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  BFH-Urteil vom 16.2.1995 (IV R 29/94) BStBl. 1995 II S. 635

Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist auch der Erlös aus dem Verkauf eines Wirtschaftsgutes erst im Jahre des Zuflusses des Veräußerungserlöses als Betriebseinnahme anzusetzen.

EStG § 4 Abs. 3, § 11.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Unternehmens- und EDV-Berater selbständig tätig. Er ermittelt seine Einkünfte nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1990) machte der Kläger einen Verlustvortrag aus den Jahren 1981 bis 1985 geltend. Er vertrat die Auffassung, der Verlust des Jahres 1985 habe nicht - wie vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) angenommen - 40.746 DM, sondern 59.646 DM betragen. Außerdem seien auch die Gewinne der Jahre 1986 und 1987 infolge zusätzlicher, vom FA nicht berücksichtigter Betriebsausgaben um jeweils rd. 56.000 DM niedriger gewesen, als die den Veranlagungen zugrunde gelegten Überschüsse. Zusammen mit den unstreitigen Verlusten der Jahre 1981 bis 1984 habe daher zur Verrechnung mit dem Einkommen des Jahres 1990 ein Betrag in Höhe von 91.339 DM zur Verfügung gestanden. Bei den in den Jahren 1986 und 1987 nach Ansicht des Klägers zusätzlich zu berücksichtigenden Betriebsausgaben sollte es sich u. a. um den Restbuchwert mehrerer zum Anlagevermögen gehörenden Computer handeln, die der Kläger in den Jahren 1986 bis 1988 an die C GmbH, an der er nach seinen Angaben zu 88 v. H. (ab 1990 zu 50,9 v. H.) beteiligt war, verkauft hatte.

Die nach Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage hatte nur zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gelangte zu dem Ergebnis, daß der Verlust aus den Jahren 1981 bis 1985 selbst bei Unterstellung der vom Kläger genannten Höhe und bei Zugrundelegung der von ihm behaupteten Ergebnisse der Folgejahre geringer sei, als die in den Jahren 1986 bis 1989 erzielten Gewinne, so daß ein Vortrag nach 1990 nicht mehr in Betracht komme. Der Gewinn des Jahres 1990 verringere sich aber dadurch, daß das 1990 zugeflossene Entgelt für den mit Rechnung vom 11. Januar 1988 verkauften Computer nicht dem Ergebnis des Zuflußjahres (1990) zuzurechnen sei. Das Entgelt sei vielmehr im Veräußerungsjahr (1988), in dem auch der Restbuchwert gewinnmindernd auszubuchen sei, zu erfassen. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 789 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Veräußert ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelt, ein Wirtschaftsgut seines Anlagevermögens, so sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie noch nicht im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) gewinnmindernd berücksichtigt worden sind oder die AfA nicht willkürlich unterlassen wurden, bei der Veräußerung als Betriebsausgaben abzusetzen (Senatsurteil vom 7. Oktober 1971 IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl II 1972, 271). Zeitpunkt der Absetzung ist das Jahr der Veräußerung (R 16 Abs. 3 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1993; einhellige Meinung im Schrifttum, z. B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 68 c). Als Zeitpunkt der Veräußerung ist nicht der Abschluß des schuldrechtlichen Kaufvertrages, sondern der Übergang des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums anzusehen. Es gilt insoweit der im allgemeinen anzuwendende einkommensteuerliche Veräußerungsbegriff, wie er im Senatsurteil vom 21. Oktober 1976 IV R 210/72, (BFHE 120, 239, BStBl II 1977, 145) definiert ist (ebenso Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 184; Schoor, Finanz-Rundschau - FR - 1982, 505, 507; Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4 bis 5 Rdnr. 40 g; Müller-Gatermann in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. 33; Biergans, Einkommensteuer, S. 680; a. A. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 Anm. 91 - 2 -, E 497, die auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistung abstellen). Da bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG das Entstehen von Betriebseinnahmen und -ausgaben nicht vom Zeitpunkt der Begründung schuldrechtlicher Forderungen und Verbindlichkeiten abhängt (vgl. z. B. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., Anm. 90, 91 - 1 -), rechtfertigt allein das tatsächliche Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen die Absetzung des Restwertes als Betriebsausgabe.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, hat das FG zutreffend angenommen, daß der Restbuchwert des mit Rechnung vom 11. Januar 1988 verkauften Computers jedenfalls nicht im Jahre 1990 als Betriebsausgabe zu erfassen ist. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß das rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum erst zwei Jahre nach Rechnungserteilung auf die vom Kläger beherrschte C GmbH übergegangen ist. Vielmehr hat der Kläger mit seiner Klage sogar geltend gemacht, der veräußerungsbedingte Abgang des Computers sei bereits im Jahre 1987 zu erfassen.

