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  BFH-Urteil vom 20.12.1994 (IX R 122/92) BStBl. 1995 II S. 534

Das Veruntreuen von Geldbeträgen durch einen Miteigentümer führt bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht zu Werbungskosten des anderen Miteigentümers.

EStG §§ 9, 12, 21.

FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) sowie der inzwischen verstorbene L erwarben im Jahre 1983 gemeinsam zwei Eigentumswohnungen, mit denen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Zur Abwicklung der mit den Wohnungen zusammenhängenden Zahlungsvorgänge unterhielten sie zwei gemeinsame Bankkonten. Im Jahre 1984 (Streitjahr) hob L ohne Wissen des Klägers von den beiden Konten 24.051,90 DM ab und verbrauchte den Betrag für sich. Er verstarb im Jahre 1986. Die Erben schlugen die Erbschaft aus. Regreßansprüche waren nicht durchsetzbar. Im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Vermietungseinkünfte 1984 machte der Kläger den auf ihn entfallenden Anteil an den unberechtigt abgehobenen Beträgen (12.026 DM) als Werbungskosten geltend.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage überwiegend statt, ohne den Pfleger für den Nachlaß des Verstorbenen zum Verfahren beizuladen. Es führte u. a. aus, die Verbindung zwischen dem Vermögensschaden des Klägers und dessen Vermietungseinkünften sei eng genug, um die Abziehbarkeit der Aufwendungen zu bejahen.

Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die Revision des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -), mit der dieser Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rügt. Das FG habe zu Unrecht einen Veranlassungszusammenhang zwischen dem Vermögensschaden des Klägers und den Vermietungseinkünften angenommen. Darüber hinaus hätte es den Nachlaßpfleger als gesetzlichen Vertreter der Erben des verstorbenen Mitberechtigten zum Verfahren beiladen müssen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat rechtsfehlerhaft den auf den Kläger entfallenden Anteil der unberechtigt abgehobenen Beträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen.

1. Die Vorentscheidung ist nicht schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG mußte den anderen Miteigentümer nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO zu dem Rechtsstreit beiladen. Dieser wird durch die Entscheidung über den Rechtsstreit, in dem es nur um den Abzug von Sonderwerbungskosten des Klägers geht, nicht betroffen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Tz. 6 a. E.).

2. Das FG hat jedoch rechtsfehlerhaft den auf den Kläger entfallenden Anteil der unberechtigt abgehobenen Beträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 9. November 1993 IX 81/90, BFHE 173, 97, BStBl II 1994, 289). Daß der Aufwand im Streitfall subjektiv nicht der Einnahmeerzielung diente, bedarf keiner näheren Darlegung.

Zu den Werbungskosten können darüber hinaus Wertabgaben gehören, die den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1989 X R 69/88, BFH/NV 1990, 553). Für den Abzug derartiger Aufwendungen kommt es entscheidend darauf an, ob das auslösende Moment für die Wertabgabe im Bereich der Einkünfteerzielung liegt (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771; vom 25. Mai 1992 VI R 171/88, BFHE 168, 542, BStBl II 1993, 44, und vom 28. Januar 1994 VI R 25/93, BFHE 173, 365, BStBl II 1994, 355). Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Auslösendes Element für die Wertabgabe war im Streitfall das rechtswidrige Verhalten des anderen Miteigentümers, das mit der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht im Zusammenhang steht. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den Fallgestaltungen, in denen die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher unfreiwillige Wertabgaben als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt hat. In diesen Fällen wurde die Wertabgabe stets von außenstehenden Dritten und damit aus der Sicht des Steuerpflichtigen unfreiwillig verursacht (vgl. dazu auch Urteil des Reichsfinanzhofs vom 8. August 1929 VI A 989/28, RStBl 1929, 588 zur Unterschlagung von Einnahmen durch einen Hausverwalter; Urteil des FG München vom 24. März 1961 II 348/60, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1961, 446 Veruntreuung durch einen Hausverwalter; Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 28. März 1957 IX A 136/56, EFG 1958, 6 bei Diebstahl). Der Wertverlust trat stets ohne oder gegen den Willen desjenigen ein, der die Einnahmen erzielte, und berührte seine Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) nicht. Im Streitfall hat dagegen der andere Miteigentümer, der zusammen mit dem Kläger die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, Geldmittel für Zwecke seiner Lebensführung entnommen. Das Überschreiten der gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Befugnisse durch den anderen Miteigentümer ändert nichts daran, daß die Entnahme nicht "unfreiwillig" stattfand. Auch aus der Sicht des Klägers steht die Wertabgabe nicht mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern mit der Privatsphäre des anderen Miteigentümers im Zusammenhang.

Ein Zusammenhang mit der Einnahmeerzielung besteht auch nicht deshalb, weil über die Bankguthaben, von denen der andere Miteigentümer die Gelder unberechtigt abhob, der Zahlungsverkehr für die Eigentumswohnungen abgewickelt wurde. Auch Abhebungen von solchen Bankkonten stellen, wenn die abgehobenen Beträge der Lebensführung eines Miteigentümers zugute kommen, nichtabziehbare Einkommensverwendung dar.

Das angefochtene Urteil ist nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.