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  BFH-Urteil vom 15.2.1995 (II R 8/92) BStBl. 1995 II S. 505

Unentgeltlich erworbene Verlagsrechte sind (ebenso wie bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für Stichtage vor dem 1. Januar 1993) bei der Ermittlung des Vermögenswertes im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens zur Schätzung des gemeinen Werts der Anteile an Kapitalgesellschaften (vgl. Abschn. 76 ff. VStR vor 1993) für Feststellungszeitpunkte vor dem 31. Dezember 1992 mit ihren Teilwerten zu berücksichtigen.

BewG § 11 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Betriebsprüfer fest, daß die von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, die ein Verlagsunternehmen betreibt, nicht entgeltlich erworbenen Verlagsrechte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1982 und 1. Januar 1983 bislang nicht erfaßt waren. Mangels anderweitiger Ermittlungsmöglichkeiten schätzte der Prüfer den Wert dieser Verlagsrechte mit dem 2,4fachen von 3 v.H. der durchschnittlichen Erlöse aus diesen Verlagsrechten in den jeweiligen drei den Feststellungszeitpunkten vorangegangenen Wirtschaftsjahren. Die so errechneten Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1982 in Höhe von 846.000 DM und auf den 1. Januar 1983 in Höhe von 864.000 DM legte der Prüfer auch der Berechnung des Vermögenswerts im Rahmen der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin zu den streitigen Feststellungszeitpunkten (31. Dezember 1981 und 31. Dezember 1982) zugrunde.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte den Berechnungen des Prüfers und erließ am 23. Februar 1987 die angefochtenen, nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheide über die im Stuttgarter Verfahren ermittelten gemeinen Werte der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1981 in Höhe von 3.343 DM und auf den 31. Dezember 1982 in Höhe von 2.117 DM je 100 DM des Stammkapitals.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Herabsetzung der gemeinen Werte der Anteile für je 100 DM des Stammkapitals zum 31. Dezember 1981 auf 2.821 DM und zum 31. Dezember 1982 auf 1.755 DM. Sie machte geltend, daß bei der Ermittlung der Vermögenswerte die Schätzwerte für die nicht entgeltlich erworbenen Verlagsrechte von den Einheitswerten des Betriebsvermögens abgezogen werden müßten, weil sie andernfalls im Rahmen der Anteilsbewertung doppelt erfaßt würden, nämlich zum einen kapitalisiert im Vermögenswert als immaterielles Wirtschaftsgut und zum anderen in voller Höhe im Ertragswert.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen statt. Es schloß sich der Auffassung der Klägerin an, wonach der Wert der unentgeltlich erworbenen Verlagsrechte bei der Ermittlung des Vermögenswerts nicht berücksichtigt werden könne und sich nur über den Ertragshundertsatz auf die Höhe des gemeinen Werts der Anteile auswirken dürfe.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, unentgeltlich erworbene Verlagsrechte seien als immaterielle Wirtschaftsgüter auch bei der Ermittlung des Vermögenswerts zu berücksichtigen. Ausnahmen gälten lediglich für den Geschäftswert und für geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht hat das FG den der Höhe nach nicht streitigen Teilwert der Verlagsrechte bei der Ermittlung des Vermögenswerts im Rahmen der Anteilsbewertung außer Betracht gelassen.

1. Zutreffend sind das FG und die Beteiligten davon ausgegangen, daß die gemeinen Werte der Anteile an der Klägerin auf die streitigen Feststellungszeitpunkte (31. Dezember 1981 und 31. Dezember 1982) mangels stichtagsnaher Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen sind (§ 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Diese Schätzung erfolgt im Streitfall nach dem in Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1980 und 1983 geregelten Stuttgarter Verfahren, das der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt hat, soweit es nicht in Ausnahmefällen zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558).

a) Maßgebende Ausgangsgröße für die Schätzung des gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach dem Stuttgarter Verfahren ist der Vermögenswert (vgl. Abschn. 77 VStR 1980 und 1983), der aufgrund der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu korrigieren ist. Zur Ermittlung des Vermögenswerts ist das Vermögen der Kapitalgesellschaft für die hier maßgeblichen Stichtage nicht mit den Steuerwerten, sondern mit den tatsächlichen Werten am maßgeblichen Feststellungszeitpunkt anzusetzen. Dabei wird aus Gründen der Praktikabilität vom Einheitswert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft ausgegangen, der sodann nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berichtigen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 30/74, BFHE 118, 66, BStBl II 1976, 238).

b) Im vorliegenden Fall sind die nicht entgeltlich erworbenen Verlagsrechte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1982 und 1. Januar 1983 mit ihren nach Ertragswertgesichtspunkten geschätzten Teilwerten berücksichtigt worden. Nichts anderes kann entgegen der von der Klägerin und dem FG vertretenen Ansicht bei der Ermittlung des Vermögenswerts im Rahmen der Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren gelten.