2. Entgegen der Auffassung des FG, die auch vom FG Bremen (Urteil vom 28. Oktober 1993 1 89 233 K 1, EFG 1994, 912) und von einem Teil der Literatur vertreten wird (Weber-Grellet, a. a. O., Rdnr. D 166; Schmidt/Heinicke, a. a. O.; Müller-Gatermann, a. a. O.), ist der Veräußerungserlös nicht bereits im Jahr der Veräußerung, sondern erst im Jahr des Zuflusses als Betriebseinnahme zu erfassen. Die gegenteilige Auffassung wird mit der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG begründet. Nach dieser Vorschrift sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. § 4 Abs. 3 Nr. 4 EStG ist in das Gesetz eingefügt worden, um zu vermeiden, daß Verzerrungen des Gewinns dadurch eintreten, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sogleich als Betriebsausgaben wirksam werden, während die entsprechenden Einnahmen oft erst in ferner Zukunft anfallen; hierzu kann es insbesondere bei der Anschaffung von Grundstücken und Kapitalbeteiligungen kommen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., Anm. 91 - 2 -, E 497; Weber-Grellet, a. a. O., Rdnr. D 166, D 180 ff.). Die Vorschrift schiebt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben hinaus, besagt aber nicht, daß Betriebseinnahmen aus einem Veräußerungsvorgang schon vor ihrem Zufluß zu berücksichtigen seien.

Fehlt es aber an einer Ausnahmevorschrift, so verbleibt es auch im Falle der Veräußerung von Anlagevermögen bei der allgemeinen Regel, daß der Veräußerungserlös im Zeitpunkt des Zuflusses und nicht im Zeitpunkt der Veräußerung zu erfassen ist (Bordewin, a. a. O., Rdnr. 39 e; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 Rdnr. 2183; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., Anm. 90, E 492). Die Forderung auf Geldzahlung oder -überweisung ist, anders als bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG), noch keine Betriebseinnahme (Senatsurteil vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526).

Nach dem § 4 Abs. 3 EStG zugrundeliegenden Prinzip werden Gewinne mit dem Zufluß der Einnahmen, nicht schon oder erst mit der Erbringung der Leistung oder dem Abfluß entsprechender Ausgaben realisiert. Dabei hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen, daß auch hohe Geldzuflüsse, wie etwa der einem Rechtsanwalt gezahlte Vorschuß, um der Vereinfachung willen in einem Jahr als Betriebseinnahme erfaßt werden, in dem noch keine Leistungen erbracht und noch keine Aufwendungen abgeflossen sind. Will der Steuerpflichtige aus dem zeitlichen Auseinanderfallen von Verkauf und Zufluß des Kaufpreises resultierende Nachteile vermeiden, so kann er die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG wählen.

Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 6 c EStG i. V. m. § 6 b EStG ableiten (so aber FG Bremen in EFG 1994, 912). Es liegt auf der Hand, daß eine Rücklage nach § 6 c EStG nicht höher sein darf als der Saldo zwischen Restbuchwert und Veräußerungserlös. Das gilt unabhängig davon, ob sich die Saldierung steuerlich in ein und demselben Jahr vollzieht.