1988 VII R 127/85, BFH/NV 1989, 71; vom 22. Juni 1990 III R 150/85, BFHE 161, 4, BStBl II 1991, 864, und vom 29. August 1991 V R 78/86, BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906). Sie sind auch die Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung über die Fälligkeit der Steuerschuld. Ähnlich wie bei den Hinterziehungszinsen werden die Säumniszuschläge auch zwecks Abschöpfung des Zinsvorteils aus der verspäteten Zahlung der Steuerschuld erhoben. Gegenüber dem Satz von 12 v. H. pro Jahr für Säumniszuschläge (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) beträgt der Zinssatz für Hinterziehungszinsen nur 6 v. H. pro Jahr (§ 238 Abs. 1 AO 1977). Der Betrag liegt regelmäßig unter den banküblichen Zinssätzen. Deshalb wird im Falle einer Steuerhinterziehung der Zinsvorteil des durch sie Begünstigten regelmäßig nicht in voller Höhe abgeschöpft. Entsprechend ist es sachlich gerechtfertigt, wenn das Gesetz den durch die Abschöpfung eines Zinsvorteils entstehenden Vermögensnachteil sowohl für Säumniszuschläge als auch für Hinterziehungszinsen einheitlich im Sinne eines Abzugsverbotes regelt.

cc) Dies gilt schließlich auch für den Vergleich zwischen Hinterziehungszinsen einerseits und der Verzinsung von Steuernachforderungen, Stundungszinsen und Zinsen bei der Aussetzung der Vollziehung andererseits. Zwar haben § 235 AO 1977 einerseits und die §§ 233 a, 234 und 237 AO 1977 andererseits gemeinsam den Zweck, einen Zinsvorteil beim Steuerschuldner durch die Festsetzung von Schuldzinsen abzuschöpfen. Die gemeinsame Zwecksetzung schließt es aber nicht aus, den durch die Abschöpfung beim Steuerschuldner entstehenden Vermögensnachteil je nachdem unterschiedlich zu behandeln, ob der ursprüngliche Zinsvorteil auf einer Steuerhinterziehung beruht oder in anderer Weise entstanden ist. So gesehen beinhalten zwar nicht § 235 AO 1977, wohl aber die §§ 10 Nr. 2, 8 Abs. 1 KStG 1990 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 8 a EStG Sanktionsmaßnahmen gegenüber demjenigen, der einen Zinsvorteil aus einer Steuerhinterziehung erzielt hat. Zwar liegt hierin eine Einschränkung des Nettoprinzips. Dies gilt jedoch in vergleichbarer Weise auch für die in § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG getroffene Regelung. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorschrift für verfassungskonform erklärt (vgl. BVerfG-Beschluß vom 23. Januar 1990 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BStBl II 1990, 483). Dies muß dann für §§ 4 Abs. 5 Nr. 8 a EStG und 10 Nr. 2 KStG 1990 entsprechend gelten.

b) § 54 Abs. 5 KStG 1990 verstößt nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht. Auch insoweit verweist der Senat auf den Beschluß des BVerfG in BStBl II 1990, 483. Zwar betrifft der Beschluß die rückwirkende Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG. Für die rückwirkende Anwendung der §§ 4 Abs. 5 Nr. 8 a EStG und 10 Nr. 2 KStG 1990 kann jedoch nichts anderes gelten. Auch insoweit hat die gesetzliche Neuregelung nur die Rechtslage wiederhergestellt, die bis zu dem Urteil des erkennenden Senats vom 23. November 1988 I R 180/85 (BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 116) der allgemeinen Rechtsauffassung entsprach. In der Zeit zwischen der Urteilszustellung und dem Erlaß der Neuregelung konnte kein schutzwürdiges Vertrauen rückwirkend entstehen.

4. Die Vorentscheidung entspricht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht.