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  BFH-Urteil vom 8.2.1995 (I R 17/94) BStBl. 1995 II S. 692

1. Im Gewinnfeststellungsbescheid sind auch Verluste nach § 34 c Abs. 4 EStG gesondert festzustellen (Bestätigung des Beschlusses vom 18. Mai 1994 I B 209/93, BFHE 174, 530, BStBl II 1994, 794).

2. Verluste aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr i. S. des § 34 c Abs. 4 EStG sind vorrangig mit den Gewinnen aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auszugleichen (Bestätigung des Urteils vom 30. September 1965 IV 99/64 S, BFHE 84, 179, BStBl III 1966, 66).

EStG § 34 c Abs. 4.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber der Reederei X, die im Streitjahr 1989 ein Handelsschiff im internationalen Verkehr i. S. des § 34 c Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrieb. An dem Geschäft des Klägers haben sich weitere Personen als atypisch stille Gesellschafter beteiligt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte im Gewinnfeststellungsbescheid für 1989 die Einkünfte für die Reederei als solche aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß mit ./. 106.201 DM und die negativen ausländischen Einkünfte gemäß § 34 c Abs. 4 Satz 4 EStG mit ./. 84.961 DM fest. Einspruch und Klage, die sich gegen die Feststellung negativer ausländischer Einkünfte richteten, blieben erfolglos.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 34 c Abs. 4 EStG und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) den Feststellungsbescheid 1989 vom 14. Januar 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 1993 insoweit aufzuheben, als dort negative Einkünfte gemäß § 34 c Abs. 4 EStG festgestellt worden sind.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) sind gesondert festzustellen die einkommensteuer- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Diese Voraussetzungen sind bei einer atypisch stillen Gesellschaft gegeben, da der atypisch stille Gesellschafter im Gegensatz zum typisch stillen Gesellschafter Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; vom 4. August 1988 IV R 60/86, BFH/NV 1990, 19; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 180 AO 1977 Tz. 11). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH beschränkt sich die Feststellung nicht auf die Höhe der festzustellenden Einkünfte, sondern sie erfaßt auch solche Besteuerungsgrundlagen, die zum Zweck der einheitlichen Sachbehandlung bei Beteiligung mehrerer Personen an den Einkünften geboten sind. Hierzu gehört u. a. die Feststellung der gemäß § 34 EStG steuerbegünstigten Gewinne (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 155/75, BFHE 125, 437, BStBl II 1978, 637 m. w. N.; BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 I B 35/90, BFH/NV 1992, 108) und damit auch die Feststellung der gemäß § 34 c Abs. 4 i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr (BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 IV R 93/89, BFHE 163, 554, BStBl II 1991, 455).

Gesondert festzustellen sind auch negative Einkünfte nach § 34 c Abs. 4 EStG, obgleich eine (ermäßigte) Besteuerung von Verlusten, worauf der Kläger zu Recht hinweist, schlechthin ausscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 163/87, BFHE 160, 500, BStBl II 1990, 783). Hat eine Mitunternehmerschaft Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen i. S. des § 34 c Abs. 4 EStG, so hat dies nicht nur Auswirkungen auf die Höhe der bei den Gesellschaftern im Rahmen der Veranlagung anzuwendenden Steuersätze, sondern auch auf den Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkünften der Gesellschafter. Nach der Entscheidung des BFH vom 30. September 1965 IV 99/64 S (BFHE 84, 179, BStBl III 1966, 66) sind die Verluste aus dem Betrieb von Handelsschiffen nach § 34 c Abs. 4 EStG mit entsprechenden Gewinnen auszugleichen, so daß derartige Verluste (zumindest vorrangig) die steuerbegünstigten positiven Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen und nicht anderer Einkünfte mindern (ebenso BFH-Urteil vom 28. November 1973 I R 21/72, BFHE 111, 399, BStBl II 1974, 378). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, zumal sich ihr auch das Schrifttum offenbar überwiegend angeschlossen hat (vgl. Lüdicke in Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 34 c EStG Rdnr. 201; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34 c EStG Rdnr. 39; Hellwig in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 34 c EStG Rdnr. 44; Birkholz/Längsfeld in Lademann/Söffing, Einkommensteuergesetz, § 34 c Rdnr. 11; wohl auch Krabbe in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 34 c Rdnr. 128).

