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  BFH-Urteil vom 29.6.1994 (I R 132/93) BStBl. 1995 II S. 510

1. Einer Kirche steht kein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zu.

2. Leben Eheleute in einer konfessionsverschiedenen Ehe, so darf ein Bescheid über ev. Kirchensteuer nur an den ev. Ehegatten gerichtet werden. Wird ein entsprechender Bescheid auch an den rk. Ehegatten gerichtet, so ist er insoweit aufzuheben.

3. Die Klage eines rk. Ehegatten mit dem Antrag, die ev. Kirchensteuer gegenüber seinem ev. Ehegatten nur nach dessen Einkommen festzusetzen, ist mangels Beschwer unzulässig.

KiStG NW § 3 Abs. 1, § 6; FGO § 40 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in dem Streitjahr 1990 Mitglied der römisch-katholischen (rk) Kirche. Er wurde mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer 1990 veranlagt. Die Ehefrau ist Mitglied der evangelischen (ev) Kirche. Der von dem zuständigen Finanzamt (FA) am 20. Dezember 1991 erlassene Einkommensteuerbescheid 1990 ist an beide Ehegatten gerichtet. In ihm wurden die ev und die rk Kirchensteuer auf jeweils 11.042,82 DM festgesetzt. Aus der Berechnung der Kirchensteuern ergibt sich, daß dieselben nach der festgesetzten Einkommensteuer 1990 unter Beachtung des § 51 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wurden. Die Bemessungsgrundlage wurde je zur Hälfte dem Kläger und seiner Ehefrau zugerechnet.

Gegen die Festsetzung ev Kirchensteuer 1990 legte nur der Kläger Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) durch Einspruchsentscheidung vom 25. März 1992 als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 401 veröffentlicht.

Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung von § 3 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KiStG NW).

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 25. November 1992 11 K 1660/92 die ev Kirchensteuer für das Jahr 1990 bei gleichzeitiger Änderung des entsprechenden ev Kirchensteuerbescheides ausschließlich gegen den ev Ehegatten und ausschließlich nach dessen Einkommen festzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des ev Kirchensteuerbescheides 1990 vom 20. Dezember 1991, soweit er sich gegen den Kläger richtet. Die weitergehende Klage war als unzulässig abzuweisen.

1. Nach § 3 Abs. 1 KiStG NW sind alle Angehörigen der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt i.S. der §§ 8 und 9 der Abgabenordnung (AO 1977) im Land Nordrhein-Westfalen haben, kirchensteuerpflichtig. Diese Regelung ist dahin zu verstehen, daß keiner der beiden Kirchen ein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zusteht (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60, BVerfGE 19, 268; Beschluß vom 8. Februar 1977 1 BvR 329/71 u.a., BVerfGE 44, 37; v. Mangold/Klein/v. Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 140, Rdnr. 201; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Art. 140, Rdnr. 336). Aus der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität des Staates folgt, daß einer Religionsgemeinschaft Besteuerungsbefugnisse nur über Personen verliehen werden dürfen, die ihr mitgliedschaftlich angehören. In diesem Sinne ist auch Art. 140 des Grundgesetzes (GG) auszulegen. § 6 KiStG NW steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift betrifft nur die Grundsätze über die Erhebung von Kirchensteuern. Sie ändert nicht die in § 3 Abs. 1 KiStG NW geregelte persönliche Steuerpflicht des einzelnen Angehörigen. Deshalb kann auch in einer konfessionsverschiedenen Ehe ein ev Kirchensteuerbescheid nur gegenüber dem Ehegatten ergehen, der der ev Kirche mitgliedschaftlich angehört. Ob gegenüber dem rk Ehegatten ein Haftungsbescheid für ev Kirchensteuerschulden seines ev Ehegatten ergehen darf (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KiStG NW), ist eine andere Frage, die im Streitfall keiner Entscheidung bedarf, weil ein entsprechender Haftungsbescheid vom Beklagten nicht erlassen und vom Kläger nicht angefochten wurde.

2. Der ev Kirchensteuerbescheid 1990 vom 20. Dezember 1991 läßt nicht erkennen, ob er sich - wie es richtig gewesen wäre - nur gegen die Ehefrau des Klägers oder auch gegen diesen richtet. Zwar ergibt sich aus der Berechnung der ev Kirchensteuer, daß sie nur die Ehefrau des Klägers betreffen soll. Jedoch kann aus der Berechnung der ev Kirchensteuer nicht zwingend auf die Adressierung des Bescheides geschlossen werden. Die Festsetzung der ev Kirchensteuer steht in einem Zusammenhang mit dem Einkommensteuerbescheid 1990, der sich gegen den Kläger und seine Ehefrau richtet. Der Beklagte geht in seinen Stellungnahmen von der Existenz eines ev Kirchensteuerbescheides 1990 auch gegenüber dem Kläger aus. Entsprechend ist die Vorentscheidung zu verstehen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß zumindest der Schein der Festsetzung einer ev Kirchensteuer 1990 gegenüber dem Kläger besteht, den dieser mit Hilfe einer Anfechtungsklage aufheben lassen kann. Da die Festsetzung der ev Kirchensteuer 1990 dem § 3 Abs. 1 KiStG NW widerspricht, ist der entsprechende Bescheid aufzuheben, soweit er sich gegen den Kläger richtet. Durch diese Entscheidung wird die Wirksamkeit der Festsetzung der ev Kirchensteuer 1990 gegenüber der Ehefrau des Klägers nicht berührt.

3. Der weitergehende Klageantrag des Klägers, die ev Kirchensteuer 1990 nur nach dem Einkommen der Ehefrau des Klägers festzusetzen, ist unzulässig. Insoweit fehlt dem Kläger die nach § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Klagebefugnis. Er kann nicht geltend machen, durch die Festsetzung der ev Kirchensteuer 1990 gegenüber seiner Ehefrau nach einer angeblich zu hohen Bemessungsgrundlage in eigenen Rechten verletzt zu sein. Zwar haftet der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KiStG NW für die ev Kirchensteuer seiner Ehefrau. Dies begründet jedoch keine Klagebefugnis im Besteuerungsverfahren der Ehefrau. Vielmehr kann der Kläger im Haftungsverfahren die nach seiner Auffassung unzutreffende Steuerfestsetzung angreifen. Für eine gewillkürte Prozeßstandschaft fehlt es an der erforderlichen Gesetzesgrundlage. Deshalb war die weitergehende Klage des Klägers als unzulässig abzuweisen.