aa) Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 8. Mai 1985 II R 184/80 (BFHE 144, 268, BStBl II 1985, 608) ausgeführt, daß ein im Einheitswert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft erfaßter (derivativer) Geschäftswert (Firmenwert) bei der Berechnung des Vermögenswerts im Rahmen der Anteilsbewertung außer Ansatz bleiben müsse, weil es anderenfalls zu einer unzulässigen Doppelerfassung dieses Geschäftswerts zum einen beim Vermögenswert und zum anderen bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes komme (vgl. auch den Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1964, Betriebs-Berater - BB - 1964, 586). Entsprechendes habe für firmenwertähnliche immaterielle Wirtschaftsgüter (im dortigen Streitfall: für eine Güterfernverkehrsgenehmigung) zu gelten.

bb) Indessen hat das FG diese Grundsätze zu Unrecht auf die hier in Rede stehenden Verlagsrechte angewendet. Denn bei diesen immateriellen Rechten handelt es sich - wie auch das FG nicht verkannt hat - nicht um einen Bestandteil des Geschäftswerts oder um geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter.

Verlagsrechte sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eigenständige, vom Geschäftswert sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht abgegrenzte immaterielle (Einzel-)Wirtschaftsgüter, denen nach allgemeiner Verkehrsauffassung eine selbständige Bewertungsfähigkeit zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. März 1979 I R 37/75, BFHE 127, 386, BStBl II 1979, 470; dort auch zur Abgrenzung der Verlagsrechte von dem firmenwertähnlichen Wirtschaftsgut "Verlagswert"; vom 23. Mai 1979 I R 163/77, BFHE 128, 213, BStBl II 1979, 757, 760 unter 3.; vom 11. November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, BStBl II 1984, 187; vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 4. Juni 1942 III 89/40, RStBl 1942, 892). Nach dem VerlG stellt sich das Verlagsrecht als ein aus dem Urheberrecht abgeleitetes Nutzungsrecht dar. Durch den Verlagsvertrag wird dem Verleger das ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht eingeräumt (§ 8 des Gesetzes über das Verlagsrecht - VerlG -). Nach § 28 VerlG sind Verlagsrechte als Einzelrechte grundsätzlich auf Dritte übertragbar (vgl. ausführlich RFH in RStBl 1942, 892, und BFH in BFHE 128, 213, BStBl II 1979, 757, unter 3.). Aus diesen Regelungen ergibt sich, daß das Verlagsrecht ein nichtfirmenwertähnliches, selbständig veräußerliches Einzelwirtschaftsgut ist. Auch im Wirtschaftsleben tritt das Verlagsrecht sichtbar als Einzelwert in Erscheinung. So ist nach § 22 VerlG der Verleger verpflichtet, an den Autor die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Von den Zweitberechtigten werden auf das Verlagsrecht ebenfalls Vergütungen geleistet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 140, 289, BStBl II 1984, 187, 189 unter 4.).

cc) Aus dem vorbeschriebenen Charakter der Verlagsrechte als einzelveräußerliche, nichtfirmenwertähnliche Wirtschaftsgüter folgt, daß eine Kürzung des Vermögenswerts um den Teilwert dieser Einzelwirtschaftsgüter nicht in Betracht kommt. Insoweit gilt nichts anderes als bei den übrigen materiellen und immateriellen (nichtfirmenwertähnlichen) Einzelvermögensgegenständen, die - wie beispielsweise ein Betriebsgrundstück, eine Maschine oder ein Patent - ebenfalls (allerdings für sich genommen nur schwer quantifizierbare) Erfolgsbeiträge zum Unternehmensgesamtertrag leisten. Eine Doppelerfassung dieser Erfolgsbeiträge im Vermögenswert und im Ertragshundertsatz wird nach dem System des Stuttgarter Verfahrens, das auf einer Variante der sog. Übergewinnmethode beruht (näher dazu Moxter, Der Betrieb 1976, 1585; Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 11 BewG Rdnr. 165), in der Tendenz dadurch vermieden, daß neben dem Vermögenswert, der von der Gewichtung her den Schwerpunkt dieses Bewertungsverfahrens bildet, als zusätzliche Größe im sog. Ertragshundertsatz lediglich derjenige (fünffache) Durchschnittsertrag berücksichtigt wird, der über die (mit 10 v.H. des Anteilswerts unterstellte) Normalrendite hinausgeht. Anders ausgedrückt wird neben dem Vermögenswert (d.h. der Summe der Teilwerte aller Einzelwirtschaftsgüter, also unter Ausschluß des Geschäftswerts) nur mehr der (aus dem kapitalisierten "Übergewinn" resultierende) Geschäfts- oder Firmenwert (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. August 1982 IV R 43/79, BFHE 136, 274, BStBl II 1982, 652, 654) erfaßt.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin und die Beigeladenen haben gegen die Höhe der vom FA mit dem 2,4fachen von 3 v.H. der Durchschnittserlöse ermittelten Teilwerte der Verlagsrechte keine Einwendungen erhoben. Die angefochtenen Feststellungsbescheide des FA sind daher aufrechtzuerhalten.