Einkünfte aus dem Betrieb einer Reederei sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG. Gewinne und Verluste, die aus dem Einsatz einzelner Schiffe resultieren, gleichen sich bei der Gewinnermittlung nach den §§ 4, 5 EStG aus. Allerdings sind zum Zweck der Ermittlung der Steuerermäßigung nach § 34 c Abs. 1 bis 5 EStG die inländischen und ausländischen Einkünfte voneinander abzugrenzen. Zu den ausländischen Einkünften im Sinne dieser Norm gehören gemäß § 34 d Nr. 2 c EStG die Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus der Beförderung zwischen ausländischen oder von ausländischen zu inländischen Häfen erzielt werden. Ob innerhalb dieser ausländischen Einkünfte nach § 34 d Nr. 2 c EStG noch einmal die nach § 34 c Abs. 4 EStG begünstigten dergestalt auszugrenzen sind, daß die nicht begünstigten Einkünfte aus ausgeflaggten Schiffen vorrangig mit anderen nicht begünstigten Einkünften auszugleichen sind (so zu § 34 EStG BFH-Urteil vom 29. Juli 1966 IV 299/65, BFHE 86, 486, BStBl III 1966, 544; Flick/Wassermeyer/Becker, a. a. O., § 34 c Rdnr. 197; vgl. auch Beschluß des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1968 GrS 2/67, BFHE 93, 75, BStBl II 1968, 666), kann im Streitfall offenbleiben. Betreiben Steuerpflichtige mehrere nach § 34 c Abs. 4 EStG begünstigte Handelsschiffe, besteht jedenfalls nach dem Wortlaut des § 34 c Abs. 4 EStG keine Möglichkeit, von dem allgemeinen Grundsatz der Einkunftsermittlung abzuweichen, wonach auch ausländische Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb einheitlich zu ermitteln sind. Dieser Grundsatz gilt in dem gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anliegen, die Besteuerung der Mitunternehmer der des Einzelunternehmers anzugleichen, auch für einen Steuerpflichtigen, der an mehreren Mitunternehmerschaften beteiligt ist, die begünstigte Schiffe i. S. des § 34 c Abs. 4 Satz 2 EStG betreiben. Sollte § 34 c Abs. 4 EStG, seinem Zweck widersprechend, die Ausflaggung verlustbringender Handelsschiffe im internationalen Verkehr steuerlich in der Weise begünstigen, daß die Verluste aus ausgeflaggten Schiffen vorrangig nicht mit den ermäßigt zu besteuernden Einkünften verrechnet werden können, so bleibt es Sache des Gesetzgebers, diese Unstimmigkeit zu bereinigen.

Diese vom Senat in BFHE 111, 399, BStBl II 1974, 378 aufgestellten Grundsätze sind auch nicht dadurch überholt worden, daß durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 in § 34 c Abs. 4 Satz 4 EStG der Begriff "Einkünfte" durch "Gewinn" ersetzt wurde. Gewinn im steuerlichen Sinn kann ein positiver oder negativer sein und erfaßt daher auch Verluste. Dementsprechend wurden auch im Bericht des Finanzausschusses, in dem die Änderung des § 34 c Abs. 4 Satz 4 EStG eingefügt wurde, die Begriffe "Gewinn" (vgl. BTDrucks 7/1860) und "Schiffahrtseinkünfte" (vgl. BTDrucks 7/1871) synonym verwendet.

Gegenteiliges wird auch nicht in dem Bericht eines Expertengremiums beim Bundesverkehrsministerium vertreten, den der Kläger vorgelegt hat. Wenn aus verkehrs- und wirtschaftspolitischen Gründen eine stärkere steuerliche Entlastung der inländischen Flagge geboten erscheint, so ist dies eine Frage, wie de lege ferenda zu verfahren ist. So spricht auch der bezeichnete Bericht im Zusammenhang mit der Saldierung positiver und negativer Einkünfte von einer "politischen Zielsetzung" und "steuerpolitischen Maßnahme". Eine solche politische, vom Gesetz abweichende Regelung zu treffen, ist der Rechtsprechung versagt (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes).

Einkünfte i. S. des § 34 c Abs. 4 EStG sind auch dann einheitlich und gesondert festzustellen, wenn im Feststellungsverfahren ein Antrag gemäß § 34 c Abs. 4 EStG nicht gestellt wird. Antragsabhängig ist lediglich die Ermäßigung der Steuer, die bei der Veranlagung, d. h. im Folgebescheid, stattfindet. Für die im Grundlagenbescheid zu treffenden Feststellungen reicht es, entsprechend dem Zweck der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, nämlich widersprüchliche Entscheidungen im Veranlagungsverfahren zu vermeiden, aus, daß diese im Folgebescheid rechtliche Relevanz - durch eine entsprechende Antragstellung - erlangen können.

Der Streitfall bot keinen Anlaß, das Bundesministerium der Finanzen zum Beitritt aufzufordern. Ein Beitritt des Bundesverkehrsministeriums ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 122 Abs. 2 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 122 Rdnr. 5).